Nicht für die Ewigkeit

Konsum Viele Produkte werden so konstruiert, dass sie schnell kaputtgehen – nun protestieren enttäuschte Kunden

Einen Monat nach Ablauf der Garantie gab seine Philips-Senseo-Kaffeemaschine den Geist auf. Armin Däuwel ärgerte sich, holte seine alte Kaffeemaschine aus dem Schrank und trank seinen Latte Macchiato nun beim Italiener.

Für Däuwel war der Fall klar: Seine Pad-Kaffeemaschine wurde absichtlich so konstruiert, dass sie nach einer gewissen Zeit kaputtgehen musste. Er hatte bei Stern TV gesehen, dass so etwas öfter vorkommt.

Däuwel hörte dann von einem Blog, auf dem er seinem Ärger Luft machen konnte. Auf murks-nein-danke.de berichtete er über seine Erfahrung. Sechs weitere Kunden meldeten sich, die Ähnliches erlebt hatten. Womöglich hat seine Kaffeemaschine aus einem ganz anderen Grund den Geist aufgegeben. Aber der Verdacht, dass der Hersteller das Verfallsdatum bewusst eingebaut hat, blieb haften.

Edigna Menhard von der Zeitschrift Öko-Test bestätigt, dass das Problem nicht selten ist. „Wer etwa einen Mixer so konstruiert, dass Plastik- in Metallzahnräder greifen, kann davon ausgehen, dass der Mixer bald kaputtgeht“, sagt Menhard. Dass die Plastikzahnräder schnell ausfransen, wenn sie auf solche aus Metall treffen, sei ein Naturgesetz. „Wenn man die Plastikzahnräder durch metallene ersetzen würde, hätte man einen Mixer, der in der Produktion nur etwa einen Euro teurer wäre, dafür aber wesentlich länger halten würde.“

Mit Glühbirnen fing es an

Bei Tintenstrahldruckern ist bekannt, dass viele Modelle einen elektronischen „Tropfenzähler“ eingebaut haben. So stellt der Drucker nach einer voreingestellten Anzahl von Ausdrucken automatisch den Dienst ein. Auch Energiesparlampen könnten viel länger halten, meint Christian Kreiß, Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Aalen: „Rund 6.000 bis 8.000 Stunden. Trotzdem gehen sie oft schon nach weniger als 3.100 Stunden kaputt.“ Dass sie, wie vom Hersteller behauptet, sechs bis acht Mal solange halten wie herkömmliche Glühbirnen, sei zwar richtig, basiere aber auf einer irreführenden Grundannahme. Denn herkömmliche Glühbirnen leuchten nur 1.000 Stunden lang, könnten aber rund 2.500 Stunden leuchten, die Lebensdauer der Glühlampe wurde vom Hersteller bewusst reduziert. In der Fachwelt ist diese Strategie unter dem Namen „geplante Obsoleszenz“ bekannt.

Schon in den zwanziger Jahren einigten sich die führenden Hersteller von Glühbirnen darauf, die Lebensdauer der Glühfäden in ihren Birnen zu verkürzen, um den Absatz künstlich hoch zu treiben. Osram, Philips, General Electric, Tungsram und weitere Firmen schlossen sich 1924 in Genf zum sogenannten Phoebuskartell zusammen und ersannen die „geplante Obsoleszenz“. Wer von den Firmen des Kartells dagegen verstieß, musste eine Strafe zahlen. Heute sind solche ausgeprägten Kartelle verboten.

Aber Konkurrenz unter den Herstellern gebe es noch immer nicht, glaubt Kreiß. Denn selbst wenn ein einzelner Hersteller sein Produkt so bauen würde, dass es länger hielte als die anderen, würde der Kunde es nicht glauben. Zu oft sei er durch die Werbung schon belogen worden. So käme es zu der Situation, dass derjenige, der seine Produkte haltbarer und damit auch teurer herstellen würde, einen Wettbewerbsnachteil habe, weil der Kunde sein Produkt nicht öfter kaufen würde als das anderer Hersteller. Die Folge sei ein absurder Wirtschaftskreislauf: Weil die Produkte doppelt so schnell kaputtgehen würden als nötig, müssten die Kunden auch doppelt so viel kaufen.

Der Profit fließe im Wesentlichen an etwa zehn Prozent der Bevölkerung, Inhaber großer Konzerne. „Ein genialer Umverteilungsmechanismus von fast allen an sehr wenige“, sagt Kreiß. Weil die Werbung dem Kunden glauben mache, er brauche ständig neue Produkte, stelle dieser den Kreislauf selbst aber nicht in Frage.

Er kämpft an drei Fronten

Stefan Schridde will das ändern. Wenn nicht nur Kunden auf seinem Blog von den Erfahrungen mit geplanter Obsoleszenz berichten, sondern auch die Medien diesen Zustand thematisieren, könne das einen Bewusstseinswandel der Menschen bewirken. Hofft er zumindest. Die Idee zu der Seite, auf der man sich über Kaffeemaschinen und andere defekte Produkte beschweren kann, kam ihm, als er die Dokumentation Kaufen für die Müllhalde im Fernsehen gesehen hatte, eine detaillierte Recherche geplanter Obsoleszenz. Schridde war fassungslos, als er sah, dass der dadurch zusätzlich erzeugte Elektroschrott zum „Recyceln“ nach Afrika verschifft wird. Er beschloss, selbst etwas zu unternehmen: 1,5 Millionen Menschen besuchten seine Website seit Februar bislang.

Inzwischen kämpft Schridde an drei Fronten gleichzeitig: Er ist im Gespräch mit Bundestagsabgeordneten verschiedener Fraktionen – und er verhandelt mit dem Chefproduktentwickler von Siemens. Schridde gibt Fernseh- und Radiointerviews, aber getan hat sich seither wenig: Das erhoffte Versprechen der Industrie, Produkte nachhaltiger zu konzipieren, blieb aus. Und auch die Politiker hätten „kein wirkliches Interesse“, sagt Schridde. Bleiben noch die Konsumenten.

Können sie durch bewussteren Konsum etwas ändern? Wirtschaftsprofessor Christian Kreiß will sich da nicht festlegen. Der Kunde müsste sich bewusst machen, dass er auf lange Sicht Geld sparen kann, selbst wenn Produkte in guter Qualität zunächst einen Preisaufschlag von etwa 30 Prozent bedeuten würden. Weil sie nicht so schnell kaputtgingen, spare man langfristig aber Geld und tue auch noch was für die Umwelt. Schriddes Website soll dem Verbraucher genau das bewusst machen. Die Konsumenten müssten dann nur noch danach handeln. Im Moment sieht es allerdings eher danach aus, als suchten sie vor allem eins: das schnelle Schnäppchen.

Jacques Kommer brüht sich seinen Kaffee sowieso am liebsten „türkisch“

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Geschrieben von

Jacques Kommer

Journalist. Bloggt unter www.jacqueskommer.de zum Thema künstliche Intelligenz.

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