Es ist düster bei Angel Haze

Genderkolumne HipHop ist zurück in den spannenden Gebieten der Popkultur. Mittendrin: Angel Haze, die ihre jahrelange Vergewaltigung in harte und mutige Worte fasst

Die Welt von Angel Haze ist dunkel, psychopatisch und gewalttätig. Das spiegelt sich in der Art, wie und was sie rappt, genauso wie in ihren Videos. Und das wird bald jede_r wissen, die sich für Musik interessiert, wenn Haze ihren Erfolgswunsch weiterhin so konsequent und konfrontativ verfolgt wie im Moment. Die neue MC setzt im bewegten und gern diskutierten Hip-Hop-Business mit nur 21 Jahren und einem im August unterzeichneten Labelvertrag an, ihre Karriere ganz nach vorne zu bringen.

Von der apostolischen Kirche zum Mixtape

Haze ist in den US-Bundesstaaten Michigan und Virginia in einer Familie aufgewachsen, die Teil einer apostolischen Kirche war. Heute bezeichnet sie diese Gemeinschaft als Sekte – häufig auch in ihren Tracks. Nach einer kurzen Zeit als Neurologie-Studentin widmete sie sich voll und ganz der Musik und wohnt inzwischen in New York. In dem Ort also, dem sich der Hit ihres „Reservation“-Mixtapes widmet. Dieses umsonst im Netz herunterladbare Mixtape war das erste mit eignen Beats und verhalf ihr im Juli zu weit größerer Aufmerksamkeit, als ihr vorher schon im Internet und der HipHop-Commnunity zuteilwurde. Der Titel "Reservation" bezieht sich unter anderem auf ihre Wurzeln als Native American.

Das Video zu "New York" zeigt, was man in der Düsternis ihrer Musik erwarten kann: Es ist aggressiv, kämperisch und fragt nach den Dingen, die lieber nicht thematisiert werden. Haze nimmt keine Rücksicht, auf niemanden. Im Interview mit Dazed Digital sagt sie: "Die Inspirationen für das Drehbuch kamen aus den dunkelsten Ecken meiner Psyche. Es sollte richtig finster werden, darin war ich mit meiner Regisseurin einer Meinung. Das Video steht gewissermaßen symbolisch für die Rap- oder Musikindustrie. Den Jungen, das Mädchen: Ich bringe sie beide um, und es sieht auch noch einfach aus."

Quelle: Vimeo

Angel Haze ist ein Survivor. Sie hat so viel Realness, dass es wehtut. Wie ein Faustschlag haut sie ihren Hass auf die Gewalt und Ungerechtigkeiten, die sie erleben musste, dass sich Unwohlsein im ganzen Körper der Hörer_in ausbreitet. Am besten veranschaulicht das ein Song auf ihrem vor ein paar Tagen veröffentlichten Classicks-Mixtape, auf dem sich Beats von Stars wie Lauryn Hill, Missy Elliot oder Lupe Fiasco finden.

Cleaning out my Closet

Ironischerweise zu Eminems "Cleanin' Out My Closet" berichtet Haze von ihrem jahrenlangen Missbrauch als Kind in grausigem Detailreichtum – sowohl was die physischen als auch psychischen Konsequenzen der Übergriffe betrifft. "When I was 7, envision me at the bottom of stairs / And I solemnly swear that this is the truth, no fallacy here / See I was young, man, I was just a toddler, a kid / And he wasn't the first to successfully try what he did", beginnt schon der Text. So ein Lied zu schreiben, ist mutig und wichtig – denn diese Erzählung findet sich selten in einer Gesellschaft, die Vergewaltigung und sexualisierte Gewalt verharmlost, relativiert und selten juristisch bestraft. Besonders um gegen die Angst anzugehen, über solche Gewalterfahrungen zu sprechen.

Quelle: SoundCloud

Und die anderen?

In Blogposts und Artikeln wird Angel Haze gerne in eine Reihe gestellt mit anderen weiblichen Rapperinnen wie Azelia Banks. Damit gehört sie zu den Künstler_innen, die Hip-Hop seit einiger Zeit wieder zu einem spannenden Gebiet der Popkultur machen. Zusammen mit ihren queeren Kolleg_innen, die gerade zur Rettung des Hip-Hop vor Homophobie angesetzt haben – zumindest wenn man dem Hype folgt, dokumentiert in De:bug und Spex. Dazu zählen so spannende Künstler_innen wie Drag Queen Mykki Blanco, Le1f mit anzüglichen homoerotischen Texten oder der allseits beliebte Franc Ocean, dem im Juli mit seinem Tumblr-Outing als bisexuell von Kritiker_innenseite eine Welle des Wohlwollens entgegenschlug. Und obwohl es also immer noch sehr wichtig scheint, sich im HipH-op mit Sex zu beschäftigen, ist die neue Herangehensweise ein Schritt nach vorne.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

liz weidinger

freie journalistin und girlmonster

liz weidinger

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden