Ist das die Resignation?

Corona-Politik Die neuen Corona-Beschlüsse sind da und es bleibt die Frage wie es weiter gehen soll. Ein paar persönliche Gedanken.

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Eigentlich sollte hier jetzt eine Analyse der aktuellen Krisenpolitik stehen. Doch die Probleme scheinen offensichtlich, weshalb sich jede tiefgründige Analyse erübrigt. Aus diesem Grund hier einige Gedanken zur aktuellen Situation.

Die neuen Beschlüsse sind da und die Richtung, in die es geht, ist klarer denn je. Öffnen und Lockern. Dabei liegt die Inzidenz nicht einmal Ansatzweise bundesweit unter 50. In einigen Regionen liegt sie teilweise über 100. Dabei hatte Kanzlerin Merkel in zahlreichen Pressekonferenzen erklärt, dass ab einer Inzidenz von 50 Infizierten je 100.000 Einwohnen die Kontaktverfolgung kaum mehr möglich ist.

Doch jetzt werden die Warnstufen, egal ob die 35 oder die 50, einfach über Bord geworfen. Begründet wird dies mit der Pandemiemüdigkeit der Bevölkerung und der weiter schwächelnden Wirtschaft. Doch genau das frustriert mich und viele andere. Denn auch wenn uns die Isolation einfach nur nervt, sind viele Menschen gegen Lockerungen. Laut dem letzten Polit-Barometer des ZDF sind 41% gegen Lockerungen, 21% dafür und 35% sind dafür unter der Voraussetzung, dass die Zahlen nicht stark ansteigen. Trotz der Tatsache, dass die Infektionszahlen in den letzten Tagen/Wochen stagnierten und mittlerweile sogar steigen, titelt das ZDF:"Mehrheit für Lockerungen". Aufgrund der Lage ist wohl eher anzunehmen, dass sich eine Mehrheit gegen Lockerungen ausspricht. Nicht umsonst trendete gestern #76ProzentGegenLockerungen auf Twitter.

Auch in zahlreichen Gesprächen über Zoom, Webex und co., die ich mit Kommiliton*innen, Genoss*innen und Freund*innen führe, bestätigt sich diese Stimmung: lieber bis Ostern einen harten Shutdown aushalten, als nach 2 Wochen Öffnung wieder schließen zu müssen. Sogar stimmen, die warten wollen bis wir alle geimpft sind, habe ich schon gehört.

Es sterben schließlich Menschen.

Doch genau dies scheint der Politik egal zu sein. Besser gesagt es scheint der Wirtschaft egal zu sein. Wie unter einer Lupe zeigt diese Pandemie die Macht der Wirtschaftslobby auf. Es sind nämlich gerade diejenigen ohne starke Lobby im Bundestag, die am meisten leiden. Gesundheitspersonal, Kinder, Jugendliche, die kleinen Leute eben.

Es scheint mir die Resignation vor der Pandemie zu sein. Doch es ist wahrscheinlich eher die Resignation vor verschiedenen Lobbyinteressen. Vor den falschen Lobbyinteressen, wenn ihr mich fragt.

Die Wirtschaft lässt sich mit Geld reparieren. Auch wenn wir die Schulden über Jahrzehnte zahlen werden, können wir jetzt Leben retten und uns um das psychische Wohlbefinden der Menschen kümmern. Dies kann auch bedeuten jetzt einen starken Wirtschaftsshutdown einzuleiten und dafür in Kürze einzelne Freizeitbereiche mit geringem Infektionsrisiko zu öffnen. Die Initiative ZeroCovid hat dies bereits vorgeschlagen.

Wenn ihr mich fragt, wird es endlich Zeit der Wirtschaftslobby in den Hintern zu treten. Diese Krise hat erneut bewiesen, dass der Markt nichts regelt. Die Pannen bei der Beschaffung von Masken, Impfstoff und Schnelltests zeigen dies am eindrucksvollsten. Auch in der Frage der Impfstoffpatente handelte die Regierung bisher zugunsten der Konzerninteressen. Anstatt die Patente freizugeben, schützt Jens Spahn anscheinend lieber die Profite der Pharmaindustrie. Denn Irrsinn der ganzen Situation zeigte wohl niemand besser als die Anstalt. Nur so als Hinweis. Wir haben Impfstoffe. Deshalb wäre es jetzt irrsinnig, die Bevölkerung zu durchseuchen.

Es wird Zeit umzusteuern. Leben und Gesundheit der Menschen sollten wichtiger sein, als das Bruttoinlandsprodukt. Egal ob in der Krisen-, Klima, Wirtschafts-, Bildungs- oder Sozialpolitik. So kann es nicht weitergehen. Jedenfalls sehe ich das so.

Zum Schluss noch einige Worte zur Frage wie wir diesen Systemwechsel erreichen können.

Ehrlich gesagt weiß ich es selbst nicht genau aber es wird Zeit sich mehr Gedanken, um Basisdemokratie zu machen. Wenn wir eine konstruktive Debatte über unsere zukünftige Gesellschaft wollen, muss diese geprägt sein von Inklusion und direkter Demokratie. In letzter Zeit waren wir viel damit beschäftigt, die Debatten von der MPK wieder in die Parlamente zu lenken. In Zukunft müssen wir die Debatten in der ganzen Gesellschaft führen. Bürgerräte und Volksentscheide sollten der erste Schritt zum Systemwechsel sein. Nur so wird die Zukunft auch gerecht.

Vor fast einem Jahr habe ich bereits aufgezeigt, dass wir uns mitten in einem gesellschaftlichen Experiment befinden. Seit dem habe ich das Gefühl nur auf der stelle zu treten. Ich bin dankbar für jeden Vorschlag für den Weg nach vorne.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lion Rudi

politisch aktiv mit vielen Ideen (die wenigsten zu Papier gebracht; die allerwenigsten umgesetzt)

Lion Rudi

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