Spanien als Vorreiter im Kampf gegen Gewalt an Frauen?

Kolumne Super Safe Space Jüngeren Medienberichten zufolge ist die spanische Regierung gerade Vorrreiter, was den Kampf gegen Femizide angeht. Stimmt das? Unsere Autorin fragt ihre spanischen Freundinnen
Ausgabe 02/2023
Sie sind laut: Feministische Demonstrant:innen bei Protesten gegen das Patriarchat am internationalen Frauentag
Sie sind laut: Feministische Demonstrant:innen bei Protesten gegen das Patriarchat am internationalen Frauentag

Foto: Imago/Zuma Wire

Als ich vor einigen Tagen in den deutschen Medien lese, Spanien sei Vorreiter, was Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt betrifft, bin ich skeptisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Freundinnen dort dies behaupten würden – umso weniger diejenigen, die feministische Arbeit in diesem Bereich leisten.

Ich erinnere mich, auch gelesen zu haben, dass die Zahlen der Femizide in Spanien – wie in Deutschland – seit Beginn der Coronapandemie steigen. Erst vor knapp einer Woche wurden binnen 24 Stunden vier Frauen getötet. Laut einer Befragung haben die Hälfte aller Spanierinnen eine Art von männlicher Gewalt erfahren.

Für diese Umfrage gab es einen traurigen Anlass: Am 17. Dezember vor 25 Jahren wurde Ana Orantes von ihrem Ex-Mann ermordet. Er goss Benzin über sie und zündete sie an.

Wenige Tage zuvor hatte die damals 60-Jährige in einer Fernsehsendung erzählt, wie er 40 Jahre lang sie und ihre Kinder geschlagen, gefoltert und missbraucht hatte. Die Polizei hatte Orantes Anzeigen ignoriert, ein Richter hatte sie gezwungen, im gleichen Haus mit dem Gewalttäter zu wohnen.

Die landesweiten Proteste von Frauen und die politischen Veränderungen, die der Fall auslöste, sollen laut den Medienberichten aus Spanien ein Vorbild gewesen sein. „Die Ministerin für Gleichstellung, Irene Montero, macht unermüdlich auf die Rechte von Frauen aufmerksam“, schreibt zum Beispiel der Tagesspiegel. Montero sehe bis zum Jahre 2025 eine staatliche Strategie über 260 Maßnahmen vor, von der Prävention bis zur Wiedergutmachung für die Opfer.

In der Gesellschaft existiere heute ein größeres Bewusstsein für das Thema. Meine Freundinnen sagen am Telefon, dass in Spanien trotzdem noch ganz viel getan und gelernt werden muss. Aber sie bestätigen auch, dass Irene Montero proaktiv und mutig agiert. Mit dem Gesetz „Nur Ja heißt Ja“ werden seit dem vergangenen Sommer auch sexuelle Handlungen, denen nicht ausdrücklich zugestimmt wurde, unter Strafe gestellt. Damit wurde die Ministerin für Gleichstellung umso mehr zum Ziel von Hasskampagnen konservativer wie rechter Parteien und der Opposition.

Dass vor allem junge und ältere Männer mit Präventionsaktionen angesprochen werden, überrascht mich, als ich die Internetseite des Gleichstellungsministeriums besuche. Mit dem Satz „Du bist Teil der Lösung“ endet zum Beispiel ein Video, in dem Männer auf einer Bühne aufzählen, was zu machistischer Gewalt gehört. „Wenn du und ich es nicht waren, wer dann?“, fragen sich andere Männer gegenseitig in #EntoncesQuién?, ein Video, das am 25. November, dem Tag gegen Gewalt gegen Frauen, veröffentlicht wurde. Während Mädchen lernen, nicht nachts alleine durch einen Park zu gehen, werden Jungen nicht dazu animiert, über ihr Verhalten zu reflektieren. Deshalb werden in Spanien ebenso Sensibilisierungskampagnen in Schulen durchgeführt.

Innerhalb feministischer Gruppen sei es jedoch umstritten, erzählen meine Freundinnen, ob Männer mit einbezogen werden sollten. Inwiefern helfe es, Männer zu erziehen? Und wäre das Geld nicht besser in Frauen und Flinta*-Strukturen aufgehoben?

Ich finde es eigentlich einen guten Ansatz, in der Prävention vor allem die Männer zu adressieren. Damit jede Form von Macho-Gewalt sichtbar wird. Meine Freundinnen bleiben nach wie vor skeptisch. Trotzdem wünschen wir uns, bevor wir auflegen, dass es besser wird. Und es tut gut, uns das zu versprechen.

Luciana Ferrando schreibt als freie Autorin am liebsten über feministische Themen sowie das Stadtleben in Berlin

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