Es war mehr als ein diplomatischer Erfolg, den Ariel Sharon bei seinem jüngsten USA-Besuch verbuchen konnte - es war ein Triumph, denn kaum jemals ist ein US-Präsident einem israelischen Regierungschef soweit entgegen gekommen und hat Millionen von vertriebenen Palästinensern ihr Recht auf Rückkehr bestritten. Die unmittelbar nach diesem Schulterschluss stattgefundene Hinrichtung von Hamas-Chef Abdel as-Rantissi zeigt, wie unbelastet von allen Skrupeln Israel seine Rolle in der Weltpolitik daraufhin spielt. Die staatlich angeordnete Tötungsaktion führte jedermann vor Augen: Ariel Sharon will partout keinen Ausgleich mit den Palästinensern, er setzt - wie George Bush im Irak - auf Konfrontation. Weder das Völkerrecht noch sonst irgendeine Rechtsordnung legitimieren eine Regierung, Menschen gezielt zu töten. Noch nicht einmal das Recht auf Selbstverteidigung, das Sharon unablässig für Israel reklamiert, rechtfertigt Exekutionen, wie sie an Scheich Yassin und Abdel as-Rantissi vollzogen wurden. Im Unterschied dazu gibt es allerdings ein völkerrechtlich und naturrechtlich verbrieftes Recht auf Widerstand gegen die Besetzung eigenen Territoriums - das trifft für den Irak ebenso wie für Palästina zu.
Was Präsident George Bush dem Partner Sharon beim Washingtoner Gipfel zugestanden hat, lässt einmal mehr erkennen, wie es derzeit um das Selbstverständnis der Vereinigten Staaten im Nahostkonflikt tatsächlich bestellt ist, wenn deren Credo lautet: Wir waren und sind Partei Israels. Das Gerede vom "ehrlichen Makler" müsst ihr vergessen - es war ohnehin nur gedacht, um die politisch Einfältigen zu beschwichtigen. Spätestens seit dem Sechstagekrieg von Juni 1967 wusste jede US-Administration um die zentrale Rolle Israels als westlicher Brückenkopf im Herzen der arabischen Welt, deshalb wurde das Land massiv aufgerüstet und sein kolonialistisches Siedlungsprojekt mit US-Subventionen alimentiert.
Das Agreement zwischen Bush und Sharon verpasst nun vor allem den anderen Mitgliedern des sogenannten Nahost-Quartetts eine schallende Ohrfeige. Ihre Statistenrolle, die schon am 4. Juni 2003 mit der Präsentation der "Road Map" im jordanischen Aqaba durch Präsident Bush kaum zu übersehen war, könnte peinlicher und hoffnungsloser nicht sein. Auch wenn Außenminister Colin Powell wieder einmal den Part übernommen hat, die Weltöffentlichkeit mit der Beteuerung zu beschwichtigen, mitnichten seien die USA von ihrer bisherigen Position abgerückt - selbstredend gelte die "Road Map" nach wie vor. Außer dem deutschen Außenminister Fischer und dem CDU-Politiker Friedbert Pflüger nimmt ihm das keiner mehr ab.
Die EU konnte sich auf ihrem Außenministertreffen im irischen Tullamore wenigstens zu der (nicht sonderlich couragierten) Feststellung durchringen, die einseitigen Schritte der USA und Israels könnten eine Verhandlungslösung zwischen Israelis und Palästinensern nicht vorwegnehmen.
George Bush hat mit seiner Parteinahme für Ariel Sharon den Arabern im Allgemeinen wie den Palästinensern im Besonderen einmal mehr zu verstehen gegeben, was er von ihnen hält. Er hat Israel die Annexion großer Siedlungsräume in der Westbank bis "in alle Ewigkeit" zugestanden und die Palästinenser im gleichen Atemzug wissen lassen, ihr Recht auf Rückkehr in die einstigen Heimatgebiete, aus denen sie seit 1947/48 vertrieben wurden, sei nicht länger von Bestand. Es gelte bestenfalls für jene Gebiete, die einem möglichen Palästinenser-Staat zugeordnet wären. Damit wurde für null und nichtig erklärt, was seit über 50 Jahren in sämtlichen UN-Resolutionen zu diesem Thema geschrieben steht.
Bei den Gesprächen in Washington wurde im Übrigen auch der Weiterbau der israelischen Mauer im Westjordanland abgesegnet. Für George Bush ist die Waffenstillstandslinie - die sogenannte "Grüne Linie" von 1949 - "unrealistisch". Israel könne sich nicht mehr auf diese Grenze zurückziehen. Bushs Offerten an Sharon sind selbstredend auch als Hilfestellung gedacht, wenn das Zentralkomitee der Likud-Partei am 2. Mai über den Plan eines Abzugs aus dem Gaza-Streifen abstimmt. Sollte sich Sharon damit durchsetzen, sollten israelische Soldaten und Siedler dieses Gebiet tatsächlich verlassen, wird dort das größte Interniertenlager der Welt entstehen, dessen Grenzen zu Lande, zu Wasser und zur Luft von Israel bewacht werden. In diesem Gefängnis wird dann die Hamas das Sagen haben, es dürfte kaum willige Palästinenser geben, die sich in dieser übervölkerten Exklave als Vollstrecker israelischer Ordnungspolitik rekrutieren lassen.
Im Prinzip kann es sich unter all diesen Umständen kein palästinensischer Politiker mehr leisten, mit Israelis an einem Verhandlungstisch zu sitzen, will er nicht seine Glaubwürdigkeit im eigenen Lager einbüßen. Vieles spricht dafür, dass zumindest Ariel Sharon dieser Effekt nicht unlieb sein dürfte. Die Botschaft aus Washington ist eindeutig: Mit militärischer Gewalt wird in Palästina das Interesse des Stärkern durchgesetzt. Die US-Regierung erteilt diesem archaischen Prinzip ihre Absolution. Der arabischen Welt wird unmissverständlich mitgeteilt: Ihr seid zu zerstritten, ihr seid zu schwach, ihr seid zu demoralisiert, als dass ihr euch dem entgegen stellen könntet. Auch wenn das vom Kern her die Wahrheit trifft, könnte andererseits der Fall eintreten, dass Bush schon in aller nächster Zeit mit der EU und den Vereinten Nationen nicht nur Partner aus dem Nahost-Quartett, sondern vielleicht auch einige arabische Staaten dringend braucht, um das selbst verursachte Desaster im Irak einzudämmen.
Hält man sich an Aussagen Ariel Sharons aus seiner Autobiographie Der Krieger, so geht es für Israel vorrangig darum, im palästinensischen Bewusstsein ein Gefühl der Niederlage zu verankern. Die Palästinenser müssten ein ums andere Mal besiegt werden, schreibt Sharon, auf dass sich in ihnen die Überzeugung festige, niemals gewinnen zu können. Wer diese Vorstellungen zur Kenntnis nimmt, wird feststellen, dass die Verwüstungspolitik des israelischen Premiers, wie er sie nun schon seit Jahren verfolgt, nicht der Logik und Zielstrebigkeit entbehrt.
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