Scholz sprach in seiner Regierungserklärung davon, Putin stelle mit seinem Angriffskrieg die Frage, ob Macht Gesetze brechen dürfe. Deutschland situiert sich eindeutig auf der Seite des Rechts, der Vernunft und der Moral – und gerade deshalb, so der zentrale Widerspruch, müsse aufgerüstet werden. Scholz‘ Schritt, 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr zu stecken, fortan mehr als zwei Prozent des BIPs für die Verteidigung zu reservieren, bewaffnete Kampfdrohnen zu kaufen und die technologische Weiterentwicklung im Bereich des Militärs schnell voranzutreiben, bedeutet gerade, mit der Logik des besseren Arguments und der Vernunft zu brechen. Die Bundesregierung hat sich mit der Entscheidung für die Aufrüstung dafür entschieden, gerade der Logik der Stärke und der Macht zu folgen, die sie vorgeblich ablehnt.
Es steht außer Frage, dass die Entscheidung, die Ukraine im Krieg gegen Russland auch mit Waffen zur Selbstverteidigung zu unterstützen, die gegenüber dem reinen Zuschauen bessere Entscheidung ist. Ebenso außer Frage sollte jedoch stehen, dass die angekündigte militärische Aufrüstung keine geeignete Reaktion auf den russischen Zivilisationsbruch sein kann: Putins Logik der Stärke zu folgen, bedeutet ein neues Wettrüsten, einen neuen Kalten Krieg und damit das Ende der freiheitlichen Ziele und Werte, die Scholz und die Bundesregierung verteidigen wollen. Scholz‘ Argument, gerade diese Ordnung im Zweifelsfalle verteidigen können zu müssen, ist zwar nicht von der Hand zu weisen; das jedoch bedeutet nicht, dass ein derartiger Radikalschritt, der eine 180-Grad-Wende und eine potentiell endlose Aufrüstungsspirale mit dabei deutlich steigendem Konfliktpotential bedeutet, nötig oder angebracht wäre.
Der Kurswechsel der Regierung, die damit zentrale Versprechen bricht, stellt das gesellschaftliche Selbstverständnis nachhaltig infrage. Die Folgen sind unvorhersehbar. Wie etwa kann eine Gesellschaft das Wettrüsten des Kalten Kriegs verurteilen, wenn sie selbst nun in ein solches einsteigt? Wie etwa soll das Prinzip des besseren Arguments und der Rationalität in einer Gesellschaft vermittelt werden, die im Zweifelsfalle auf ein abschreckend starkes Militär setzt? Wie etwa soll der Wert der Gewaltfreiheit in einer Gesellschaft hochgehalten werden, die auf oberster Ebene die von der Frage der konkreten Nothilfe losgelöste Aufrüstung bejubelt?
Es stimmt, dass es nach dem Zivilisationsbruch Putins keine genuin guten Entscheidungen mehr geben kann, da jede Entscheidung sich innerhalb der Fakten des Krieges situieren muss. Das bedeutet jedoch nicht, dass es unter den verbleibenden Optionen nicht erkennbar bessere und schlechtere gibt. Die für die angekündigte Aufrüstung ist eine der schlechteren.
Kommentare 14
Ja, Klima war gestern (war eh nur was für Weicheier), nun fließt das Geld wieder in den verlässlich krisensicheren Hafen der Rüstungsindustrie.
Die Entscheidung zur Aufrüstung ist völlig geisteskrank.
Sie hat ja auch Null Effekt auf den laufenden Krieg. Und Putin wird die NATO natürlich nicht angreifen. Falls doch, haben wir den Dritten Weltkrieg und das war's dann.
Finanziert werden muss diese nationale Kraftanstrengung natürlich irgendwie. Da die Schuldenbremse nennenswerte Neuverschuldung ausschließt, werden wir uns auf einen gigantischen Sozialabbau einrichten müssen. Um unsere Wehr und Waffen zu ertüchtigen, muss man eben auch schmerzhafte Opfer bringen.
Wer allerdings meint, gegen dieses Gürtel-enger-schnallen zu demonstrieren, kann ja nur ein Putinfreund sein - und muss mit gesellschaftlicher Isolierung und Ausgrenzung rechnen.
Ja, ein perfektes System! Oder hegen Sie daran irgendwelche Zweifel, Sie Nestbeschmutzer?!?
Scholz & Co haben doch nur geradezu auf diese Gelegenheit gewartet. Sie führen die Tradition der Bellizisten des »Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNEn« seit Schröder und Fischer 1998 fort.
Und nicht nur die tun das. Alle die Flinten-Politikerrinnen und Kanonen-Politiker der EU werden diese Gelegenheit nutzen, ihre Kriegs-Equipments aufzurüsten. Ich darf in diesem Zusammenhang erinnern: Der NATO stehen für ihre Kriegszerstörungsaktivitäten 18 mal so viele Dollar zur Verfügung wie der Russischen Föderation. Allein hieran wird der Wahnsinn deutlich.
Putin könnte ja vielleicht auch mal auf die Idee kommen, dieses offensichtliche Manko über seine Atombomben auszugleichen. Auch dann steht es ja erst 1:1, denn diejenigen, die bisher Atombomben auf Menschen schossen, sind die USA.
Unser politisches Personal hat über Jahrzehnte den Konflikt mit Russland geschürt und ihn eskaliert, und Putin hat ihm jetzt zum dritten Mal rote Linien aufgezeigt. Dass er das über Krieg macht, entspricht seiner und der Welt Erfahrung, dass der verkommene „Werte“westen genau dies tut, wenn er nicht wirkungsvoll in die Schranken verwiesen werden kann.
Eine schlimme Erfahrung, die auch mein Leben dominiert.
Willkommen im 21 Jahrhundert, in dem die Welt untergeht. Geht Sie am wandelnden Klima oder am Rüstungswettlauf unter, oder gar an beidem gleichzeitig ? In jedem Fall an der Dummheit der Menschen. Sehen Sie und statunen Sie, meine Damen und Herren, Wetten werden noch angenommen.
Nichts verächtlicher,
als wenn Völkerrechtsbrecher Völkerrechtsbrechern Völkerrechtsbruch vorwerfen. ((frei nach Tucholsky, "Literaten")
In der aktuellen Stimmungslage ... fehlt eigentlich nur noch ein völkischer Beobachter. Aber ... den haben wir ja schon ... bildgewaltig.
Und wer sich nicht schlau macht, in diesem Ländle... ist verloren und mitverantwortlich für Kriege.
Wir müssen Prioritäten setzen, und das heißt nun mal: Aufrüstung.
Wie bitte, Pandemie? Klimawandel? Die sollen nächste Woche nochmal anrufen. Geht grad nicht.
Sonst gerne.
"Die für die angekündigte Aufrüstung ist eine der schlechteren (Entscheidungen)."
Um nun den weiteren Energiepreissteigerungen (und nicht nur die) etwas entgegen zu setzen, folgert nun die Börsianerin kühl/rational als Tipp: natürlich in Rüstungsaktien zu investieren.Und falls jemand daraus was Gutes ziehen will, der verkauft wieder rechtzeitig und investiert/spendet in ökologische Projekte. So lässt sich alles ausgleichen und beruhigt das eigene Gemüt. Außerdem hat das eine mit dem anderen eh nichts zu tun, so sagen es wenigstens diejenigen, die darüber einfach so bestimmen, wenn Milliarden locker gemacht werden können; und das ist dann auch gleich ein Grund, das GG zu ändern, siehe hier.
Und damit die Glaubwürdigkeit der FDP hinsichtlich ihrer 'Jünger' gewahrt bleibt gilt nun folgendes: "Die Zeit der Vernachlässigung der Bundeswehr müsse enden, erklärte auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) bei der Debatte am Sonntag. Den laufenden Betrieb der Bundeswehr werde man direkt aus den Haushalten unter Achtung der Schuldenbremse finanzieren und stetig erhöhen. (aus dem Link)"
Damit ließe sich auch aus dem Sondervermögen bei Bedarf in den laufenden Haushalt einspeisen, um die Fiktion der Einhaltung der Schuldenbremse zu gewährleisten. Dem 1ten Gebot der FDP, die immer noch einer archaischen staatlichen Finanzierungsvorstellung anhängt, die adäquat von Lindner repräsentiert wird.
»Die Entscheidung zur Aufrüstung bedeutet, die Logik der Macht zu akzeptieren und von derjenigen des Arguments, der Vernunft und der Moral zurückzutreten«
Diese Entscheidung bedeutet vor allem, verstanden zu haben, was Macht ist. Und was passiert, wenn sie nicht mit Gegenmacht gekontert wird.
Dieser Beitrag gründet sich auf zwei Annahmen, deren Richtigkeit erst einmal bewiesen werden müsste, bevor sie als Ableitung, Begründung oder Kritik von Handeln benutzt werden können:
- „Es steht außer Frage, dass die Entscheidung, die Ukraine im Krieg gegen Russland auch mit Waffen zur Selbstverteidigung zu unterstützen, die gegenüber dem reinen Zuschauen bessere Entscheidung ist.
- „Es stimmt, dass es nach dem Zivilisationsbruch Putins keine genuin guten Entscheidungen mehr geben kann, da jede Entscheidung sich innerhalb der Fakten des Krieges situieren muss.“
Sicherlich lassen sich sowohl zu 1. als auch zu 2. andere Optionen und Bewertungen vorstellen und formulieren, als im Beitrag angenommen, oder von den politischen Parteivertretern/innen vorgestern im Bundestag zelebriert.
In keiner Weise ist die Situation, oder die Reaktion darauf, etwas, das mit stehenden Ovationen bedacht werden sollte.
Entsetzlich.
... Was, übrigens, ist denn hier ein ‚Zivilisationsbruch‘ ...
DIE Deutschen finden wieder zu sich, in einer Art erregtem Eigentlichkeitszustand.
Ja! DIE...nicht die.
Wann gibt es eine Demo gegen diese Aufrüstung? Es ist zum K...,dass jetzt so eine total beknackte Aufrüstungsattacke mit garantierter Durchführung geritten wird.Ob zu dem jemand durchdringt?Das wird ja eine tolle Steuergesetzgebung werden...