Rückstand durch Technik

Komplexe Greg Mottolas Actionkomödie „Die Jones – Spione von nebenan“ zeigt krisenhafte Männer. Und keine Kompensation
Ausgabe 12/2017

Der Vorspann zeigt mehrere Spalten diskontinuierlichen Zeichensalat: simulierter Programmiercode, aus dem der Filmtitel herauspräpariert wird. Schon in den 1990ern hätte das kaum unter Avantgardeverdacht gestanden. Heute wirkt es angestaubt, solange es nicht als Retrogeste gesetzt wird. Von solchen Ambitionen ist Die Jones – Spione von nebenan weit entfernt. Der aktuellen Technik und den dazugehörigen Diskursen hinkt Greg Mottolas Actionkomödie unironisch hinterher – was in einem Film, der von Industriespionage handelt und seinen an James- Bond-Routinen entlang konstruierten Plot durch Überwachungstechnologie vorantreibt, fast penetrant ins Auge springt.

Kurzum: Die Jones – Spione von nebenan ist kein besonders cooler Film. Passenderweise arbeitet die Hauptfigur Jeff Gaffney (Zach Galifianakis) nicht für ein smartes Big-Data-Start-up, sondern bei einem altmodischen Hardware-Produzenten – der statt IBM den Namen MBI trägt. Das ist das Level an Originalität, auf dem das Drehbuch operiert. Und auch den Dialogen fehlt es, wenn wir schon beim Mäkeln sind, zumeist an Biss oder auch nur am Willen zur echten Obszönität – ab und an nimmt der von seinem amerikanischen PG-13-Rating sichtlich gehemmte Film allen Mut für einen halbwegs komischen Anus- oder Schamlippenwitz zusammen; aber ausgerechnet eine von Anfang an lahme Pissoir-Pointe wird in gefühlt Dutzenden Variationen totgewalzt.

Die Erwartungen, die man nach Adventureland und Superbad, zwei der schönsten Komödien der Nullerjahre, an Greg Mottola richten durfte, konnte der Regisseur schon mit den Nachfolgeprojekten Paul und Clear History nicht recht einlösen. Mottolas Kino ist nicht vom Genre, sondern von den Darstellern her gedacht. Adventureland erzählte eine Coming-of-Age- Geschichte – war aber vor allem der Film, in dem Kristen Stewart und Jesse Eisenberg zum ersten Mal ihr Talent ausspielen konnten. In der gut abgehangenen Stoner-Komödie Superbad betrat der leider inzwischen wieder etwas in Vergessenheit geratene Christopher Mintz-Plasse die Bühne des amerikanischen Kinos.

Don Draper, Wonder Woman

Das Problem von Die Jones – Spione von nebenan besteht auch nicht darin, dass die Geschichte um Jeff und seine Frau Karen (Isla Fisher), die von ihren neuen Nachbarn, dem Ehepaar Jones (Jon Hamm und Gal Gadot), aus dem Alltagstrott gerissen und in einen Spionagethriller verwickelt werden, über ein Rearrangement von Versatzstücken nie herauskommt. Vielmehr haben die Schauspieler zu wenig Freiräume, weil sie ständig damit beschäftigt sind, irgendetwas hinauszufinden, was versierte Kinozuschauer längst begriffen haben.

Andersherum heißt das zum Glück: Immer wenn es Mottola gelingt, seine Akteure ein wenig aus den erzählerischen Zwängen herauszulösen, funktioniert der Film gar nicht so schlecht. Fisher und Galifianakis sind gut aufgelegt, Hamm und Gadot noch besser, schon weil sie geschickt mit ihrem unterschiedlich gelagerten Glamourappeal zu spielen verstehen: Er wird immer ein wenig der mysteriös-mondäne mad man Don Draper bleiben, sie, ein außerweltlich anmutendes Geschöpf des DC-Comicuniversums, wird bald im ersten Wonder-Woman-Film über die Leinwand fliegen.

Am schönsten ist der Film in der Kennenlern- beziehungsweise Rekrutierungsphase, beim male bonding im klandestinen Schlangenrestaurant, und beim female bonding in der Lingerie-Abteilung, wo sich die Hausfrau aus einem Vorort Atlantas plötzlich hautnah mit einem statuesken, halbnackten Wonder-Woman-Körper konfrontiert sieht. Komisch, dass die Überforderung angesichts einer exzessiven weiblichen Körperlichkeit ausgerechnet in einer lesbisch angehauchten Szene ausagiert wird; schließlich geht es im Film die ganze Zeit um Heteromänner, die ihren Frauen nicht so recht gewachsen sind.

Nicht zuletzt gilt das für den Ober-Bad- Guy (Patton Oswalt), der sich den Superschurkenplan nur ausgedacht zu haben scheint, um vor seiner asiatischen Freundin nicht zu blöd dazustehen. Wenn abstrus- gigantomanische Weltherrschaftsfantasien in Agentenfilmen früherer Jahre als Kompensationsstrategien gekränkter Männerseelen zu lesen waren, dann gibt Mottolas Komödie Anlass zur Sorge: Jetzt ist nicht einmal mehr auf männliche Minderwertigkeitskomplexe Verlass.

Info

Die Jones – Spione von nebenan Greg Mottola USA 2016, 105 Minuten

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden