Kiffen für die Freiheit

Marihuana Bewegt sich bald was bei der Legalisierung von Cannabis? Die grünen Polit-Stars von morgen rauchen vor dem Gesundheitsministerium schonmal demonstrativ einen Joint

Polizeiautos rauschen vorbei, aber die fünf Mitglieder der Grünen Jugend ziehen gelassen an ihrem Gemeinschafts-Joint. Vor dem Gesundheitsministerium in Berlin-Mitte haben sie zum öffentlichen Kiffen gegen die Kriminalisierung von Cannabis geladen. „Wir wollen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler, zeigen, dass Gras harmloser ist als Alkohol“, sagt Theresa Kalmer, Sprecherin der Grünen Jugend. Mortler aber lässt sich heute trotz Einladung nicht blicken, sie ist im Bundestag. Dafür diskutiert ihr Sprecher Andreas Deffner mit den jungen Menschen.

„Wir möchten die gesundheitlichen Folgen von Cannabis nicht kleinreden“, erklärt ihm Kalmer, „aber durch die Kriminalisierung konsumieren die Leute gestreckte, teils gefährliche Substanzen. Der Konsum ist so kaum kontrollierbar.“ Nur durch Legalisierung seien Drogenprobleme überhaupt in den Griff zu bekommen. Deffner hält dagegen: „Eine Legalisierung würde suggerieren, die Droge sei nicht gefährlich. Das wäre ein völlig falsches Signal und ein gesellschaftliches Experiment mit unklarem Ausgang.“ Den 70 Seiten langen Gesetzesentwurf der Grünen, den diese vor zwei Monaten im Bundestag eingebracht haben, hält er für ein „Bürokratiemonster“. Der Entwurf schlägt vor, den Anbau, den Verkauf und den Besitz von Cannabis zu erlauben. Die Droge soll demnach in speziellen Geschäften von Fachpersonal verkauft werden.

10 Monate ist es her, dass Cem Özdemir unfreiwillig eine Debatte über Sinn und Unsinn drogenpolitischer Gesetze auslöste. Als er sich letztes Jahr wie viele Prominente aus Solidarität mit ALS-Kranken einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf schüttete, gedieh im Hintergrund auf seinem Balkon eine prächtige Hanfpflanze. Nun flammt die Debatte wieder auf. Am Samstag gingen 300 Berliner für eine Legalisierung auf die Straße, am Sonntag stimmte die FDP auf ihrem Berliner Parteitag für die Legalisierung von Cannabis. Der SPD-Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Christian Hanke, bezeichnete das Cannabis-Verbot als „gescheitert“. Und sogar der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, sprach sich kürzlich zusammen mit dem Grünen Dieter Janecek für einen „staatlich regulierten Markt für die Droge als Genussmittel“ aus.

Bewegt sich bald rechtlich etwas für Kiffer? Immerhin will die Bundesregierung den medizinischen Konsum von Cannabis für Schmerzpatienten erleichtern und dafür sorgen, dass die Kosten dafür künftig von den Krankenkassen erstattet werden. Ein entsprechendes Gesetz will sie noch in diesem Jahr beschließen.

Patienten mit Krankheiten wie Krebs, MS oder ALS kann Cannabis mit vergleichsweise geringen Nebenwirkungen Schmerzlinderung verschaffen. Um die Droge medizinisch einnehmen zu dürfen, müssen die Patienten bislang nachweisen, dass ihnen kein anderer Wirkstoff helfen kann.

Gelingt ihnen das, müssen sie die teuren Präparate in Apotheken auf eigene Kosten erwerben. Patienten, die eigene Hanfpflanzen züchten, bewegen sich in einer Grauzone. Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln erlaubte drei Betroffenen letztes Jahr den Eigenanbau, da sie sich die Medikamente nicht leisten konnten. Allerdings ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Berufung gegen das Urteil gegangen, die Entscheidung ist damit nicht rechtskräftig.

Das geplante Gesetz könnte dem Urteil der höheren Instanz zuvorkommen. Die Regelung zum nicht-medizinischen Gebrauch will Mortler aber nicht antasten. „Die Probleme würden durch eine Legalisierung nur noch größer werden“, argumentiert ihr Pressesprecher. „Der Schwarzmarkt würde auch so nicht ganz ausgetrocknet. Zudem kämen Minderjährige noch leichter an die Substanz.“ Die fünf jungen Grünen runzeln die Stirn. Ob er die Statistiken kenne, nach denen die Zahl der KonsumentInnen in den Niederlanden nach der Legalisierung keinesfalls gestiegen sei? „Die kenne ich, aber ich kenne auch andere Statistiken, die erhebliche Gesundheitsrisiken offenbaren“, sagt Deffner.

Anbau, Kauf und Verkauf von Cannabis sind in Deutschland verboten, KonsumentInnen dürfen aber eine bestimmte Toleranzmenge mit sich tragen, ohne strafrechtlich belangt zu werden. In den meisten Bundesländern liegt sie bei sechs Gramm, in Berlin bei zehn – außer im Görlitzer Park, einem Kreuzberger Drogen-Umschlagplatz, wo der Bezirk momentan mit einer „Null-Toleranz-Politik“ experimentiert.

Zwischen den jungen Grünen und der CSU ist mit der Kiff-Aktion zumindest eine winzige Annäherung gemacht. Kalmer lädt Deffner zum Abschluss ein, in Kontakt zu bleiben und weiter über das Thema zu diskutieren. Am Joint ziehen wollte der Pressesprecher allerdings nicht.

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