Vorwürfe vom Arzt
Mitten in meiner ersten Geburt lag ich alleine im Kreißsaal, hatte Wehen und wusste nicht, wie es weiterging. Meinen Mann hatten die Schwestern nach Hause geschickt und ihm gesagt, es könne noch dauern. Ich traute mich nicht, zu sagen: Bleib hier; und er traute sich auch nicht, dem medizinischen Personal zu widersprechen. Ich fühlte mich sehr alleine.
Ich war mit Schwangerschaftsvergiftung und schlechten Thrombozytenwerten eingeliefert worden. Die Geburt musste eingeleitet werden. Eine Hebamme kam auf mich zu, machte kommentarlos meine Beine auseinander und griff mir grob und tief in die Vagina. Ich schrie vor Schmerz auf und weinte. Sie meinte, das klappe dann wohl nicht, und ging wieder. Inzwischen weiß ich, dass sie wohl meine Fruchtblase öffnen wollte, aber das sagte sie mir damals nicht. Überhaupt: Niemand beantwortete meine Fragen.
Am nächsten Tag hatten die Wehen wieder aufgehört. Die Ärzte redeten schroff auf mich ein, ich müsse einfach nur wollen und solle mich entspannen. So als sei ich selbst schuld. Dadurch verkrampfte ich aber noch mehr. Ich dachte, etwas stimmt mit mir nicht. Bei anderen klappt es doch auch, warum bei mir nicht?
Nach mehreren Tagen saßen mein Mann und ich im Kreißsaal und haben beide nur noch geweint. Ich hielt den Druck nicht mehr aus und meinte: Ich will jetzt einen Kaiserschnitt. Da sagte der Oberarzt, er sei völlig enttäuscht von mir, weil ich es nicht weiter versuchen wolle. Eine Schwester warf mir vor, ich würde meinem Kind eine gesündere, natürliche Geburt vorenthalten. Ob ich das nicht wüsste, ich sei doch selbst Krankenschwester. Wenn da wenigstens eine Hebamme gewesen wäre, die gesagt hätte: Du schaffst das. Ein nettes Wort, damit man weiß, man ist nicht alleine. Wer weiß, vielleicht hätte ich es dann tatsächlich geschafft. Jessica P., 30, aus Geldern
Ohne Erklärung
Ich bin drei Wochen vor der Geburt noch auf meinem Pferd geritten, hatte eine unkomplizierte Schwangerschaft und gar keine Angst vor der Geburt. Mir war schon klar: Das wird wehtun. Aber ich dachte: Da musst du halt jetzt durch. Ich wollte ja endlich mein Kind in den Arm nehmen. Und ich bin eigentlich eine starke Frau.
Einen Tag nach dem ursprünglichen Termin kamen die Wehen. Im Krankenhaus hieß es, ich solle mich hinlegen und ausruhen. Ob ich lieber noch mal heim wollte? Ich bin lieber geblieben. Ab diesem Moment war ich mutterseelenallein mit meinem Mann in so einem Vorwehenzimmer. Wie auf dem Abstellgleis. Als ob man sagt: Mach du das mal selbst. Aber beim ersten Kind weiß man eben gar nicht, was man da macht. Gegen zehn ist meine Fruchtblase geplatzt. Da kam die Hebamme und meinte: Wir machen jetzt eine PDA (Periduralanästhesie zur Betäubung der Rückennerven, Anm. d. Red.). Als Anweisung. Ohne mir zu erklären, dass dann eventuell die Wehen aufhören, dass die Herztöne des Kindes schwächer werden könnten. Und genau so kam es. Ich durfte gar nicht mehr aufstehen, lag einen ganzen Tag auf dem Rücken. Dann hieß es: Wir machen jetzt einen Kaiserschnitt. Wieder ohne Erklärung, ohne dass jemand gesagt hätte, ob es noch andere Optionen gebe. Nach dem Eingriff ist mir übel geworden, ich habe mich übergeben und erst auf Nachfrage ein Mittel dagegen bekommen. Das war so unwürdig.
Zu Hause habe ich mein Kind sofort geliebt. Ich habe aber ständig an die Geburt gedacht: was ich hätte tun können. Im Umfeld sagen die Leute dann: Dein Kind ist gesund, stell dich nicht so an. Irgendwann habe ich im Krankenhaus den Geburtsbericht angefordert, die waren sehr nett und haben mir den sofort zugeschickt. Da spürte ich zum ersten Mal Wut: Da standen falsche Sachen drin. Ich hätte zum Beispiel ein Mittel gegen Übelkeit angelehnt. Ich habe beschlossen, mit dem Chefarzt zu sprechen. Meine Gynäkologin meinte, ich solle mich erst um mich selbst kümmern. Ich habe eine Traumatherapie angefangen. Aber das ist immer noch mein Plan: dass ich mal hingehe und dem Chefarzt sage, wie ich mich gefühlt habe. Nadine L., 40, aus Heidelberg
Mal lockerlassen
Dass die Geburt beim ersten Kind etwas länger dauern könnte, hatte man mir schon gesagt, bei mir dauerte sie 29 Stunden. Nach vielen Stunden Wehen wollte ich eine PDA. Als ich Schüttelfrost bekam, sagte die Hebamme, ich solle doch mal aufhören zu zittern. Als sie meinen Muttermund untersuchte, sagte sie, ich solle mich nicht so anstellen. Und dass alles viel einfacher wäre, wenn ich nur mal lockerlassen würde.
Später wurden die Herztöne des Kindes schlechter, für einen Kaiserschnitt war es da schon zu spät. Eine Ärztin kam dazu und fragte, wie lange „das hier“ schon gehe. Und dann: Für das, was ich jetzt mache, werden Sie mich hassen. Dann stieg sie aufs Bett und warf sich mit ihrem ganzen Körpergewicht auf meinen Bauch, um das Baby herauszudrücken. Die Erinnerung an all das ist wie im Nebel, aber die Schmerzen kann ich immer noch empfinden.
Nach der Geburt musste ich die Gebärmutter entfernen lassen, das hat mein Leben auf den Kopf gestellt: Ich kann keine Kinder mehr bekommen, darf nicht schwerer heben als fünf Kilo – mein Sohn wiegt mittlerweile zehn.
Manchmal wünschte ich, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Ich bin Altenpflegerin und verstehe, dass der Job im Krankenhaus manchmal stressig ist. Aber ich hätte mir mehr Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen gewünscht, auch wegen der starken Schmerzen. Es war das totale Gegenteil einer selbstbestimmten Geburt. Kathrin J., 27, aus Heersum
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.