Glaube

Bibelrunde Eric Laurent über George Bushs Fundamentalisten-Regierung

Nach dem Bestseller Die Kriege der Familie Bush hat Eric Laurent eine weitere Breitseite gegen das "System Bush" abgefeuert. Die neue und "gute" Welt der Ultrakonservativen, die der französische Journalist aufdeckt, erzeugt beim Leser eine Gänsehaut. Abgründe tun sich auf, wenn man die politischen Verbindungen, die Machen- und Seilschaften und die reaktionäre Ideologie vor Augen geführt bekommt, die diese Männerriege zusammenschweißt. Dass zu diesem verschworenen Klub auch die schwarze Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice gehört, ist die berühmte Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Vielleicht kann das eine oder andere als überzeichnet oder als verschwörungstheoretisch angehaucht abgetan werden, aber es bleibt dennoch viel skandalträchtiges.

Im Vergleich zur Regierung von George W. Bush waren die Vorgänger-Regierungen unter Ronald Reagan und George Bush sen. ein Ausbund von Liberalität. Die Administration von Bush jun. wird vom extrem rechten Flügel der Republikanischen Partei beherrscht. Und an ihrer Spitze steht ein "wiedergeborener Christ", dessen Ansichten über gesellschaftspolitische Fragen nur als extremistisch bezeichnet werden können. In ihm kreuzen sich christlicher Fundamentalismus und gesellschaftspolitisch reaktionäres Gedankengut. Seine Mannschaft hat geradezu ein "inzestuöses" Verhältnis zur Rüstungsindustrie und ist bereit, die gesamte Militärmacht der USA gegen seine "Feinde" einzusetzen. "Die wichtigsten Personen im Pentagon oder im Weißen Haus haben alle eine Vergangenheit, die mit dem militärisch-industriellen Komplex des Landes im Zusammenhang steht." David Frum, der Redenschreiber Bushs, beschreibt die Gedankenwelt von Bush jun. wie folgt: "Um Bushs Weißes Haus zu verstehen, müssen sie die Macht dieses Glaubens kennen." Es finden regelmäßig Bibelrunden statt, und vor jeder Kabinettssitzung muss reihum jemand ein Gebet sprechen. Im Angesicht des Überfalls auf den Irak ein besonderes makaberes Schauspiel.

Der Autor zeigt die Entwicklungswege der führenden Repräsentanten der Bush-Administration und die "Karriere" von Bush jun. auf. Der Einfluss der diversen christlichen "Starprediger", die sonntäglich ein Millionenpublikum erreichen, ist gravierend. Das Frappierende an der Bush-Regierung ist, dass sie von einer Koalition christlicher Fundamentalisten und jüdischer Interessenverbände intellektuell getragen wird, obwohl der größte Teil der christlichen Fundamentalisten antisemitische und antijüdische Ressentiments äußert. "Diese Christen unterstützen die Juden, um sie abschaffen zu können." Diese merkwürdige Allianz begann mit der Machtübernahme von Ministerpräsident Menachem Begin 1977 in Israel. Die beliebtesten Politiker bei der christlichen Rechten sind Benjamin Netanyahu und Ariel Sharon. Beide treffen bei ihren USA-Besuchen immer zuerst diese Gruppen, auf deren Unterstützung Verlass ist. Ebenso wie auf Tom De Lay, den Chef der Republikaner im Abgeordnetenhaus, der ein fundamentalistischer Christ ist und alles rechtfertigt, was die israelische Regierung tut.

Wer die Ausführungen von Laurent gelesen hat, wird sich über die anmaßende Rede von Präsident Bush vom 8. September 2003, in der er die Staatenwelt in die Pflicht nimmt, nicht wundern. Bush und seine Regierung haben durch den Überfall auf den Irak das Land erst zum Tummelplatz des internationalen Terrorismus gemacht. Was aber jeden Demokraten zutiefst beunruhigen muss, ist, dass die Mannschaft, welche die USA regieren, durch eine Loyalität, ja Korpsgeist zusammengeschweißt wird, mit denen Ethik und Moral auf der Strecke bleiben. "Ehrlichkeit und Anständigkeit sind heute Tugenden, die in den Hintergrund gedrängt werden. Es zählt allein die Loyalität." Das Bild, das der Autor von Männern wie Perle, Feith, Wolfowitz, Abrams, Cheney, Rumsfeld entwirft, ist von Skrupel- und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet. Diese "Bushies" unterwandern nicht nur die amerikanische Demokratie, sondern unterminieren auch die sogenannten westlichen Werte, für welche die Weltgemeinschaft aufgefordert wird, in die Bresche zu springen. Wenn heute in der Bundesrepublik vor "Antiamerikanismus" gewarnt wird und Loyalität gegenüber dem "großen Bruder" angemahnt wird, sollte man zuerst dieses Buch lesen, damit jedem klar wird, für welche Ideologie man in die Pflicht genommen werden soll.

Eric Laurent: Die neue Welt des George W. Bush. Die Machtergreifung der Ultrakonservativen im Weißen Haus. Aus dem Französischen von Karin Balzer, Karola Bartsch, Ulrike Bischoff und Udo Rennert, S. Fischer, Frankfurt am Main 2003, 224 S., 16,90 EUR

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