Wolfgang Schäuble ist – schenkt man den Spekulationen Glauben, er habe bei der Ernennung des neuen BND-Chefs Bruno Kahl seine Finger im Spiel gehabt – nicht der einzige mit Interesse daran, wie es künftig weitergehen soll mit dem stark angeschlagenen Geheimdienst. Sollten die bereits beschlossenen Reformpläne nun weiter konkretisiert werden, ist es ein guter Zeitpunkt die Frage zu stellen, wie sich der BND überhaupt mit den Grund- und Menschenrechten verträgt – oder auf welcher legitimen Basis er operieren darf.
Das zumindest fanden Vertreterinnen und Vertreter der Fachkonferenz Grund- und menschenrechtlichen Anforderungen an die Kommunikationsüberwachung des Bundesnachrichtendienstes, welche vergangene Woche in Berlin stattfand. Gekommen waren Mitglieder von Reporter ohne Grenzen, der Humanistischen Union, Amnesty International, Whistleblower e. V. , der Internationalen Liga der Menschenrechte und vom Deutschen Institut für Menschenrechte, welche die Vortragsreihe mit Diskussionsrunde organisiert hatten.
Es ist keine große Überraschung, doch drei Jahre nach den Enthüllungen von Whistlerblower Edward Snowden steht noch immer die fundamentale Frage im Raum: Ist die Arbeit von Geheimdienste mit Menschenrechten, wie dem Schutz von Privatsphäre und persönlichen Daten, überhaupt vereinbar? Ist das nicht ohnehin ein genuiner Widerspruch?
Gemeinsam wurde deshalb auf der Tagung der Status Quo zusammengetragen und um die Position gerungen, was nun zu tun sei. Welche Rolle sollte die Politik bei der Überarbeitung des BND einnehmen? Auf der Veranstaltung wurde außerdem überlegt, wie Institutionen, Organisationen und Bürgerinnen und Bürger gemeinsam ein Gegengewicht zu Nachrichtendiensten bilden könnten.
Einerseits, so lässt sich ein Teil der Debatten zusammenfassen, muss der Schutz von Daten und Privatsphäre priorisiert werden, müssen klare Befugnisgrenzen für Geheimdienste festgelegt und seine Alleingänge kontrolliert werden. Auch müsse überlegt werden, inwiefern er überhaupt eine Daseinsberechtigung und Zweckmäßigkeit habe – auch in der internationalen Zusammenarbeit. Vor allem die NGO's und Menschenrechtsgremien kritisieren, dass Eingriffe der Geheimdienste das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz verletzen – unabhängig von Standort und Nationalität der überwachten Person. Einige von ihnen fordern die Abschaffung der Dienste.
Andererseits, befanden vor allem Teilnehmerinnen und Teilnehmer akademischer Institutionen, sei mit der verschärften Terrorlage in Europa die Arbeit der Geheimdienste noch wichtiger geworden. Es müsse vielmehr überlegt werden, welche Formen von Kontrolle für den BND sinnvoll seien.
Zum Auftakt der Veranstaltung sprach der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo, heute Leiter des Rechercheverbunds der Süddeutschen Zeitung, dem NDR und WDR. Er beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Geheimdiensten und suchte nach möglichen politischen Antworten auf die Snowden-Leaks. Er sprach deutlich kritisch über die mangelnde Kontrolle des Geheimdienstes aus und sagte: "So wie bisher darf parlamentarische die Kontrolle der Geheimdienste nicht aussehen."
Mascolo erwähnte den Streitfall zwischen dem FBI und Apple in den USA. Der Technologie-Hersteller verweigerte aus Datenschutzgründen seine Hilfe bei der Sicherstellung der Daten auf den Smartphones der Attentäter des Amoklaufs von San Bernadino Kalifornien. Hätte Apple hätte kooperieren müssen, auch über die Datenschutzrichtlinien des Unternehmens hinweg, um die Aufklärung und strafrechtliche Einordnung der Tat zu unterstützen? Darüber herrschte in der Debatte Uneinigkeit.
In einem grundsätzlichen Punkt jedoch waren sich alle einig: Die Arbeit von Geheimdiensten müsse gründlich reformiert und vor allem besser koordiniert und kontrolliert werden – etwa durch erweiterte Rechte für das parlamentarische Kontrollgremium.
Doch die längst geplante Reform des BND verzögert sich immer weiter und ist aktuell von der Bundesregierung aufgeschoben. Die große Koalition hat bislang nichts Konkretes umgesetzt, obwohl der NSA-Untersuchungsausschuss arge Zweifel an der Legitimität der Kommunikationsüberwachung des Geheimdiensts im Ausland formulierte. Bisherige Entwürfe zu einer streng regelten Gesetzesgrundlage sind zwar konsensfähig und sollen bis zur Sommerpause vorliegen, aber noch sind nicht alle Fragen für die umfangreichen Veränderungen geklärt.
Klar ist aber inzwischen auch der Regierung, dass der Geheimdienst mehr kontrolliert werden müssen. Auch die Autorisation des Auslandsdienstes soll erheblich eingeschränkt werden. Das Verhältnis zwischen der Regierung und dem Geheimdienst ist weiterhin angespannt. Der kommentarlose Austausch des BND-Präsidenten Ende April ist derzeit wohl nur der Anfang des Umbaus.
Von der Opposition wird zudem die Möglichkeit harter Sanktionen bei Verstößen seitens Geheimdienste gegen das Grundgesetzt gefordert. Allgemein wird kritisiert, dass die Planung der Reform nur hinter verschlossenen Türen passiert und keine Transparenz für Medien und Bürger zulässt.
Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses solle im Zuge der Digitalisierung weiter anpasst und werden. Denn heute sind nicht nur die Kontaktdaten im Handy zu finden, sondern eine Menge persönlicher Informationen mehr. Auch hier wird überlegt, welche Kontrolle Beispielsweise Instanzen wie die unabhängige G-10 Kommission, vermehrt ausüben sollte.
Als machtpolitisch schwierig stellen sich die Überlegungen zur internationalen Zusammenarbeit der Geheimdienste heraus. Das gegenseitige Misstrauen ist nach den Abhör-Affären diplomatisch verbundender Staaten derzeit nahezu so groß wie zur Zeit des Kalten Kriegs. Kam doch erst im November 2015 heraus, dass der BND im Alleingang den Außenminister von Frankreich und EU-Institutionen abhörte.
Der aktuelle Status Quo in Berlin ist auch deshalb ernüchternd. Über die Rechtslage und Kriterien von geheimdienstlichen Eingriffen, auch über die Landesgrenze hinaus, und den Umgang mit Privatsphäre herrscht große Unsicherheit. „Menschenrechte sind die Hypothek jeden staatlichen Handels, egal für wen oder wo“, sagte Professor Christoph Gusy vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Staatslehre der Universität Bielefeld.
Eine Lösung dafür fand die Tagung zwar nicht, immerhin aber einige konstruktive Anregungen. Gegen Ende erklärt Matthias Becker als Leiter des Zentrums für Angewandte Rechtswissenschaften vom Karlsruher Institut für Technologie, wie er sich die Reform bestenfalls vorstelle: Es wäre sinnvoll, wenn Juristen, Informatiker und das Ministerium der Inneren Sicherheit gemeinsam die Grundlagen von Überwachung ausarbeiten würden.
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