Sag's den Küchenchefs

Medientagebuch Fernsehzuschauer fühlen sich oft wie Gefangene? Medienmacher auch. Frauen sind in der Branche unterrepräsentiert. Von ORF bis WDR wird nun protestiert

Von Oliver Kalkofe stammt die Erkenntnis, dass Fernsehzuschauer sich oft wie Gefangene fühlen. Täglich bekommen sie einen Napf mit Fraß vorsetzt. Hinterher heißt es von den Wärtern, der Fraß würde schmecken, sonst wäre der Napf ja nicht leer.

Diese Ansicht betont den passiven Aspekt der Medienrezeption: Man isst, was vorgesetzt wird. Nun mehren sich aber die Anzeichen, dass dagegen aufbegehrt wird – nicht nur von den Häftlingen, auch von den Wärtern.

Anfang des Jahres hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich mit einer beeindruckenden Aktion gegen politische Beeinflussung gewandt. Der 26-jährige Niko Pelinka, bis dahin Sprecher des „SPÖ-Freundeskreises“ im ORF-Stiftungsrat, sollte Büroleiter von ORF-Generaldirektor Wrabetz werden. Gegen das Manöver erhoben 55 ORF-Mitarbeiter ihre Stimme. In einem Video, das seine Runde im Netz machte, stritten sie für die Unabhängigkeit des Senders: „Der ORF gehört den Österreichern und nicht der Politik.“ Mit Erfolg: Niko Pelinka trat den Posten nicht an. Was aus der Forderung nach einer Neuorganisation des Kontrollorgans wird, ist noch nicht entschieden.

Angespornt vom Mut der Österreicher sendeten jüngere Mitarbeiter des ZDF Unzufriedenheitssignale. Allerdings scheint der Protest der anonym auf­tretenden Gruppe „Freiheit fürs Zweite“, der sich ebenfalls gegen politische Einflussnahme richtet, aus Angst vor Konsequenzen („meist befristete, wackelige Verträge“) zu verebben.

Vielleicht sollte sich der ZDF-Nachwuchs ein Beispiel bei der Initiative Pro-Quote.de nehmen: Über 340 Medienfrauen fordern in einem Offenen Brief eine Teilhabe von 30 Prozent auf allen Hierarchien, auch bei den höchsten Führungsposten in Medienunternehmen – innerhalb der nächsten fünf Jahre. Momentan gibt es bei 360 Zeitungen im Land gerade zwei Chef­redakteurinnen.

Die Aktion wurde lange vorbereitet, neben jungen Berufsanfängern sind bekannte Gesichter wie Anne Will, Dunya Halali oder Frauke Ludowig mit im Boot. Und auch wenn das öffentlich bekundete Wohlwollen von vielen männlichen Amtsinhabern noch nichts bedeuten muss (oder eher verdächtig klingt), gelingt es der Aktion doch ein Gefühl zu verbreiten – dass sie lange überfällig ist. „Jetzt muss es klappen“, schrieb eine der Unterzeichnerinnen, Susanne Gaschke von der Zeit.

Ebenfalls in Form eines Offenen Briefs wandten sich selbsternannte Radioretter an die WDR-Intendantin Monika Piel. Der Grund: Kürzungen im Programm des Kultursenders WDR3. WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz antwortete und unterstellte den Unterzeichnern (u.a. Navid Kermani, Christoph Butterwegge, Wolfgang Lieb, Daniela Dahn) ein „Kulturradio-Verständnis, das in den siebziger Jahren“ modern war.

Das kann stimmen. Andererseits haben die Neustrukturierungen der letzten Jahre bei WDR3 den Hörerschwund nicht aufhalten können – was genaugenommen auch gegen die Reformen spricht. Zumal die unklaren Positionen des Streits zeigen, dass es offenbar gar keine klare Zielvor­stellung von den Leuten gibt, die etwas ändern wollen. Über 10.000 Leute haben den Brief bereits unterzeichnet, Rundfunkräte haben Zweifel an der Reform angemeldet, der Zeitplan der Umsetzung bis Mai scheint nicht zu halten zu sein. Ein Erfolg für die Radioretter, in deren Kampf für WDR3 wohl auch Unmut über die ARD im Ganzen mit Jauch, Talkshows und Gottschalk steckt.

Der Ausgang der Kontroverse ist offen, erfreulich aber schon jetzt: Es gilt eher Tim Mälzer als Kalkofe: Schmeckt nicht, gibt's nicht. Notfalls sagt man's den Köchen selbst.


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Geschrieben von

Jacques Kommer

Journalist. Bloggt unter www.jacqueskommer.de zum Thema künstliche Intelligenz.

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