Eine Behörde ist eine Behörde ist eine Behörde. Möchte man meinen. Aber dann gibt es in unserem Land noch eine ganz besondere Behörde: das 100-Millionen-Euro-Institut zur Archivierung, Aufklärung und Aufarbeitung von geschätzten drei bis vier Millionen Akten aus der Hinterlassenschaft der DDR-Staatssicherheit. Die B-BEHÖRDE, großgeschrieben, nach ihrer derzeitigen Leiterin benannt, Marianne Birthler.
Diese B-BEHÖRDE setzt sich über alles hinweg, was wir als Bürgerinnen und Bürger sonst von einer Behörde verlangen: Auftragserfüllung, Transparenz, Glaubwürdigkeit. Als 2005 die Linkspartei in Fraktionsstärke in den Bundestag gewählt wird, erklärt die Behördenchefin medial großräumig sofort sieben der neuen Abgeordneten zu Stasi-Verdächtigen! Ein paar Tage später meint sie dann kleinlaut, sich irgendwie geirrt zu haben, es täte ihr leid. Die Story aber war in der Welt. Als sie exakt am Vorabend des 13. August 2007 "erstmalig und einmalig" das Dokument des Schießbefehls an einen Spezial-Grenzschützer wieder medial großräumig veröffentlicht, muss Birthler anschließend zugeben, dieser "Sensationsfund" war vor genau zehn (!) Jahren schon einmal von ihrer Behörde publiziert worden. Außerdem lag er seit Wochen der Behörde vor, musste aber wohl bis zu einem passenden mediengeeigneten Datum aufbewahrt werden. Handelt es sich bei dieser Behörde am Ende um ein Propaganda-Institut zum ewigen Selbsterhalt?
Wenn es um Nachfragen nach der Zahl "eigener" Stasi-Mitarbeiter in der B-BEHÖRDE geht, belügt die Regierung 1996 kalt das Parlament, und wenn im Mai dieses Jahres der Budnestagsausschuss für Kultur und Medien nach dieser Lüge fragt, kann sich Frau Birthler auch nicht erklären, wieso sie 2007 mehr Ex-Stasi-Leute beschäftigt als 1996 angegeben wurden, und wieso in all den Jahren seit 1996 nichts unternommen wurde, um die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren. Sie weiß es einfach nicht.
Vor wenigen Tagen ist nun in Auszügen ein Gutachten bekannt geworden, das die Erschließungsarbeit der Behörde analysiert hat. Zitat: "Die Erschließung ist jahrelang in die falsche Richtung vorgenommen worden ... Das System ist für seine Anwender kaum durchschaubar und daher nicht effektiv nutzbar." - Das erklärt kein verschworener Kafka-Liebhaber, sondern das Berliner Forschungsinstitut Facts Files, modern, cool, leistungsorientiert. Da arbeiten also über 1.000 Mitarbeiter für 100 Millionen Euro pro Jahr "in die falsche Richtung" und für ein System, das "kaum durchschaubar" ist.
Und was sagt die Behörde dazu? Sie bestätigt, dass externe Gutachter die Erschließung "für mangelhaft erklärt haben" und - jetzt kommt es! - "weist jedoch jede Kritik zurück."
Kafka forever. Eine besondere Behörde - über jeden Zweifel, jede Kritik erhaben. Wie lange wollen wir uns dieses Ding noch leisten? Um unmissverständlich festzuhalten: die Bundestagsfraktion der Linken ist selbstverständlich für eine fortgesetzte Aufarbeitung und vor allem dafür, dass alle Betroffenen weiterhin Akteneinsicht erhalten. Aber nicht mehr in dieser kafkaesken B-BEHÖRDE, die offenbar kaum zwischen politischer Instrumentalisierung und Archivarbeit unterscheiden kann, die mehr desinformiert als informiert und die Wahrheit immer nur dann einräumt, wenn sie von anderen ans Licht des Tages gebracht wurde. Das neue Gutachten zieht das Fazit "die Arbeit müsse entweder tiefgreifend umgebaut oder abgebrochen werden". Ich meine, einen "tiefgreifenden Umbau" kann und darf man dieser Behörde nicht überlassen, ihre ganze Betriebsgeschichte bisher lehrt, dass sie dazu nicht fähig ist.
Die Lösung des Problems? Sie ist schon oft vorgetragen, überlegt und benannt worden: Die zentralen Akten so schnell wie möglich ins Bundesarchiv, die regionalen Akten in die zuständigen Staatsarchive verbringen. Außerdem gehört die Verwaltung der Akten von ihrer Auswertung für Wissenschaft und politische Bildung getrennt. Eine Anpassung des Bundesarchivgesetzes macht das ohne Schwierigkeiten möglich - zum Vorteil der Nutzer. Die Vizepräsidentin des Bundesarchivs, Angelika Menn-Haritz, versicherte vor kurzem, für die Opfer der Ausspähung seien die Akten im Bundesarchiv "genauso frei einsehbar, wie sie es jetzt sind". Für die Forschung würden sie jedoch "wesentlich besser nutzbar sein".
Das wäre die Lösung. Die B-BEHÖRDE scheut sie natürlich wie der Teufel das Weihwasser und verheißt, dass damit das Ende der Aufklärung der DDR-Zeit gekommen sei. Die Frage ist, wie lange diese Drohungen noch wirken - nach allem, was wir mittlerweile über diese Behörde wissen.
Luc Jochimsen ist Publizistin und Bundestagsabgeordnete für Die Linke.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.