Der Krieger räumt das Feld

Ariel Sharon Er hinterlässt seinen Nachfolgern ein verunsichertes Land

An ihm scheiden sich die Geister. Ariel Sharon blieb stets ein "Warrior" - ein Krieger, wie er auch seine Autobiografie überschrieben hat. Immer ging es ihm dabei ums Überleben, um eine auf Dauer gesicherte Existenz Israels in Palästina. Er setzte fast ausschließlich auf Gewalt, oft gepaart mit Kühnheit und politischer Raffinesse. In seinen Warrior-Erinnerungen gab er zu verstehen, wie am besten mit den Palästinensern umzugehen sei: In deren Bewusstsein müsse man ein Gefühl der Niederlage verankern, auf dass sich die Überzeugung festsetze, niemals gewinnen zu können. Erst ganz zuletzt reifte in Sharon die Überzeugung, dass die Okkupation nicht nur den Besetzten schadet, sondern auch den Besatzer moralisch und politisch korrumpiert. Nach langem Zaudern wollte er die "Zwei-Staatenlösung" nicht mehr ausschließen.

Ariel Sharon hinterlässt seinem Nachfolger im Amt des Premiers ein zutiefst gespaltenes und verunsichertes Land. Dazu hat nicht zuletzt sein jäher persönlicher Wandel vom Spiritus rector der Siedlerbewegung zum Abbruchunternehmer derselben im Gaza-Streifen beigetragen. Auch was aus seiner Kadima-Partei wird, bleibt ungewiss. Sharon war ihr einziger Programmpunkt. Ohne ihn ist die Partei kaum noch die Hälfte wert. Ob sie die erhofften 40 Sitze bei den Knessetwahlen Ende März erringt, darf bezweifelt werden. In elf Wochen Wahlkampf kann viel passieren. Erinnert sei an den überraschenden Sieg Benjamin Netanyahus im Mai 1996 gegen Shimon Peres. Auch jetzt greift Netanyahu wieder nach der Macht, nicht zu vergessen Amir Peretz, der neu gewählte Vorsitzende der Arbeitspartei, ein rhetorisch brillanter Visionär. Doch Netanyahu und Peretz bedienen die Extreme der Gesellschaft - davon könnte Kadima profitieren, auch ohne Sharon.

Bei den Palästinensern empfindet Präsident Abbas den Abgang Sharons als schmerzlich, obwohl der ihn unverhohlen missachtet hat. Für den Mann auf der Straße in Ramallah oder Nablus ist Sharon ein "Kriegsverbrecher", der "Schlächter von Beirut", mitverantwortlich für das Massaker an palästinensischen Frauen und Kindern in Sabra und Shatila vom September 1982.

Mahmud Abbas war - wie auch Yassir Arafat - für Sharon kein Partner. Der Rückzug aus dem Gaza-Streifen im Vorjahr erfolgte unilateral. Die Autonomiebehörde war nur als Zaungast geduldet. Heute grassiert im "Reich" des Mahmud Abbas, das aus notdürftig verbundenen oder vollends isolierten Enklaven besteht, das Chaos, von staatlicher Autorität keine Spur. Die bevorstehenden Wahlen könnten daher der Hamas-Bewegung einen großen Erfolg bescheren. Nur wird jede palästinensische Regierung unwillkürlich zur Geisel der Umstände, die ihr jeden Spielraum nehmen. Seit Beginn des Friedensprozesses 1993 gab es viel Prozess, aber wenig Frieden. Die Lage hat sich immer nur noch mehr verschlechtert. Einen lebensfähigen Staat wird es für die Palästinenser auch unter einer neuen israelischen Regierung in absehbarer Zeit nicht geben.

Bliebe George Bush, er büßt mit Ariel Sharon einen treuen Partner im "Kampf gegen den Terrorismus" ein, der alles andere als ein gehorsamer Gefolgsmann war. Sharon übertraf Bush an politischer Klugheit um Längen. Er setzte seine Vorstellungen von einem einseitigen Gaza-Rückzug gegen die Direktiven der Road-Map durch, die vorzugsweise eine Schöpfung der US-Diplomatie war. Sind nun, mit dem Ende der Ära Sharon, auch weiterreichende Pläne auf Eis gelegt, die einen möglichen Angriff auf die iranischen Atomanlagen vorsehen und auf Israels Luftwaffe angewiesen sind? Und was geschieht mit jenem "Projekt", über das gerade Amnon Dankner, Chefredakteur von Maariv, berichtete, als er ein denkbares Arrangement zwischen den USA und Israel für die Westbank und den Gaza-Streifen beschrieb, sollte Mahmud Abbas endgültig scheitern? In diesem Fall, hieß es, könnten die USA zeitweilig die Autonomiegebiete übernehmen und weitere israelische Siedlungen evakuiert werden, während die "Mauer" die endgültige Grenze Israels markiere. Wer solche Pläne hegt, wird sie auch ohne Ariel Sharon weiter verfolgen.


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