Demokratie abgewählt.

Thüringen Die Diskussionen nach der Wahl Kemmerichs zum thüringer Ministerpräsidenten zeigen wie sorglos zu viele mit unserer Demokratie umgehen

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Während die Empörung über den Wahlausgang im Erfurter Landtag sehr groß gewesen ist, meldeten sich in den Diskussionen zumindest in denen, die ich führte auch jene zu Wort, die darauf hinweisen, dass das Ergebnis einer demokratischen Wahl anzuerkennen ist. Dieser Hinweis ist berechtigt und auch erstmal völlig korrekt. Das Ergebnis einer demokratischen Wahl muss auch – und vor allem - von Verlierer akzeptiert werden.

Doch um den Inhalt dieser These etwas tiefer zu erfassen sollte eine wichtige Frage betrachtet werden: Ist die Wahl einer Person, einer Partei oder einer anderen Form einer Option, die droht dem Erhalt unserer demokratischen Grundsätze zuwiderzulaufen, wirklich eine demokratische Entscheidung? Diese Fragestellung soll auf Basis einer These erörtert werden, die gesellschaftlich als ein Grundprinzip akzeptiert ist: Eine Diktatur, bzw. ein Faschismus wie wir es im letzten Jahrhundert erlebt haben, darf es nie wieder geben.

Antidemokraten im Parlament

Dass der Faschismus nicht mit der Demokratie vereinbar ist, dürfte für so ziemlich jeden Menschen klar sein. Dass die Demokratie, als ein Konzept, welches die Mehrheit der Bevölkerung vertreten und möglichst alle Menschen gleichermaßen respektieren soll, das bestmögliche, uns bekannte, Gesellschaftsmodell ist, sollte auch allgemein anerkannt sein. Daraus ergibt sich direkt die Unvereinbarkeit von Faschismus und Demokratie (eine Sachlage, die sicherlich jedem vernünftigem Menschen schon längst bekannt ist).

Faschisten in ein Parlament zu wählen - und Teile der AfD, namentlich Bernd Höcke, dürfen als solche betitelt werden- bedeutet demnach unweigerlich, für die die Abschaffung der Demokratie zu stimmen, die die Stimmenabgabe erst ermöglicht. Faktisch nutzen die Antidemokraten die Demokratie, um sie zu zerstören. Unsere Gesellschaft muss dem immer etwas entgegensetzten. Zu akzeptieren, dass Antidemokraten, demokratisch gewählt wurden, wie es die obige These verlangt, bedeutet demnach im schlimmsten aller Fälle das Ende der Demokratie, der Freiheit und Selbstbestimmung zu akzeptieren. Doch dies widerspricht dem Versprechen an die Geschichte, die Menschenrechte zu verteidigen - und nichts anderes bedeutet die Ablehnung einer Diktatur.

Wählen und wählen lassen

„Doch die FDP und CDU haben die Faschisten ja nicht gewählt, mögen einige behaupten. Doch Fakt ist, dass zumindest die FDP sich von ihnen hat wählen lassen (trotz geheimer Wahl lässt sich das in 2 Minuten nachrechnen). Dies ist allerdings keineswegs weniger schlimm. Denn es gilt: Wer die Stimmen der Faschisten benötigt, um in ein Amt gewählt zu werden, benötigt diese auch um Mehrheiten für alles andere zu finden. Damit machen sich die angeblich liberalen und konservativen Politiker von der AfD abhängig. Auch ohne einen Ministerposten, würde die AfD einen immensen Einfluss auf eine Regierung Kemmerich (zu der es durch seinen Rücktritt, zwar eher nicht kommt) ausüben. Denn diese Regierung bräuchte eine Mehrheit und diese hat sie nur mit den Stimmen der AfD, zumal die R2G-Parteien einen MP von Gnaden der AfD niemals unterstützen werden. Dass hier plötzlich eine Partei, die nur mit 5,01% geradeso im Landtag vertreten ist, den MP stellen sollte, sei dabei nur am Rande erwähnt

Diese Wahl war sicher durchkalkuliert. Im ZDF-Interview räumt Kemmerich ein, mindestens etwas von diesem Ausgang geahnt zu haben. Unter diesen Umständen die Wahl anzunehmen zeigt dieses Kalkül überdeutlich. Zudem lehnte er zu Anfang einen Rücktritt ab und musste von Parteikollegen überzeugt werden. Wer kalkuliert von den Stimmen der AfD Gebrauch macht, paktiert mit Faschisten. Wer mit Faschisten paktiert, bietet ihnen eine Bühne für ihre Propaganda und die nötige Macht um die Demokratie zu attackieren. Wer Faschisten Reichweite und Machtinstrumente gewährt, macht sich im Worst-Case-Szenario (einer absoluten Machtübernahme) eindeutig mitschuldig.

Klar sollte sein: Solange die bürgerlichen diese schwache Haltung beibehalten, brauchen wir eine stabile antifaschistische, soziale und demokratische alternative von links. Dies ist nicht nur ein Angebot, dass den Wählern gemacht werden muss. Es ist ein Auftrag an alle Menschen Toleranz und Freiheit gegen autoritäre Ideologien zu verteidigen. Denn die Demokratie wurde erkämpft und wir sollten sie nicht einfach so den Autokraten überlassen, sondern sorgsam damit umgehen.

Abschließend gilt: Der Ausgang einer demokratischen Wahl muss immer akzeptiert werden. Dennoch ist eine Partei, die gewählt wurde, nicht zwingend eine demokratische Partei. Das Erstarken faschistischer Strukturen gehört ausnahmslos bekämpft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lion Rudi

politisch aktiv mit vielen Ideen (die wenigsten zu Papier gebracht; die allerwenigsten umgesetzt)

Lion Rudi

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