Weil es sich sonst keiner traut

Genderkolumne Sieben Frauen fanden sich zusammen um abzuhängen und Musik zu machen – ohne große Vorkenntnisse. Nach drei Jahren können sich Vivian Void hören lassen.

In dieser Kolumne muss die Soundpolizei draußen bleiben, ist nicht eingeladen die Beatstruktur oder Abmischung zu bewerten oder ihr überlegenheitsproduzierendes Musikwissen abzuladen. Denn, aufgepasst: Das erste Album der All-Girl-Combo Vivian Void wurde rein mit Mobiltelefonen aufgenommen. Dieser Fakt prangt zu Recht stolz auf der Verpackung von „DIV“. Autotune und glattpolierte Oberflächen können schließlich alle. Es geht um Euphorie, um mitreißende Refrains und Spaß auf der Bühne, es geht darum, sich jeden Mittwoch im Proberaum zu treffen, es geht darum, sich selbst auszuprobieren und jedes Instrument mal gespielt zu haben. Dass gemeinsamer Spaß, Leidenschaft und Offenheit für Musik mindestens genauso wichtig sind wie Professionalität, davon zeugen nicht nur Vivian Void, sondern auch all die gelangweilten Profi-Musiker, die Popmusik zum Einheitsbrei werden lassen.

Aber auch meine innere Feministin muss zu Hause bleiben. Denn es war viel mehr Zufall als feministisches Anliegen, eine reine Frauenband zu gründen. Vivian Void sind nach eigener Aussage weder eine gecastete Mädchen-Pop-Kreation mit einem männlichen Macher im Hintergrund, noch aus einer queeren Subkultur entstanden. Zwei Annahmen mit denen sie regelmäßig konfrontiert werden, die jedoch beide nicht zutreffen. Zwar mussten auch sie schon blöde Erfahrungen mit Tontechnikern machen und sich das gute Feedback auf ihre Konzerte von anderen Bands dadurch erklären lassen, dass sie halt sieben Mädels seien. Trotzdem stellt der ironische Song über „girls do like high heelshoes“ die geschlechterperspektivische Ausnahme dar.

Am besten im Kollektiv

Hier haben sieben Freundinnen einen gemeinsamen Sound, einen gemeinsamen Ausdruck gefunden. Ganz ohne Bandleader oder kreativem Mastermind funktionieren sie am besten im Kollektiv, wenn sie einfach zusammen improvisieren. Mit ihrem ersten, 30 Tracks langen Album haben sie auch die passende Form gefunden, das festzuhalten. „DIV“ erschien im Februar in nummerierter Kleinauflage von 200 CDs bei dem DIY-Label Woodland Recordings aus Berlin – handgestempelt, inklusive Poster. Darauf zu hören: übersteuerte Popmelodien, mehrstimmiges Geschrei, Handclaps, schrägen Sounds, Gesprächsfetzen, mitgeschnittene Begeisterung, Wut und spontane Songideen. Es ist eine rund einstündige Dokumentation der gemeinsamen Zeit, zusammengeschnitten aus sieben Stunden langen Aufnahmen, die eigentlich nur als bandinterner Speicher gedacht waren. So kann man auf reflexmagazin.de passenderweise lesen: „Es gab wohl selten ein Projekt, dessen Debüt sich so nach Punk anfühlte und dabei so dezidiert keiner war.“ Musikalisch ist bei Vivian Void mit Punk nicht viel zu holen, mit Riot Grrrl haben sie wohl nur das Geschlecht gemeinsam, obwohl die Bandmitglieder mit so unterschiedlichen Szenen wie Hardcore, Grunge und Folk sozialisiert wurden.

So einfach man dem Bandprojekt von Nina, Sina, Lisa, Sarah, Jana, Nina und Stefanie eine Hipster-DIY-Verkaufsmasche vorwerfen könnte, so falsch wäre es. Denn: hier wird nichts verkauft. Ihre selbstbestimmte und auch so stimmige Herangehensweise resultiert schlicht aus dem kollektiven Engagement der sieben Frauen. Es finden sich drei Grafikerinnen und eine Schneiderin in der Band. Das liefert eine Erklärung für das schicke Vivian-Void-Blog, die handbedruckten Taschen und VV-Halsketten. "Das, wenn man es so nennen möchte DIY-Konzept, ermöglicht uns einfach Musik zu machen und daneben auch CDs zu verkaufen ohne uns dabei aber in den finanziellen Ruin zu treiben. Die Leidenschaft, die wir in die Musik legen, findet sich genauso in all den Dingen rund um unsere Musik wieder, wie zum Beispiel im Design jeder CD oder Tasche, die wir bisher gemacht haben“, so die Band im Interview.

Da können viele von lernen: Statt ein unpassendes Designerkleid zu kaufen, besser selbst zur Nähmaschine greifen. Statt Langeweile besser einen Proberaum kapern und sich mit Freundinnen unerschrocken ausprobieren. Einfach mal dem Beispiel von Vivian Void folgen und das machen, was sich sonst keiner traut.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

liz weidinger

freie journalistin und girlmonster

liz weidinger

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden