Rechts gegen die eigenen Interessen wählen

AfD und Gewerkschaften. Erschreckend viele Gewerkschaftsmitglieder wählten die AfD. Wie kann das sein?

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Der DGB-Einblick hat, wie immer nach einer Wahl, das Wahlverhalten von Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Wahlen veröffentlicht. Dabei ist mal wieder sehr auffällig wie viele Menschen eine Partei gewählt, die den Gewerkschaften-höflich ausgedrückt- äußerst kritisch bis absolut ablehnend gegenüberstehen. Die rechtsnationale AfD. Besonders erstaunlich wirkt, dass diese Partei unter Gewerkschaftsmitglieder mit 12,2 über den Bundesergebnis liegt (10,3%). Bei den Männern ist es sogar 14,6% zu 10,3%).

Das ist ein Trend, der seit Bestehen der AfD zu beobachten ist. Bei der Bundestagswahl 2017 war das Verhältnis 15% zu 12,6% Prozent. Zwar hat die AfD unter Gewerkschaftsmitglieder verloren, aber liegt aktuell eben immer noch zu 2017 über das Gesamtergebnis.

Wie kann es nur sein, dass Gewerkschaftsmitglieder Parteien wählen, die mit gewerkschaftlichen Interessen über Kreuz liegen. Dazu zählt im Prinzip auch die FDP. Die Ziele der Mitglieder dieser Partei liegt natürlich ebenfalls konträr zu Gewerkschaftsinteressen. Trotzdem soll an dieser Stelle eine demokratische Partei nicht in einem Atemzug mit einer rechtsradikalen Partei genannt werden. Deshalb lassen wir in diesem Artikel die FDP mal außen vor.

Allein das Steuerkonzept der AfD reicht fast aus, allen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vor Augen zu führen, dass die AfD die ökonomischen Interessen der bürgerlichen Oberschichten im Focus haben. Außerdem kann Rassismus und spalterische Haltungen keine Position unter Gewerkschaftsmitgliedern sein. Keine andere gesellschaftliche Gruppe hat so viel für die Integration über Jahrzehnte getan, wie die Arbeitnehmerschaft mit ihren Gewerkschaften.

AfD Wählerinnen und Wähler unter DGB Gewerkschaften möglicherweise höher als bekannt!

Nun gibt es DGB Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die immer wieder darauf hinweisen, dass die Erhebungen der Forschungsgruppe Wahlen ja den Beamtenbund mit einschließen. Und gerade im Beamtenbund wird eine große AfD Affinität vermutet und nicht wenige glauben dann im Rückschluss, dass die Werte rein unter DGB Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Wahrheit niedriger seien müssen.. Das glaube ich tatsächlich nicht. Denn schauen wir uns mal das Wahlverhalten aller Beamten in Deutschland an. Nur 6% wählten in dieser Gruppe die AfD. Ein anderer vermuteter Rückschluss kann deshalb auch ein anderer sein. Nämlich, dass der reine AfD Stimmenanteil unter DGB- Gewerkschaftsmitgliedern sogar noch höher liegen könnte, als der Querschnitt aller Gewerkschaften (u.a DGB und Beamtenbund) . Diese Vermutung nährt sich auch weiter daraus, dass fast 17% AFD Stimmen aus der der Arbeiterschaft kommen. Quelle - welt.de
Alles im allem erschütternd, auch für mich als Mitglied einer DGB Gewerkschaft.

Es gilt in der Analyse zu berücksichtigen, dass die AfD im Grunde zwei Parteien sind. Der extreme marktradikale, neoliberale Flügel um Meuthen und Weidel auf der einen und der ultra rechts-nationale Flügel um Herrn Höcke, die mit nationaler sozial Rhetorik auf Stimmenfang gehen. Es ist eigentlich völlig unklar, welche Rhetorik mehr Eindruck auf die wählenden Gewerkschaftsmitglieder machen. Die marktradikalen Gesichter um Weidel und Meuthen oder die Höcke Leute, die soziale Themen mit Nationalismus und Islamfeindlichkeit verbinden.

Nach dem Rückzug des Vorsitzenden Meuthen ist zu erwarten, dass sukzessiv der völkisch-nationale Flügel den konkurrierenden national-liberalen Teil dieser Partei verdrängen wird und die Gesamtpartei langfristig komplett dominieren wird. Deswegen ist die Antwort auf die Frage, welches AfD Politikmodell bei Gewerkschaftsmitgliedern mehr Eindruck erweckt nicht unerheblich. Darauf aufbauend müssen zukünftige Konzepte erarbeitet werden.

Darüber hinausgehend ergeben sich weitere Fragen:

- Was ist in der Aufklärung schief gelaufen, dass gerade die rechtsradikale AfD so viele DGB-Gewerkschaftsstimmen bekommen hat?

- Ist es aus Sicht der DGB Gewerkschaften nicht sinnvoll herauszufinden wie hoch der tatsächliche Stimmenanteil der genannten Parteien unter DGB Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind? Oder scheuen sich viele Personen auf der Funktionärsebene vor dem Ergebnis?

- Wird das Thema überhaupt als Problem wahrgenommen? - und welche Priorität wird diesen Thema gewidmet?

- Gibt es eine ausführliche Analyse über diese Thematik? Welche Strategien gab es bisher und wie haben sie gewirkt?

- Die offensichtliche Strategie, die AfD als antidemokratische Partei nicht im Parteiencheck, bzw gesondert zu berücksichtigen, war offensichtlich nicht vom Erfolg gekrönt. Welche Strategien befolgen die Gewerkschaften zukünftig diesen denkwürdigen Trend entgegenzusetzen?

- Und abschließend, auch als Gewerkschaftsmitglied gefragt: Wie überzeugen wir Kolleginnen und Kollegen davon, keine Parteien zu wählen, die die Interessen der abhängig Beschäftigten wenig Beachtung schenken, auch wenn sie es behaupten?


Ich kenne keine Antworten. Sie?

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Geschrieben von

Ludischbo

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