Die rote Sonne

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Es ist Dienstag, und die Märkte haben kaum reagiert haben auf Monsieur Hollande, die (deutschen) Medien seit Sonntag geschlossen so getan, als habe es nie eine Ankündigung des inzwischen gewählten Präsidenten gegeben, eine Reichensteuer von 75% einzuführen. Zumindest ich habe nirgendwo irgendwas davon gehört oder gelesen. Dieses Schweigen zu einem doch bedenkenswerten Vorschlag, und dass sich gar niemand zu wundern scheint über dieses Schweigen, nannte ich in anderem Zusammenhang schon "die Schizophrenie unserer Gesellschaft", inzwischen gefällt mir der Begriff der "kognitiven Dissonanz" besser.

Was geschehen kann, wenn die ehernen ungeschriebenen Gesetze dieser "kognitiven Dissonanz" verletzt werden, erfuhr Ex-Ex-Bundespräsident Köhler, als er den Krieg Krieg nannte und bis zum Schluß nicht zu verstehen schien, was daraufhin mit ihm geschah.

Zuletzt, denn ein wenig gehört auch dieser mutwillige Versuch dazu, versuchte Günther Grass, sein Denken und Sprechen in Deckung zu bringen. Meist jedoch geschehen die Verletzungen des allen bekannten Geheimen aus Versehen.

Am 7.5.2012 gab Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs, dem Deutschlandradio ein Interview. Thema des Gesprächs waren die Wahlen in Frankreich und Griechenland, die Folgen für die Märkte, Chancen und Gefahren für Europa.

Das Ganze war eigentlich normale Radiokost, aber etwa in der Mitte geschah etwas, dass doch interessant war. Ich möchte auf diese eine Antwort des Herrn Straubhaars, seines Zeichens Ökonom, verweisen, das ganze Gespräch findet sich hier:

www.dradio.de/dlf/sendungen/wirtschaftundgesellschaft/1750107/

Zum Reinkommen, Straubhaar gibt die dieswöchige schwarz-gelbe Europadoktrin wieder, scheint noch Mühe zu haben mit dem neuen Sprech:

"Straubhaar: Ich denke, es darf doch nicht sein, dass die Politik sich nach den Börsenkursen ausrichtet, weil wir wissen alle, dass Börsenkurse ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgen, als es sozusagen rational handelnde Politikerinnen und Politiker tun, und von daher gesehen wäre das ein völlig falsches Signal, jetzt irgendwelche Rücksichtnahme auf Börsenentwicklungen oder Wechselkurse zu nehmen. Was die Politik tun muss ist, hier ganz klar das Signal geben, dass es nicht ein "entweder, oder" ist, also nicht entweder Sparen, oder Wachsen, sondern ein "sowohl als auch". Europa braucht in dieser kritischen Lage sicher beides: es braucht eine Wachstumsperspektive und einen Sparpakt."

Frau Becker möchte es genauer wissen, und da gerät dem Herrn Straubhaar offenbar durcheinander, was er weiß und denkt, und was er im Radio sagen sollte. Erst klingt er wirr, dann unterläuft ihm sein "Köhler'scher Versprecher".


"Becker: Wenn aber die Franzosen den Fiskalpakt nicht mehr ernst nehmen, oder einen Fiskalpakt light anstreben, wie sollten es dann Spanier und Italiener tun?

Straubhaar: Ganz genau, und deshalb, denke ich, ist es eine Frage der Zeit, dass nach den Wahlen zwar der neue französische Staatspräsident sicher in seiner Rhetorik weiterhin eher auf Wachstum setzen dürfte, aber dann doch im Hintergrund die Chance, die sich ihm ja auch bietet, gerade im Konzert mit Brüssel und Berlin eben das zu tun, was die französische Wirtschaft nötig hat, nämlich wettbewerbsfähiger zu werden, die französische Wirtschaft zu modernisieren und damit auch für andere Regierungen Südeuropas ganz klar das Signal zu geben, dass er nicht das tut, was sozusagen der einfachste Weg wäre, sondern dass er die Chance nutzt, genauso übrigens wie der rote Gerhard Schröder ja vor zehn Jahren die "Agenda 2010" als Sozialdemokrat auf den Weg gebracht hat und als Sozialdemokrat Deutschland modernisiert hat in einer Art und Weise, wie man es nicht erwartet hätte. Genau das ist auch die Chance für François Hollande, den Sozialisten, weil Sozialisten haben es einfacher, der Masse der Beschäftigten unangenehme Wahrheiten auch wirklich vermitteln zu können."

Die kursive Hervorhebung stammt von mir.

Mein erstes Blog im ganzen Leben :)

Ach ja, noch etwas, von dem ich nicht wissen kann, ob es mir gefällt oder gar nicht gefällt, weil ich seit spätestens Schröder, Clement, Steinbrück, -meyer nicht weiß, ob damit das eine oder sein Gegenteil gemeint sein soll:

"Europa braucht ein neues sozialdemokratisches Zeitalter."

stammt daher:

www.spiegel.de/politik/ausland/wahlsieg-von-hollande-europa-vor-neuem-sozialdemokratischen-zeitalter-a-831756.html

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Geschrieben von

luddisback

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