Mit ihren fantasievoll exzentrischen Bildergeschichten sind Katz & Goldt längst der WG-Toilette entwachsen – dem klassischen Hängungsort für witzige Cartoons also, die mal irgendwer aus einer Zeitschrift ausgerissen hat. Katz & Goldt und ihre possierliche Figürchenwelt haben sich über Zeitschriftenbeiträge, Comicbände, T-Shirts und vor allem auch über ihre Langlebigkeit ins kollektive Humorzentrum eingeschrieben.
Doch spricht man von dem Duo, hat man eigentlich nur den Autor Max Goldt vor Augen. Zum 20-jährigen Jubiläum ihrer ersten gemeinsamen Veröffentlichung, Wenn Adoptierte den Tod ins Haus bringen, sei sich daher nun endlich einmal Stephan Katz gewidmet, dem bärtigen Zeichner an Goldts Seite. In der Kantine des Berliner Ensembles traf der Freitag ihn für ein Interview.
der Freitag: Herr Katz, wie ging es bei Ihnen mit dem Zeichnen los?
Stephan Katz: Ach, wie geht so was schon los ... Fragen Sie was anderes.
Okay, in den 1990ern war eine Ihrer ersten Stationen das Satire-Fanzine „Luke und Trooke“. Dort fanden sich neben Ihnen bereits einige Autoren, die später dann bei der „Titanic“ landen würden ...
Ja, es gab zu der Zeit allgemein eine große Fanzine-Szene, in der ich auch selbst aktiv wurde. Ich habe dabei viel gesucht und ausprobiert. Bei der Suche bin ich auf die Texte von Max Goldt gestoßen, das fand ich interessant – und habe dazu was gezeichnet.
Zu ganzen Texten?
Nein, ich habe mir einen Absatz genommen, der mir besonders geeignet erschien und habe einen Comic daraus gestaltet. Das habe ich dann in die Post gelegt und Max Goldt geschickt.
Welche Reaktion kam?
Er hat wohlwollend geantwortet: „Machen Sie mal ruhig weiter, habe ich nix gegen.“ Das war 1995. Daraus ergab sich eine Korrespondenz, wir haben uns Sachen hin- und hergeschickt, er lebte in Hamburg, ich damals noch in Bielefeld. Ein Jahr später haben wir uns persönlich kennengelernt.
Die Vorstellung, die man von Max Goldt durch seine Texte bekommt, ist das Gegenteil des Kumpel-Künstlers. Man kann von seiner nicht nur gütigen Strenge eingeschüchtert sein. Haben Sie das auch so erlebt?
Nein, das Kennenlernen war geprägt von lockerem Geplauder und Sympathie. Wir haben uns besucht, uns Hamburg angeguckt und später dasselbe dann in Berlin getan. Ich habe das alles angenehm in Erinnerung – und dieses Verhältnis hat sich kaum verändert über die Zeit. Wir treffen uns, gehen spazieren, reisen, unterhalten uns – die Ideen für die Zeichnungen fallen ganz nebenbei ab. Unsere Zusammenarbeit basiert letztlich auf Freundschaft – ohne die würde das alles gar nicht funktionieren.
Zur Person
Stephan Katz wurde 1970 in Bielefeld geboren. Mit dem Autor Max Goldt bildet er das Künstlerduo Katz & Goldt. Seit 1997 entstehen aus dieser Zusammenarbeit zahlreiche Comicbücher, der aktuelle Band trägt den Titel Lust auf etwas Perkussion, mein kleiner Wuschel? (Edition Moderne). Darüber hinaus erschienen von ihnen Bildergeschichten unter anderem in Titanic, der Zeit und Intro. Stephan Katz lebt in Berlin
Aus Ihrer ersten Begegnung resultierte dann recht schnell der erste Comicband.
Ja, ich hatte noch von Bielefeld aus erste Zeichnungen an die Berliner Stadtzeitung Zitty geschickt – die druckten sie auch ab. So kam es, dass der Verleger des Berliner Comicverlags Jochen Enterprises Interesse äußerte, mit uns ein Heft zu machen. Dem kamen wir nach. So entstand dann 1997 die erste Katz & Goldt-Veröffentlichung Wenn Adoptierte den Tod ins Haus bringen.
Trat damit das Format des Comic-Albums für Sie ins Zentrum?
Nein, wichtiger waren für mich eher Stadtmagazine. Die habe ich damals systematisch angeschrieben – ich wollte, dass wir gedruckt werden. Das machte sich zu der Zeit noch leichter aus. Wir hatten vier, fünf Ausspielplätze parallel. Damit habe ich das erste Geld verdient. Es gab einfach schlicht mehr Magazine – heute wüsste ich gar nicht mehr, wem ich unsere Zeichnungen anbieten sollte.
Konnten Sie da schon vom Zeichnen leben?
Als ich 1997 nach Berlin gezogen bin, habe ich von der Zeichnerei gelebt – wenn auch sehr knapp. In Bielefeld hatte ich noch Studentenjobs, aber in Berlin habe ich es drauf ankommen lassen und mir lieber noch mal ein paar Zeitungen mehr gesucht. Darunter war damals schon die Titanic. Doch wenn dort mal eine Seite nicht abgedruckt wurde, dann fehlte plötzlich die Hälfte zur Miete.
Das kennen viele freie Künstler ja heute noch.
Natürlich. Trotzdem hat sich vieles geändert. Denn der Printmarkt existiert nicht mehr in der Form, es war damals recht einfach, etwas unterzubringen.
Online ist es heute sicher schwieriger, jemanden zu finden, der für Illustrationen zahlen kann und will.
Problematisch scheint mir eher das Verständnis für Sachen, wie wir sie machen. Immer wieder wird man gefragt, ob man nicht Auftragsarbeiten machen könne oder zu einem bestimmten Thema was hätte – und das wollten wir von Anfang an nicht machen. Nichtsdestotrotz wird es bis heute an uns herangetragen.
Ist da denn wirklich alles uninteressant für Sie?
In den ersten Jahren habe ich so was gelegentlich schon angenommen – Illustrationen für Gastro-Beiträge oder mal ein Magazin-Cover gestaltet oder Ähnliches. Befriedigend war das nicht. Bei Anfragen an Katz & Goldt gingen die Meinungen anfänglich auseinander, wenn ich sagte: „Duokollege, die wollen, dass wir denen zwei Seiten zum Thema XY gestalten“, antwortete Goldt: „Nee, machen wir nicht. Wir sind doch keine Journalisten!“ Da vertraute ich seinem Instinkt und auf lange Sicht habe ich von dieser Haltung profitiert. Die Freiheit und Freude an der Arbeit rührt auch daher.
Aber man benötigt natürlich erst mal die Attraktion, dass man sich so was leisten kann. Viele Künstler müssen annehmen, was da ist. Welche Rolle spielt in dem Zusammenhang Rumpfkluft, also die sehr umfangreiche T-Shirt-Kollektion von Katz & Goldt?
Damit verdiene ich mein Geld. Außerdem ist das Entwerfen der Shirt-Motive eine schöne Abwechslung zur Arbeit an den Comics. Ich gestalte die Motive – aber produziert und verschickt wird das von anderen, sehr angenehm.
Wie kann man sich Ihre gemeinsame Arbeitsweise vorstellen?
Wir haben immer ein Notizbuch dabei und wenn was aufflackert im Gespräch, wird es skizziert. Sollte es dann noch dem Blick des nächsten Tages standhalten, bekommt es seine Chance. Die monatlichen Titanic-Doppelseiter sind geskriptet, das heißt, Goldt entwirft ein Setting mit Dialogen und Regieanweisungen, das wir dann diskutieren. Meinen Zeichnungen lassen die Szenarien dabei immer Spielraum – und bei diesen Szenarien ist mitunter einiges dabei, gegen das ich mich unter anderen Umständen aus Faulheitsgründen sicher gesträubt hätte. Zum Beispiel Züge oder Flugzeuge von innen zeichnen – herrlich! Das ist bisweilen knifflig, aber wenn’s dann fertig ist, freut man sich.
Katz & Goldt-Comics besitzen auch einen naiv anmutenden Charme, selbst die schlimmsten Figuren möchte man eigentlich streicheln. Hinter dieser Leichtigkeit geht gern unter, dass sich gerade solche Zeichnungen nicht einfach aus dem Ärmel schütteln lassen, oder?
So unverkrampft die Idee entsteht, so groß ist die Arbeit danach. Wir legen viel Wert auf die Details. So braucht es etliche Durchgänge, bis wir wirklich zufrieden sind.
Wie detailreich muss man sich das vorstellen?
Da geht’s darum, dass zum Beispiel bestimmte Frisuren nicht stimmig sind. Oder es heißt: „Solche Gläser würden da nicht stehen“, oder: „Lern doch mal endlich Perspektive zu zeichnen!“ In der Nacharbeit feilen wir auch an den Texten – damit zum Schluss eben alles stimmt. Das dauert!
In so einer Konstellation ist man zwangsläufig immer auch das Korrektiv für den anderen. Stößt man da nicht auf Ego-Probleme?
Ich muss sagen, dass ich mit der Kritik, die von Max kommt, zumeist sehr einverstanden bin. Andersrum auch. Das ist sehr bereichernd und die Arbeiten gewinnen stets dadurch. Wir versuchen eher gemeinsam unser Korrektiv zu sein, lesen uns in verteilten Rollen die fertigen Blätter vor und daraufhin wird oft noch mal was geändert.
Bei Katz & Goldt ist vor allem auch die Laufzeit ihrer Zusammenarbeit bemerkenswert. Der erste Comicband ist jetzt 20 Jahre her.
Da braucht man schon starke Nerven. Im Ernst: Wir sehen uns in der Regel einmal in der Woche und dazwischen macht jeder seinen Kram. Zu der Nähe kommt in unserem Fall auch eine gesunde Distanz und so geht’s halt immer fröhlich weiter. All das geschieht sehr zwanglos.
Kann man sich aber wirklich so frei fühlen, wenn man regelmäßig in diversen Magazinen veröffentlicht?
Machen wir ja gar nicht mehr so zahlreich. Ich hätte nichts dagegen, eine weitere regelmäßige Comicseite in einem schicken Monatsmagazin zu veröffentlichen, aber ich wüsste wie gesagt nicht wo. Ein wöchentlicher oder gar noch öfter erscheinender Strip widerspricht hingegen unserer Arbeitsweise, Ideen auch mal liegen und reifen zu lassen. Das herauszufinden war mal ansatzweise am Ende von unserem wöchentlichen Beitrag für die Zeit ein Thema. Das lief drei, vier Jahre – und war irgendwann nicht mehr gut. Als es auslief, war ich tatsächlich froh.
Katz & Goldt ist sehr formattreu. Gibt es Pläne, Ihre gemeinsamen Sachen mal anders aufzuziehen? Wie wäre es denn zum Beispiel mit der großen Graphic Novel?
Auf keinen Fall! Zwei vierseitige Geschichten haben wir mal gemacht, das hat aber nicht so gut funktioniert. Die ein- bis zweiseitige Form ist ideal für uns. Die wird einfach immer weiter verfeinert.
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