Wenn EU = Weimar, was ist USA?

Europa ähnelt Weimar So lautet die Erklärung eines sehr interessanten Artikels in GeoLitico. Ich stelle die Frage, welche Rolle dann die USA spielt.

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Am 31. Dezember 2014 wurde in GeoLitico ein hervorragender Artikel veröffentlicht, der die Situation der Weimarer Republik in der ersten Weltwirtschaftskrise, mit der heutigen Situation der EU vergleicht. In ihm finden sich viele Aspekte wieder, die ich bereits in Kommentaren als möglichen Dominoeffekt bezeichnet hatte. Auch wenn der Vergleich von Hitlers NSDAP heutzutage in Deutschland politisch verpönt ist, gelang es dem Artikel in GeoLitico, sehr sachlich die Brücke zu schlagen, zwischen zwei Austeritäts-Prozessen, die tatsächlich einige Ähnlichkeiten aufweisen.

Was der Artikel als Möglichkeit andeutet, ist das Stattfinden eines politischen Erdbebens, das ganz Europa bis in die Grundfesten erschüttern wird. Auslöser könnte die Wahl in Griechenland sein. Sollte Anfang diesen Jahres, das neue Linksbündnis Syriza stärkste Kraft im Parlament werden, und die zukünftige Politik Griechenlands bestimmen, könnte zum ersten Mal ein Gegenmodell zum Merkel‘schen Austeritätskurses, in der freien Wildbahn der politischen Wirklichkeit, beobachtet werden.

Aber Griechenland ist nur das erste Land, vor Großbritannien, Portugal und Spanien, in denen 2015 Schicksalswahlen anstehen könnten, sollte das Ergebnis in Griechenland, die anderen neuen Bewegungen beflügeln.

Italien, bekannt dafür, dass kaum eine Regierung jemals eine volle Legislaturperiode durchregiert hat, würde zweifellos durch die Veränderungen in den Nachbarstaaten in eine Regierungskrise geraten, Neuwahlen mit dem Sieg einer weiteren neuen Kraft, dem Bündnis 5-Sterne, könnte die Folge sein. Dann fehlt nur noch Frankreich. Schon heute wird die rechtspopulistische Politikerin LePen als mögliche Favoritin für die Präsidentschaftswahlen 2017 gehandelt. Ein Vorziehen der Wahlen erscheint in diesen Turbulenzen durchaus wahrscheinlich.

QUERFRONT

Dabei sind sich rechts- und linksgerichtete Bewegungen in vielen Dingen erstaunlich einig, auch wenn das Dogmatiker in beiden Lagern nicht offen zugeben wollen. Und auch deshalb hört man immer öfter die hysterische Warnung vor einer „Querfront“ aus dem Lager der politischen Elite . Also einem auf Machtergreifung ausgelegtes Bündnis zwischen radikalen rechten und linken Kräften.

Es gibt Übereinstimmungen in der Kritik an der Politik der USA, oft als Imperialismus-Kritik geäußert, an weltweiten Militäreinsätzen, der NATO, und Kritik an großen Bereichen der Globalisierung und der Euro-Politik. Was aber fehlt, ist der antibürgerliche Habitus. Im Gegenteil handelt es sich um Teile des Bürgertums, das sich hier zusammen findet. Ernsthafteste Unterscheidungsmerkmale bestehen in der solidarisch-internationalistischen Sicht der Linken, gegenüber der egoistisch-regionalistischen (um das unpassende Wort nationalistisch zu vermeiden) Sicht der Rechten.

Aber LePen deutete in verschiedenen Interviews an, wo die Brücke gefunden werden könnte. Nämlich im gemeinsamen Kampf gegen die URSACHEN von Flüchtlingen und Asylanten. Gegen Krieg, wirtschaftliche Ausbeutung und Destabilisierung der Flüchtlingsländer. Dem können Linke mit Sicherheit zustimmen. Und Politiker wie LePen benötigen nach der Übernahme der Macht, viel weniger die Mobilisierung der Ängste der Mehrheit, durch Fokussierung auf „Ausländer“, und können linken solidarischen Positionen entgegen kommen.

Nur in Portugal ist bisher noch keine ernsthafte Konkurrenz des politischen Establishments zu erkennen. Bis Ende Dezember 2015 könnten also in Griechenland, Großbritannien, und Spanien neue Regierungen an die Macht kommen, die mit der bedingungslosen Unterstützung von Banken und Großkapital-Eigentümern brechen. Und plötzlich könnte sich die Finanzwelt vielen Argentinien ausgesetzt sehen, die sich mit Unterstützung von China und Russland gegen „Finanzparasiten“ wehren.

FOLGEN FÜR DEUTSCHLAND

Für Deutschland wären die Folgen sowohl politisch wie wirtschaftlich einschneidend. Deutschland hatte unter verschiedenen Regierungen die falsche Politik betrieben, durch Lohnzurückhaltung und Sozialabbau, in Deutschland produzierte Produkte so billig zu machen, dass sie Produkte anderer Länder mit höheren Sozialleistungen, konkurrenzunfähig machte. Die Folge war, dass diese Länder Waren bei uns kauften, dafür aber bei uns auch Kredite aufnahmen. Sie bezahlten also die Waren mit Schuldscheinen.

Da wir aber immer weiter „Exportweltmeister“ bleiben wollten, und auch die Inflation unterhalb des eigentlich für die Euro-Zone vereinbarten Niveau hielten, haben diese Länder keine Chance, das Ungleichgewicht in den Handelsbilanzen auszugleichen. Nun fordert Merkel die Einlösung der Schuldscheine, durch Abbau von staatlichen Leistungen und Steuererhöhungen auf kleine Einkommen. Bei größeren Einkommen wären höhere Steuern ja nicht möglich, weil sonst das scheue Kapital in andere Regionen abwandern würde, wo es weniger Steuern bezahlt, so das Narrativ.

Die Menschen in den Ländern, in denen nun die Umwälzung beginnt, wollen dies aber nicht akzeptieren. Und sie wollen die Schuldscheine, die ihnen korrupte Regierungen mit falschen Versprechungen, untergejubelt haben, nicht mehr einlösen.

In Deutschland wurden diese Schuldscheine durch den Staat quasi eingelöst, damit die großen Konzerne ihre Gewinne erzielen konnten. Die waren so hoch, auch auf Grund der niedrigen Lohnkosten, in Bezug auf die Produktivität, dass die Verschuldung der Konzerne sich in den letzten 20 Jahren in sein Gegenteil verdreht hat. Heute verfügen Konzerne über so viel Geld, dass sie selbst kaum noch wissen, was dafür zu kaufen.

Was aber nun mit den Schuldscheinen? Sollte sich die Veränderung einstellen, werden die Ende 2015, Anfang 2016 Angela Merkel vorgelegt. D.h. Deutschland als Staat wird aufgefordert sein, die Schulden, für die deutsche Waren gekauft wurden, abzudecken.

Mit anderen Worten: Deutsche Arbeitnehmer haben unter ihrem Wert gearbeitet, und müssen nun die Schulden für die Waren, für die sie nicht ausreichend bezahlt wurden, auch noch über Steuern und sinkende Staatsleistungen, abdecken.

Erst wenn dies in Deutschland bewusst wird, entsteht auch hier eine Bewegung, ähnlich wie in den oben genannten Ländern. Erst dann wird Michel begreifen, für wen in den letzten Jahrzehnten Politik betrieben wurde. Was zu einschneidenden Prozessen führen könnte.

WENN EU WEIMAR IST, WELCHE ROLLE SPIELT USA?

Nun gibt es aber einen großen Player in Europa, der eine viel größere Rolle spielt, als noch zur Zeit der Weimarer Republik. Die USA. Die USA haben große wirtschaftliche Interessen und hunderte von wichtigen Militärbasen in Deutschland, ohne die der permanente Krieg, den sie gegen große Teile der Welt führen, nicht in dieser Form möglich wäre. Sowohl Militärbasen, als auch Interessen der großen US-Banken und Konzerne, sind aber in Gefahr, sollte es zu den beschriebenen Umwälzungen kommen.

In meinen Augen hat das Gegensteuern längst begonnen. Die Forcierung von TTIP, das die „Westliche Welt“ zusammenschweißen soll gegen die aufstrebenden Schwellenländer, insbesondere China und Brasilien, aber natürlich auch gegen die Industriemacht Russland, hat auch den Hintergedanken, die EU durch Verträge noch stärker unter Druck setzen zu können, sollte es zu solchen politischen Veränderungen innerhalb der EU, wie oben beschrieben, kommen.

Aber auch der Brandherd Ukraine hat m.E. mit dieser politischen Entwicklung in Europa zu tun. Nicht entscheidend, aber als Unterstützung der Jahrzehnte andauernden Bestrebungen, nach der Entmachtung von Boris Jelzin, endlich wieder Zugriff auf die riesigen russischen Bodenschätze zu kommen. Die Ukraine wurde in eine Situation manövriert, in der jederzeit bei Bedarf ein heißer Krieg entzündet werden kann. Ein solcher Krieg könnte wieder einer der berühmten „Game-Changer“ werden.

Warum er noch nicht startete, liegt meiner Meinung in der Unsicherheit, ob er nicht auch ein Katalysator für die oben genannte Entwicklung werden könnte. Die Funktion eines Krieges, d.h. das Erzeugen von Patriotismus und Zusammengehörigkeit, ist in Europa auf Grund der Entwicklungen fraglich geworden.

Zu deutlich steht die nackte imperialistische Vergangenheit, die Verbrechen, und das Ergebnis von über 13 Jahren Krieg der USA, und der NATO, auf der Anklagebank der Welt. Und durch das immer löchriger werdende Meinungsmonopol über die elitären Medien, sind mindestens 10-15% der Menschen auch innerhalb Europas, bereits aufgeklärt genug, einen Krieg in der Ukraine zu durchschauen. Ein solcher Krieg wäre also ein unkalkulierbares Risiko.

Trotzdem. Die USA gleicht einem gefährlichen, in die Enge getriebenen Tier. Es kann jederzeit zum Angriff übergehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

LinksPazi

Unter dem Pseudonym Linkspazi bloggt Jochen Mitschka. Links, engagiert und gegen Heuchelei und Krieg. Statt Mainstream wiederholen, ihm antworten.

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