Workshopleiterin Anita Fuchs und sechs Kinder unterschiedlicher Hautfarbe hocken an diesem Samstagnachmittag im Schneidersitz auf einem Teppich. Die Werkstatt, an der sie teilnehmen, soll sie spielerisch an die Kunst des Islams heranführen. Erst haben sie die Kunstsammlung im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum in Berlin-Mitte angeschaut. Nun sollen sie Grußkarten mit orientalischen Mustern oder Blumen bemalen.
Die Veranstaltung richte sich an Deutsche und Migranten, sie soll Berührungsängste abbauen, sagt Karin Schmidl von den Besucher-Diensten der Staatlichen Museen zu Berlin. „Die Migranten sollen das Museum als ein Stück Heimat erfahren.“
Anita Fuchs, eigentlich Ausstatterin für Bühnen und Filmsets, hat ein Buch vor sich aufgeklappt und fährt langsam mit dem Finger über die Weltkarte, in Richtung Iran. „Das hier ist Deutschland“, sagt die 36-Jährige. „Das ist sehr klein. Wir reisen jetzt in den Orient. Diesen Teil der Erde nennt man auch Morgenland, weil im Osten die Sonne aufgeht. Wir leben im Westen, im Abendland.“ Sie verteilt Buntstifte, Karten und Vorlagen mit orientalischen Mustern zum Aus- oder Abmalen. „Ihr könnt frei zeichnen oder Schablonen benutzen. Sucht euch was aus.“
Weltoffen aufwachsen
Die Kinder fangen an, die Karten mit Motiven wie Blumen oder Vögeln zu bemalen. „Möchtest du einen Stern machen?“, fragt Anita Fuchs einen Jungen, dessen Eltern aus dem Libanon stammen. Mahdi nickt schüchtern. „Keine Scheu, es muss nicht super werden.“ Die neunjährige Francesca malt ein Blumenmuster nach einer Vorlage ab. Warum ist sie hier? „Weil ich so gerne male. Ich mag die Muster, die warmen Farbtöne. Ich liebe es!“ Der nächste Satz klingt so, als stamme er von ihrer Mutter: „Das hier ist genau das richtige für mich.“
Die Grußkarte, die sie bastele, sei für ihre Freundin. „Sie hat bald Geburtstag. Wir hatten noch kein Geschenk.“ Ihre Mutter habe auf der Homepage des Museums von dem Workshop gelesen und sie hingeschickt. „Sie fand, es wäre gut, wenn ich da mal mitmache.“ Ihre Familie sei auf drei verschiedene Länder verstreut, sagt Francescas Mutter, die gerade aus der Ausstellung kommt und ihrer Tochter kurz beim Basteln zuschaut. „Ich bin weltoffen, Francesca soll auch so aufwachsen. Der Kurs passte in den Zeitplan, also warum nicht?“
Hat Francesca schon etwas über den Islam gelernt? „Ich interessiere mich nicht für den Islam, nur für den Orient.“ Schon wieder klingt sie etwas altklug, für eine Neunjährige. Wer Grußkarten malt, so scheint es, lernt noch lange nichts über Religion. Die anderen Kinder plaudern dann mehr über neu angeschaffte iPhones und die schärfsten Schummelmethoden im Unterricht. Je gelöster die Stimmung, desto mehr entfernt man sich hier vom Thema „Islam“.
Eine 20-Jährige, Francis, hat gerade die Ausstellung im Museum für Islamische Kunst besucht und gesellt sich spontan zur Bastelrunde hinzu. Sie darf ausnahmsweise mitmachen. Der Kurs war ursprünglich für 12 Teilnehmer ausgerichtet, gekommen sind nur halb so viele.
Francis macht gerade eine Ausbildung zur Denkmaltechnischen Assistentin. Sie ist in Neukölln zur Schule gegangen. Dort habe sie mehr über den Islam erfahren als in dieser Ausstellung, sagt sie.
Gruß an Opa zum Ramadan
Es sind vor allem die Eltern, die Wert darauf legen, dass ihre Kinder sich früh bilden und lernen, wie Toleranz geht. Die Mutter des zehnjährigen Emile hat ihrem Sohn ein Programm zusammengestellt, aus dem er sich ein Angebot aussuchen konnte. Ein Trick, der bei ihm funktioniert hat: Emile macht begeistert mit. Er hat sich für seine Grußkarte von den metergroßen, an Blumenmuster erinnernde Reliefs der jordanischen Wüstenresidenz von Mschatta inspirieren lassen.
„Die Muster sehen alle gleich aus.“ Er malt sie nach. Der Islam ist ihm jedoch auch nach der Veranstaltung noch fremd. „Du hast aber türkische Freunde“, sagt seine Mutter sofort. Fragt man den achtjährigen Mahdi, den libanesischen Jungen, sagt er mit fester Stimme: „Ich wollte hier mitmachen.“ Seine Augen leuchten. Sein Bruder Noah malt die Umrisse eines Ornaments in bunten Farben aus. „Mein Opa wohnt in Neukölln. Er soll eine Grußkarte zu Ramadan bekommen.“ Die andere Karte will er selbst behalten, weil er sie so schön findet.
Die Workshopleiterin leidet unter dem begrenzten Zeitplan. Für den Kurs seien leider nur anderthalb Stunden eingeplant, und das findet sie „traurig“. Sie hätte sich gewünscht, dass die Kinder „sich noch mehr lösen und in die Kunst des Islams eintauchen können“.
Als die Veranstaltung vorbei ist, man an der Spree entlang schlendert, bekommt man plötzlich Lust, noch einmal ins Museum zurückzukehren, um sich die Ausstellung in Ruhe anzusehen. Wenn das Grußkartenmalen auch unterschwellige Werbung dafür war, hat sie funktioniert.
Einseitig medial inszeniert
Die Kunstsammlung im Museum für Islamische Kunst ist atemberaubend schön: Riesige Wandteppiche mit aufwendigen Mustern hängen in hohen Museumshallen, bemalte Gefäßkeramiken, in goldene Blattmustern eingerahmte, kunstvoll verzierte Buchrücken aus der Moghulzeit, auf denen Elefanten, Fürsten und Liebespaare abgebildet sind – die Kunstwerke stammen aus einem Gebiet, das von Spanien bis nach Indien reicht, es ist die Kunst der islamischen Völker vom 8. bis ins 19. Jahrhundert.
Man vergisst an diesem Ort, dass es in den vergangenen Jahren überwiegend hässliche Bilder waren, die sich mit dieser Religion verbinden, medial inszeniert, oft einseitig. Bilder, die so gar nicht zu den von den Kindern bemalten Grußkarten passen. Womöglich können Francesca, Emile, Mahdi und die anderen Kinder schon jetzt und später als Erwachsene beitragen, dass unser Bild vom Islam etwas differenzierter und ein schöneres wird.
Kommentare 4
Aha, der Stern ist also ein Motiv islamischer Kunst.
Ich muss mir keine Sorgen machen, daß an einem Tag gleich zwei unreflektierte, verherrlichende Artikel der Freitag-Redaktion über islamische/islamistische Kunst erscheinen, oder?
Ich finde das ziemlich übel, wie hier Kinder über ihren Spiel- und Maltrieb an eine - alles andere als harmlose - Ideologie herangeführt werden. Man stelle sich nur mal vor, diese Kinder würden in einem DDR-Museum zum Malen von Hammer & Sichel animiert, oder im "Museum zum Dritten Reich" zum Malen von Hakenkreuzen.
Ich kann Ihnen nur beipflichten, Herr Kommer. Diese Kunst ist berauschend schön und Berlin hat beste Voraussetzungen sie auch erleben zu können. Gegenwartskunst der islamischen Welt und mehr, bieten regelmäßig die ifa-Galerie. - Ob die ein kunstpädagogisches Begleitprogramm haben, weiß ich nicht.
Noch ein Tipp für Reisende in Sachen islamischer Kunst. Wer einen Überblick über die ganz besonders zahlreichen Sammlungen, Institute und Vorzeigeplätze in Deutschland erlangen möchte, der suche in Joachim Gierlichs und Annette Hagedorns (Hg.), "Islamische Kunst in Deutschland", Mainz (Zabern) 2004.
In kurzen Artikeln werden Museen und Forschungsstellen mit Schausammlungen vorgestellt und auch die besondere Geschichte der deutschen Islam- und Orientwissenschaften knapp erklärt.
Vom Museum für Lackkunst in Münster, über Annemarie Schimmels Stuttgarter Privatsammlung, das Ledermuseum in Offenbach, bis zur "Türkenbeute" in Karlsruhe und zu den großen ethnologischen und orientalischen Sammlungen, in Berlin, Frankfurt, München, reicht der Überblick.
Sehr lesenwert und ungemein hilfreich, will sich jemand auf Entdeckungsreise begeben, ohne gleich Entdecker oder Fernreisender werden zu müssen.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Apropos "differenzierteres und schöneres Bild vom Islam" und "Kinder an die Kunst des Islams heranführen: Gestern gab es zu dem Thema noch ein SPON-Artikel:
Salafisten-Aussteiger warnen vor Islam:
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/salafisten-aussteiger-warnen-vor-islam-a-841711.html
Das Äquivalent wäre wohl eher die Heranführung an die Quadratmeter-Ölschinken-Malerei der jeweiligen Ausprägungen des Realismus. In anderthalb Stunden und mit Kindern kaum zu bewerkstelligen, als Grußkarte auch denkbar ungeeignet.
Womöglich haben Sie nicht ganz verstanden, worin die Besonderheit islamischer Kunst besteht: durch das weitgehend eingehaltene Bildverbot geht es um Vervollkommnung von Ornament und Schrift, beim Gesamtkunstwerk islamischer Architekturen um Darstellung des Paradies.
Das erklärt Ihnen ein ambitionierter englischer Kunsthistoriker in Paradise Found.
Hat es besondere Gründe, daß Sie Ihren Akzent so auf Extremisten legen? Die Extremisten wird das bestimmt sehr freuen, die sind nämlich wie Sie der Meinung, DerIslam habe so zu sein, wie sie sich das vorstellen. Bezogen auf Kunst soeben in Timbuktu und 2001 in Bamiyan verdeutlicht - Sie haben welche Motivation, für Gewalt, Intoleranz und Zerstörung von Weltkulturerbe zu werben?
.
.
.
Mir wird nicht ganz klar, was der Artikel eigentlich möchte - ist das jetzt Kritik an überambitionierten Müttern, an schlecht geplanter (doch werbewirksamer) Museumspädagogik, an Extremisten oder der Wunsch nach kunstgeschichtlicher Bildung? Oder alles zusammen? Getaggt mit gesellschaftskritik islamische kunst pergamonmuseum kinderprogramm, einsortiert unter Alltag, vermutlich also Oder alles zusammen.