Die Joker warten auf Abruf

GREEN CARD Erst konnte es nicht schnell genug gehen, nun lassen sich die Unternehmen mit Einstellungen Zeit

An den langsam mahlenden Mühlen der Behörden kann es diesmal nicht liegen. Die Regularien sind einfach und seit langem bekannt, Anträge werden in der Regel innerhalb von zwei Tagen geprüft, noch nicht einmal ein spezifisches Formular ließ die Bundesanstalt für Arbeit drucken, um die Green Card auszustellen. Dazu dient das übliche Blatt zur Bewilligung einer Arbeitserlaubnis.

Dennoch sind in den ersten beiden Wochen lediglich 714 Green Cards vergeben worden, wobei die Zahl in der zweiten Woche auf die Hälfte gesunken ist (282 gegenüber 432). Mit der Prognose der Financial Times Deutschland, die 20.000 Green Cards werden in »kurzer Zeit« vergeben sein, hat die Realität wenig zu tun. An der Zahl interessierter IT-Fachleute liegt es nicht. 22.700 Erkundigungen hat es bisher gegeben, 8.000 Bewerber sind in einem von der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung eingerichteten Pool eingetragen.

Werner Marquis, Pressesprecher des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen (NRW) hält diese Entwicklung »nicht für dramatisch« und begründet die Rückläufigkeit mit einem Rückstau an Anträgen, der sich bis zum 1. August angehäuft hatte und in der ersten Augustwoche bearbeitet wurde. Jetzt dagegen beschäftigen neu eingehende Anträge die Behörden, wie auch Kuno Kaever vom Arbeitsamt Aachen bestätigt, der die erste Green Card ausgestellt hat. »Ver wundert« ist Marquis über die geringe Nachfrage von Unternehmerseite allerdings schon, hätte die doch im Frühjahr »eine erhitzte Standortdiskussion losgetreten und die schnelle unbürokratische Einführung für unabdingbar erklärt«. 30.000 Arbeitsplätze waren damals in der IT-Branche frei und mit deutschen Informatikern nicht zu besetzen. Dennoch hält Marquis eine »grundsätzliche Bewertung für verfrüht.«

Möglicherweise kommen in den nächsten Monaten vor allem dadurch Arbeitsverträge mit Nicht-EU-Bürgern zustande, dass Firmen im Ausland selber Arbeitskräfte anwerben. Solches Head-Hunting war Privatpersonen vor Einführung der Green Card nicht erlaubt, mit Inkrafttreten der neuen Regelung können Unternehmen jedoch Genehmigungen zur Anwerbung im EU-Ausland erteilt werden. Gerade große Konzerne werden nach Einschätzung von Marquis davon Gebrauch machen und ihre bereits bestehenden internationalen Kontakte und ihr Filialnetz nutzen, wogegen sie bis jetzt die Hilfe der Arbeitsämter nur wenig genutzt haben. In NRW gingen von den 164 Green Cards nur 39 (23,8 Prozent) an Betriebe mit mehr als 100 Mitarbeitern, 125 an kleinere Betriebe. Bundesweit sieht es ähnlich aus, wie Ingrid Kortmeyer-Pohl von der Bundesanstalt für Arbeit mitteilt: 69 Prozent der Green-Card-Inhaber sind in Firmen unter 100 Mitarbeitern eingestellt worden.

Dass es offensichtlich schwierig ist, in Deutschland IT-Spezialisten welcher Nationalität auch immer zu rekrutieren, dafür sprechen andere Zahlen: Nur 22 Prozent der Green-Card-Inhaber waren schon vorher (etwa als Studenten, siehe Interview) in Deutschland, alle anderen sind eingereist.

Vorsichtig müssen die Zahlen interpretiert werden, die sich auf die Verteilung der Green Cards auf die einzelnen Bundesländer beziehen. Die derzeitige Debatte über den Rechtsradikalismus in Deutschland verführt dazu, die minimale Nachfrage in den neuen Bundesländern (26 von 714 Bewilligungen) politisch zu erklären. Schaut man sich die Verteilung jedoch genauer an (20 in Sachsen, 3 in Brandenburg, 2 in Thüringen und keine in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg) und vergleicht sie mit den in allen Ländern vorhandenen Arbeitsplätzen in der IT-Branche, sind sie wenig spektakulär. Denn unter den 20 Städten mit dem größten Arbeitsmarkt-Angebot gibt es mit Dresden auf Platz 18 nur eine ostdeutsche Stadt. Angeführt wird die Liste von München (34.500 Arbeitsplätze und 166 Green Cards in Bayern), gefolgt von Frankfurt, Hamburg, Berlin, Stuttgart, Düsseldorf und Köln.

Warum die Nachfrage insgesamt weit hinter den von der Industrie geweckten Erwartungen zurückbleibt, kann solange »nicht beantwortet werden, bis die Bundesanstalt für Arbeit flächendeckende qualitative Analysen zur Green Card vorliegen hat«, wie Kortmeyer-Pohl betont. Und auch nicht, ob die ausländischen IT-Spezialisten der Industrie nicht qualifiziert genug oder einfach zu teuer sind.

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