40 Jahre, 40 Werke

Bundesschau Keine Kultur in der DDR? Wie wäre es mit einer Gegenausstellung. Eröffnen wir den "ästhetischen" Zoo. Vielleicht gibt das Innenministerium sogar Geld dafür

So, jetzt haben wir uns genug geärgert und zu ­Genüge empört über die westdeutsche Siegershow - 60 Jahre - 60 Werke: Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 2009">60 Jahre, 60 Werke - mitten aus dem kalten Krieg im 20. Jahr ­unserer Einheit. Günter Grass hat „Skandal“ gerufen. Wolfgang Thierse hat geschimpft: „Der Kurator aus dem Rheinland hat immer noch nichts gelernt!“ Und die Akademie der Künste hat erklärt: „Der Verlust historischen Denkens über Kunst in diesem Land hat beunruhigende Ausmaße angenommen.“ Und Christoph Hein hat in einem bewegenden Offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben.

Wobei der vielzitierte Kurator Walter Smerling nicht im Alleingang spricht und handelt – sondern im Namen der großkoalitionären Kulturpolitik. So habe ich sie in der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland kennengelernt. Über viele Bereiche gegenwärtiger Kulturpolitik herrschte Einvernehmen. Wehe aber, es ging um die 40 Jahre Kultur in Deutschland West und Deutschland Ost! Die Tatsache, dass es zwei Kulturen gab – nicht nur parallel nebeneinander, sondern ganz bewusst auch gegeneinander in Position gebracht, durfte nicht thematisiert werden.

Allein der Satz, dass „es eine außerordentlich dichte und reiche Kulturlandschaft in den ostdeutschen Ländern gab, als Erbe der deutschen Geschichte vor der Gründung der DDR, aber auch auf einer eigenen Tradition der Kulturorganisationen und -beteiligung in der DDR beruhend“, war ein Sakrileg. Der Satz wurde auch im Bericht der Kommission nicht aufgenommen, sondern nur als Sondervotum der Linkspartei im Fußnotenkapitel. Keine Kultur in der DDR – das ist die regierungsoffiziöse Lesart und nicht die Idee eines privaten Ausstellungsmachers und seiner Sponsoren. Das wissen wir jetzt und jede Hoffnung auf Korrektur durch die Schirmherrin und Bundeskanzlerin oder das mitfinanzierende Innenministerium war vergeblich. Der Spuk bleibt so, wie er ist. Bis zum 14. Juni sichtbar in Berlin. Und dann? Wie wäre es mit einer neuen Ausstellung? Titel: 40 Jahre, 40 Werke. Eröffnen wir den „ästhetischen Zoo“, von dem im Katalog der jetzigen Ausstellung die Rede ist.

40 Jahre, 40 Werke. Welch eine schöne Gelegenheit für eine ­große Retrospektive! Museumsdirektoren und Galeristen aus Leipzig, Chemnitz, Berlin, Apolda, Dresden, Halle und anderen Städten könnten sich beteiligen, Kunstwissenschaftler aus dem ganzen Land. Vielleicht wäre die „Spinnerei in Leipzig“ ein geeigneter Ausstellungsort oder die Akademie der Künste in Berlin. Die Super Illu könnte 40 Tage jeweils ein Werk für ihre Millionenleserschaft vorstellen.

Möglicherweise gibt ja sogar das Innenministerium einen Zuschuss, um der Gerechtigkeit willen. Und vielleicht findet sich ein Sponsor, der auf die innere Einheit der Gesellschaft setzt.

Christoph Hein hat eigentlich in seinem Offenen Brief an die Bundesregierung die Einladung bereits ausgesprochen. „Wenn Sie Bilder zu sehen wünschen, die ‚eine Hommage an die Freiheit der Kunst sind‘, die wirklich staatsfern sind, deren Maler für ihre Überzeugung, dass die Kunst frei zu sein habe, tatsächlich lebten, litten und kämpften, dann könnte ich Ihnen ein paar Bilder und Skulpturen zeigen, die wirklich für diese Freiheit stehen, weil diese Künstler sich diese Freiheit täglich neu erobern mussten … ostdeutsche Künstler.“ Auch Hanno Rautenberg muss die Idee bewegt haben, als er am 30. April in der Zeit gefordert hat: „Fast nirgendwo werden die Bilder aus DDR-Tagen noch gezeigt. Selbst in Berlin stehen diese Kunstwerke zumeist im Depot. Zeigt sie uns endlich! Wir wollen sie sehen! Nur so können wir entscheiden, was in den Kanon gehört, ein Kanon aus West und Ost.“

Genau das sollte jetzt geplant werden. 40 Jahre, 40 Werke – gibt es Künstler, Museumsleute, Galeristen, Wissenschaftler, Kunstliebhaber, Sammler, die solch ein Unternehmen, eine Ausstellung zur West-Ost-Bewusstseinserweiterung, zustande brächten? Bitte melden!

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden