Über die Ethische Pflicht, lange Texte zu lesen

21. Jahrhundert Das Informations- und Digitalzeitalter fordert von als Individuen und Gesellschaft, die Fähigkeit, lange, schriftliche Texte lesen zu können, zu kultivieren.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Wir leben im Zeitalter der digitalen Informationsdemokratisierung. Das bedeutet zum einen, dass die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft unter 50 Jahren heute Nachrichten und Informationen über visuell-digitale Wege konsumiert[1]. Das ist verständlich, weil es so bequem ist, diese Informationsstückchen jederzeit verfügbar auf unseren Smartphones zu haben. Wir schauen also kurze Videos auf Instagram, kleine Meinungsschnipsel auf Twitter und Videos zu politischen Themen auf Youtube. Sogar die klassischen Medien, auch die öffentlich-rechtlichen in Deutschland, sind etwa auf Instagram oder Facebook präsent; sie haben sogar zusätzliche Formate für diese Plattformen entwickelt. Auch ihre eigenen Apps vermitteln Informationen als Bilder, die mit Schlagzeilen unterlegt sind, also im gerade populären Reel-Format. Zweitens meint der Eingangssatz, dass Informationsverbreitung heutzutage potentiell von jedem zu jedem Menschen vor sich geht. Als Bild für diesen Zustand bietet sich ein digital-anarchischer Marktplatz an, auf dem jeder, der nur möchte, seine Information und Meinung dazu für jeden Marktplatzbesucher, um Aufmerksamkeit buhlend, herausschreit.

Ich glaube, dass diese Art des Informationskonsums individuell und gesellschaftlich langfristig Schaden anrichtet, indem sie unsere Fähigkeit, mit Informationen angemessen umzugehen (sie bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit einzuschätzen, abzuwägen, einzuordnen) systematisch verschlechtert. Für sich selbst und für andere, also aus Gründen des Selbst- sowie des Demokratieschutzes, gibt es meiner Einschätzung zufolge eine ethische Verpflichtung, lange schriftliche Texte lesen zu können, und sich vom Geschehen auf dem Marktplatz abzugrenzen. Diese für das 21. Jahrhundert so wichtige Fähigkeit zu kultivieren ist zugegebenermaßen schwierig, aber aus vielerlei strukturellen Gründen besonders vorteilhaft.

Was ist das wichtigste Argument für meine Überzeugung? Es ist ein strukturelles: Wenn wir uns dafür entscheiden, lange Texte zu Themen zu lesen, dann gewinnen wir beinah automatisch einen redaktionellen Filter. Wer etwa zum aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine tiefergehende Hintergründe, auf die er sich verlassen kann, finden möchte, kommt fast nicht darum herum, eine Tages- oder Wochenzeitung zu lesen. Das ist der Fall, weil in kurzen Schlagworten etwa einer Nachrichten-App oder der Twitteraktivität zu dem Thema die Oberfläche eines Themas nicht durchbrochen werden kann. So ist es der Fall, dass lange Texte meist auch schriftlicher Natur sind. Tages- und Wochenzeitungen sowie öffentlich-rechtliche Medien – insgesamt das, was man Legacy-Medien nennt – bringen allesamt automatisch einen redaktionellen Filter mit. Dieser Filter hat (zurecht) einen monetären Preis. Zudem wird einem meist ein langer Text zugemutet. Teilweise gibt es alternativ zur Textform auch öffentlich-rechtliche Formate im Fernsehen, diese haben aber auch den redaktionellen Filter. Es ist bedeutend anstrengender, sich diese Texte aufmerksam zu Gemüte zu führen, als halbabgelenkt ein kurzes Video zu schauen. Für diese Kosten bekommt man aber etwas: Neben der inhaltlichen Qualität auch eine Charakterschulung.

Warum aber ist der redaktionelle Filter nun so wichtig? Hauptsächlich, weil die Welt und die Geschehnisse darin extrem komplex sind. Es gibt beinah eine unendliche Anzahl an Dingen, die man potentiell wissen kann, die vielfach miteinander verflochten sind. Das war natürlich auch in Zeiten geringerer Medienvielfalt schon der Fall. Aber zusätzlich stehen uns heutzutage von dieser Menge an Dingen eine immer weiter zunehmende Anzahl als Informationen zur Verfügung, häufig ohne die mittel- oder unmittelbaren Zusammenhänge. Wir konsumieren im Vergleich zu vorherigen Generationen das Vielfache an Informationen. Die Verarbeitung von derartigen Datenmengen ist nicht das Problem. Es ist aber schwierig bis unmöglich – selbst als überdurchschnittlich intelligenter, gebildeter Mensch – sich allein in dieser schieren Menge zurechtzufinden, auch wenn wir uns das in unserem Hochmut manchmal einbilden. Man kann sich nun einmal nicht den ganzen Tag mit Faktenchecks oder tieferen Recherchen beschäftigen. Journalisten jedoch haben genau diesen Job. Daraus folgt der unschätzbare Wert eines redaktionellen Filters: Vorab wird sortiert, welche Informationen wichtig sind. So wird die Menge der Daten dramatisch reduziert, und nicht nur das: auch komprimiert, also zusammengefasst und verdichtet. Es ist überheblich, zu glauben, man könne sich so einfach selbst in der anarchischen Digitalwelt zurechtfinden. Das können vielleicht einige wenige, besonders informierte, emotional gefestigte und intelligente Individuen. Wer aber nicht all seine Zeit in die Überprüfung und Kontextualisierung von Informationen stecken will, ist gut beraten, sich eines redaktionellen Filters zu bedienen. Das ist, nebenbei bemerkt, auch der beste Schutz gegen den Konsum falscher oder tendenziöser Informationen (Fake News) oder abwegiger Meinungen, durch die man leichter als man landläufig so meint in extremistische Richtungen abrutschen kann.

Der redaktionelle Filter hat viele weitere Vorteile. Zwei davon möchte ich noch explizit erläutern. Erstens, und das habe ich eben bereits nebenbei erwähnt, gewinnt man nebenbei auch inhaltliche Tiefe durch lange Texte mit redaktionellem Filter, besonders bei Wochenzeitungen oder Magazinen. Wen ein Thema in seiner Tiefe interessiert, benötigt, wenn er seiner Neugier wirklich Befriedigung verschaffen möchte, also die Fähigkeit, längere Texte zu lesen – denn nur in diesen gibt es in ihrer Ausführlichkeit, Verlässlichkeit diese Hintergrundinformationen und -einschätzungen. Da müssen durchaus einmal 20-30 Minuten investiert werden, will man aufmerksam einen längeren, lange recherchierten Beitrag lesen, etwa ein Dossier in der Wochenzeitung Die ZEIT. Ich möchte erwähnen, dass es etwa auf Youtube ebenfalls Videos von privaten „Journalisten“ gibt, die den Anschein erwecken, ähnlich tiefgründige Hintergrundinformationen zu verbreiten. Diesen fehlt aber beinah immer der redaktionelle Hintergrund und damit Filter. Zudem sind sie häufig mehr politische Aktivisten denn neutrale Journalisten. Auf jeden Fall ist die Motivation der Personen schwierig sicher festzustellen.

Zweitens hilft der redaktionelle Filter, den Unterschied zwischen Information und Meinung aufrechtzuerhalten – wenn das Medium seine Arbeit gut macht. Das ist aber tendenziell der Fall, je länger (und anspruchsvoller) die Texte sind. Ein weiterer Anreiz dafür, diesen Unterschied klarzumachen, besteht darin, dass Legacy-Medien mit ihrem Namen für ihre Veröffentlichungen gerade stehen – die journalistische Qualität durch Meinungsmache zu beschädigen oder einfach mal so irgendetwas zu behaupten ist folglich langfristig von Schaden, und nicht Nutzen. Ein Nebeneffekt davon, sich des Unterschiedes zwischen Meinung und Information bewusst zu sein, ist, dass ein angemessener emotionaler Abstand zur betreffenden Nachricht aufrechterhalten werden kann. Dieser Punkt berührt den zweiten großen Vorteil langer Texte.

Beim Konsum langer Texte ist es nämlich bedeutend einfacher, ein gutes Verhältnis zu den konsumierten Informationen und Geschehnissen zu bewahren. Wer kennt das nicht? Ein Thema, das uns persönlich besonders interessiert, kann bei übermäßiger Beschäftigung damit – also dem Konsum von zu viel Nachrichten, Einschätzungen und Meinungen – schnell dazu führen, dass der innere Abstand zum Thema schrumpft oder ganz verschwindet. So kann ein politisches oder kulturelles Ereignis starken emotionalen Einfluss auf unser Wohlbefinden nehmen. Wer hat etwa bei der vergangenen US-Wahl Stunde um Stunde vor dem Bildschirm verbracht, mitfiebernd, ob die Swing-States nun an Trump oder Biden gehen; und in den folgenden Tagen, ob Trump seine Wahlniederlage eingestehen wird? Wer hat in den vergangenen Wochen zu Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine die ständigen Meldungen und Bildern von Kriegsverlauf und -verbrechen verfolgt? Wer hat schon einmal bemerkt, wie der innere Abstand zu schrecklichen Geschehnissen schwand?

Es ist normal, dass uns Ereignisse dieser Welt auch emotional anfassen. Das müssen sie sogar, damit wir uns für die Welt interessieren. Aber zwei Dinge haben sich entscheidend geändert: Heutzutage erleben wir beinah jedes Ereignis auf der Welt (nahezu) live mit – wir konsumieren die Information quasi ungefiltert, ohne zeitlichen Abstand und ohne Einordnung. Dazu kommt, dass wir diese Ereignisse bilderbasiert miterleben. Dieser Punkt hat besonders Gewicht: Bilder haben nämlich im Vergleich zu Texten ein enorm viel größeres Potenzial, uns emotional zu vereinnahmen. So sind wir Menschen (biologisch) gestrickt: Personen, die sich uns bildlich (meist physisch) gegenüber befinden, haben zu recht Priorität gegenüber Personen (und Ereignissen), von denen uns andere erzählen, und noch mehr gegenüber den Menschen (und Ereignissen), von denen wir lesen. Es macht einen Unterschied, ob wir mit einigen Tagen Zeitverzug einen Zeitungsartikel über Kriegsverbrechen in Butscha oder bei Mariupol lesen, oder ob die gerade aufgenommenen Bilder instantan in unserem Twitter-Feed auftauchen – und uns damit eine nicht enden wollende Flut von Bildern und Videos von verkrümmt daliegenden, getöteten oder gar geschändeten Männern, Frauen und Kindern, die in Hinterhöfen oder hinter zerschossenen Autos vergebens Zuflucht suchten, in den Bann zieht. Ja, es ist gut, wenn uns (schreckliche) Ereignisse auf der Welt beschäftigen. Dennoch, würden wir all diese Geschehnisse auf die beschrieben Weise verfolgen, und das ist der zweite Punkt, miterleben – statt davon mit etwas Abstand zu lesen –, wäre unsere Kapazität, diese zu verarbeiten, hoffnungslos überfordert. Doch genau das geschieht. Als Folge davon bleiben wir entweder emotional überfordert und von der Grausamkeit der Welt angeekelt zurück, schauen aber weiter hin; oder ziehen uns vom Nachrichtengeschehen ganz zurück, wenn wir spüren, dass eine Grenze überschritten ist. Als Nebeneffekt davon kann auch das wichtige Interesse und die emotionale Kapazität für die Ereignisse und Menschen, mit denen wir täglich umgeben sind und mit denen wir leben, auf der Strecke bleiben. Lange Texte zu lesen, statt kurze Bilder und Videos zu konsumieren, ist also auch aus dem Motiv des Selbstschutzes eine gute Idee.

Ein zweiter Aspekt des Selbstschutzes, den lange Texte mit sich bringen, ist das Training unserer Aufmerksamkeitsspanne. Konzentriert und aufmerksam einen längeren Text lesen zu können, ist langfristig eine der wichtigsten Fähigkeiten, die wir uns in diesem digitalen Informationszeitalter aufbauen und bewahren können. Der Grund, warum neulich ein guter Freund zu mir sagte, er könne es nicht über sich bringen, einen langen Text zu lesen – obwohl er so gern die Vorteile der Informationen und Einschätzungen darin genießen würde – ist, dass er, wie so viele von uns, jahrelang (freiwillig) wenig bis keine längeren Texte mehr gelesen hat. Dabei ist er noch Teil einer Generation, die nicht völlig umgeben von digitaler Technologie aufgewachsen ist. Kommende Generation aber werden möglicherweise niemals in ihrem Leben einen längeren Text mit etwas komplizierteren Gedankengängen geschweige denn ein ganzes Buch gelesen haben. Beides ist Folge der „Übung“, immer kürzere und immer mehr Informations-Stückchen konsumiert zu haben. Diesen Trend gibt es nicht nur im Bereich von Nachrichten und Journalismus. Auch Spielfilme und Videos aller Art sind heutzutage, wollen sie nicht als langweilig wahrgenommen werden, schneller geschnitten als je zuvor. Wir trainieren uns als Gesellschaft kollektiv darauf, nur noch Aufmerksamkeitsspannen von wenigen Sekunden aufrechterhalten zu können[2].

Das ist individuell und gesellschaftlich ein massives Problem. Wie bereits erläutert sind lange, oft schriftliche Texte auch in der Zukunft einer der wenigen, vielleicht der einzige wirklich sichere Weg, akkurate, detaillierte und ausgewogen kontextualisierte Informationen zu bekommen. Dieser Trend wird sich im Verlauf des 21. Jahrhunderts vermutlich noch verstärken. Bereits heute ist das Internet der Ort, wo Informationsverbreitung an sich beinah absolut demokratisiert wurde, auch im Bereich des Journalismus. Jede Person kann jederzeit beinah jeder anderen Person und einer (Teil-)Öffentlichkeit mitteilen, was ihr gerade so in den Sinn kommt. Das hat auch viele Vorteile – um die geht es hier aber nicht. Der große Nachteil dieses Trends wird deutlich, wenn wir uns vorstellen, dass wir uns als Konsumenten der Informationen, bildlich gesprochen, auf einem anarchischen Marktplatz befinden. Auf diesem werden uns aus einem Dutzend Richtungen gleichzeitig irgendwelche Meinungen ins Ohr geschrien, wobei sich die Marktschreier, deren Hintergrund und Gesinnung sich schwer festmachen lassen, gegenseitig in der Lautstärke (durch Emotionalisierung und Dramatisierung) zu überbieten versuchen. An dieser Situation wird sich aller Voraussicht nach kurz und langfristig nichts ändern. Das Internet, wird es frei bleiben sollen, kann bezüglich ungehinderter Informations- und Meinungsverbreitung nicht (wirklich) reguliert werden, noch sollte es das in der dem Problem angemessenen Dramatik. Wer heute lebt und noch einige Jahrzehnte Lebenszeit vor sich hat, ist also gut beraten, die Fähigkeit zu entwickeln, den kostenfreien Marktplatz ab und zu absichtlich zu verlassen, oder vielleicht generell wenig zu betreten. Stattdessen kann man auf einer Nebenstraße bei einem professionellen journalistischen Medium ein klein wenig Geld dafür bezahlen, einen langen, Aufmerksamkeit fordernden Text lesen zu dürfen. Für die eigene emotionale Stabilität, aber auch einfach für die richtige Einschätzung von allerlei Ereignissen (und die daraus folgende Navigationsfähigkeit in der Welt) ist das eine der wichtigsten Fähigkeiten des 21. Jahrhunderts.

Der dritte und hier letzte Vorteil langer, schriftlicher Texte gegenüber kurzen Video- und Bildschnipseln, obwohl es viele weitere gibt, ist folgender: In Textform sind wir Menschen bedeutend klüger als in unserer Sprache. Dieser bemerkenswerte Unterschied zwischen Sprache und Schrift wird deutlich, wenn man darauf achtet, wie absurd wir reden. Jeder, der schon einmal ein Interview oder Ähnliches in Schriftsprache transkribiert hat, hat mit Erstaunen festgestellt, dass absolut niemand grammatikalisch korrekt spricht. Man könnte auch flapsig sagen: Unsere gesprochenen Aussagen, auch die sehr kluger Menschen, erscheinen uns, wenn man sie eins zu eins aufschreibt, als ausgesprochen unintelligent. Hier kann von logischer Konsistenz oder argumentativer Stringenz keine Rede sein. Ein Beispiel, das die Kehrseite dessen deutlich macht, sind wissenschaftliche Texte oder Erörterungen welcher Art auch immer, die strenge Argumentationsstrukturen aufweisen. Nur in schriftlicher Form sind wir überhaupt in der Lage, solche dort vorkommende Sätze, aber vor allem die inhaltlichen Zusammenhänge, zu formulieren; auch, weil unser Gehirn nicht in der Lage ist, solch‘ komplexe Argumentationszusammenhänge auf einmal zu repräsentieren. Die Schrift also ermöglicht solch höchst komplexe wissenschaftliche Erkenntnis überhaupt erst. In schriftlicher Form haben wir auch ein besseres Auge dafür, wenn irgendein Widerspruch oder eine Ungenauigkeit vorliegt.

Wer lange, schriftliche Texte liest, der konsumiert folglich höherwertiges Material und liest von klügeren Ideen und Argumenten. Außerdem trainiert derjenige sich zudem darin, solche Argumentationsmuster nachzuvollziehen, also selbst auf diese Weise zu denken. Ist uns die Qualität dessen, was wir konsumieren, wichtig, und unsere Fähigkeit, qualitativ hochwertiges Material noch nachvollziehen und selbst produzieren zu können? Dann sollten wir lange, schriftliche Texte lesen (lernen sowie lesen können).

Unter den vielen weiteren Vorteilen langer Texte, die ich hier nur am Rand erwähnen will, finden sich unter anderem folgende: Sie trainieren Disziplin und Geduld. Sie bieten dringend benötigte Pausen von digitalen Geräten. Sie stärken unseren Realweltbezug. Sie fördern unser Selbstwirksamkeitsgefühl und Glück, indem wir erleben, etwas Schwieriges, wie diesen Text zu lesen, bewältigen zu können. Sie fördern unsere Abgrenzungsfähigkeit.

Wie stellt sich die Gesamtsituation also dar? Lange, schriftliche Texte sind schwierig zu lesen. Sie haben zudem die Hürde, dass sie hinter Bezahlschranken versteckt sind. Man muss folglich wirklich wollen, sie zu lesen. Wie so viele Dinge, die schwierig sind und ein Opfer erfordern, ist auch dies aber ein gutes, bedeutsames Unterfangen. Der Aufwand lohnt sich, diese Hürden zu überwinden, denn mit ihnen kann man sich selbst und die Gesellschaft besonders schützen. Wer im 21. Jahrhundert einigermaßen sicher wissen will, was passiert, und einschätzen können will, was diese Ereignisse bedeuten, sollte die Fähigkeit, lange Texte zu lesen, kultivieren. Wer im Chaos auf dem Internetmarktplatz der Meinungen eine Chance auf einen Überblick behalten möchte, sollte lange Texte lesen und sich nur ab und an auf dem Marktplatz umhorchen. Und wer weniger bestimmt durch Nachrichtenzyklen und mit mehr Kapazität für die Menschen und das Leben in unmittelbarer Nähe leben möchte, sollte ebenfalls lange, schriftliche Texte den kurzen Videoschnipseln und Schlagzeilen der digitalen Welt vorziehen.

Kurzum – mit einem Augenzwinkern: „Wir haben eine ethische Verpflichtung für uns und andere, lange, schriftliche Texte zu lesen.“

[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1250144/umfrage/nachrichtennutzung-online-vs-offline-nach-alter/ (Abrufdatum: 13.05.2022)

[2] https://www.theguardian.com/society/2019/apr/16/got-a-minute-global-attention-span-is-narrowing-study-reveals (Abrufdatum: 13.05.2022)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukas Fiege

Attempto. Ich lerne, zu schreiben. Themen: Philosophie, Politik, Zeitgeist.

Lukas Fiege

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden