Der Zoobetrieb als kapitalistische Perversion

Kommentar Der Zoo Neumünster lässt einen Notschlachtplan für die dort gehaltenen Tiere erstellen. Die Direktorin hält das für unspektakulär. Was sagt das über das Modell "Zoo" aus?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie sind Zoos für Besucher*innen geschlossen. Für die Betriebe bedeutet das in erster Linie einen Einbruch der Einnahmen. Der Zoo Neumünster reagiert darauf nun mit einem sog. Notschlachtplan: Im Ernstfall, sprich: bei finanziellen Problemen, sollen Tiere getötet werden, um andere Tiere zu ernähren. Konkret bedeutet das, dass in Neumünster eine Liste erstellt wurde, die angibt, wer wann getötet werden soll. Direktorin Verena Kaspari versteht dieses Vorgehen als unspektakulär und tierschutzrechtlich sowie finanziell geboten. Tatsächlich lassen sich diese Pläne als Perversion des kapitalistischen Gedankens enttarnen.

Zunächst einmal sollte der Blick auf das Geschäftsmodell des handelsüblichen Zoos fallen. Allen Selbstbeteuerungen, es gehe um Artenschutz, Überlebenssicherung und das Wohl der Tiere, zum Trotz, entpuppt der Zoo sich letztlich als gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen – auch dann, wenn er wie im Falle Neumünster rechtlich als Verein organisiert ist. Sein Geschäftsmodell ist simpel und wurde bis vor wenigen Jahrhunderten auch mit der menschlichen Spezies noch praktiziert: Tiere werden gefangengenommen, eingesperrt, ihrer Selbstbestimmung weitestgehend beraubt und ausgestellt – alles mit Verweis auf Sicherheit und Wohlergehen ebendieser Tiere. Hinter diesem Vorgehen steht tatsächlich jedoch keinesfalls eine Liebe zum Tier, sondern eine betriebswirtschaftliche Kalkulation. Ein Tier ist in der Welt des Zoos kein sich selbst gehörendes, fühlendes Lebewesen, sondern ein Kapitalfaktor. Es kostet Geld und ist nur solange wertvoll, wie es seine Kosten wieder einspielt und darüber hinaus zur Produktion von Gewinn beiträgt. Zum vorgeschobenen Argument der Arterhaltung und der Überlebenssicherung sei hier in aller Kürze darauf verwiesen, dass auch hehre Ziele bei Annahme des Selbstbesitzes und Selbstbestimmungsrechts eines jeden Tieres nicht zum Eingriff in dessen Freiheit berechtigen.

Im Normalfall funktioniert das Geschäftsmodell des Zoos aus ökonomischer Sicht gut. Nun jedoch brechen die Einnahmen weg. Die Tiere lassen sich – anders als etwa Arbeitsmaschinen, die ebenso Kapitalfaktoren sind – jedoch nicht abstellen. Sie benötigen weiterhin Nahrung, ihre Gefängnisse müssen weiterhin gepflegt werden. Kurzum: Sie verursachen weiterhin Kosten. Für den Zoo ist die Sache damit eindeutig: Der Kapitalfaktor Tier ist nicht mehr produktiv. Er sorgt nun in der Zeit der Krise für ein Verlustgeschäft.

Die Aussagen der Zoodirektorin Kaspari machen dieses kapitalistische Denken eindeutig: Sobald das Geld fehlt, sollen die Kostenfaktoren eliminiert werden. Das wirtschaftliche Wohlergehen des Betriebs steht über allem, ein Verlustgeschäft ist nicht tolerabel. Die hierarchisch geordnete Liste weist in diesem Zusammenhang einmal mehr auf den ökonomischen Grundgedanken des Zoos hin, lässt sie sich doch als in gewissem Maße marktwertorientiert verstehen – wer weniger ökonomischen Erfolg verspricht, muss eher weichen.

Insgesamt offenbart sich damit in der Krise einmal mehr und in kaum gekannter Deutlichkeit die Tatsache, dass das Geschäftsmodell des Zoos eine kapitalistische Perversion darstellt, die in der Tötung wirtschaftlich unproduktiver Insassen gipfelt. Der Zoobetrieb basiert darauf, im Namen des Geldes sich selbst gehörende Wesen ihrer Freiheit zu berauben. Der Zoobetrieb ist kein barmherziges Geschäft, er steht nicht im Dienst der Tiere, die er knechtet, sondern im Dienst des Kapitals.

Freilich zeigt sich das nicht nur in der jetzigen Situation, sondern ist im Zoobetrieb auch sonst allgegenwärtig; aber nun wird der Gedanke, der sonst empört unter Verweis auf das vermeintliche Ziel der Arterhaltung und der Überlebenssicherung verneint wird, weitgehend unverblümt in die Öffentlichkeit getragen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden