Zu Star Wars gehört das Wissen um sein hybrides Wesen, das mindestens zwei Aspekte hat. Der eine betrifft die filmhistorischen Vorläufer: Luke Skywalker als illegitimes Kind von Flash Gordon und Leni Riefenstahl, dem nachträglich ein paar Kurosawa-Gene untergejubelt wurden. Der andere die Folgen: Der von Anfang an hybride Mythos hybridisiert weiter, infiziert alle Populärkultur, die nach ihm kommt.
Gern wird dabei auf die rege Fankultur und deren Do-it-yourself-Aneignungen verwiesen. Begonnen hatte das ein Jahr nach dem Release des ersten Films mit dem Amateurkurzfilm Hardware Wars; seit 2002 werden offizielle „Star Wars Fan Film Awards“ verliehen. Freilich verbieten die Organisatoren die Verwendung von „nudity, excessive swearing, explicit sexual themes, graphic violence“ und natürlich „unlicensed copyrighted material“. Dementsprechend schaut die Fan-Fiction jüngeren Datums denn auch aus. Lucas Arts hat die eigene Marke fest im Griff und lässt nur zu, was mindestens genauso öde ist wie die der eklektischen Ahnengalerie zum Trotz hoffnungslos glattgebügelten und zielgruppenoptimierten Originalfilme.
Ästhetisch weitaus interessanter sind die kurzfristigeren Folgen, die Star Wars in der internationalen B-Film-Produktion hatte: In den späten 70er und frühen 80er Jahren überschwemmten Dutzende oft hektisch heruntergekurbelte, knallbunte Weltraumepen voller röchelnder Bösewichter die Kinos. In gewisser Weise lösten erst diese Filme ein, was Star Wars versprochen, aber schon aufgrund seines Produktionsvolumens nicht liefern konnte – die Rückkehr der leichtfüßig-naiven, unverantwortlichen pulp fiction in das seit Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (1968) mit Vorliebe bierernste Science-Fiction-Genre.
Debile Discomusik
In den USA sprangen eine ganze Reihe notorischer Billigfilmer, aber auch Disney mit dem nicht eben glücklich betitelten Das schwarze Loch (1979) auf den Trend auf. Vor allem aber ist die Skywalkersploitation ein internationales Phänomen. Es gibt mindestens zwei japanische Versuche, darunter das wohl schönste Star-Wars-Rip-off: Kinji Fukasakus Message From Space (1978) ist ein Special-Effects-Traum in sanft schillernden Pastellfarben und erzählt eine charmante Coming-of-Age-Geschichte. In Italien bildete sich ein ganzes Genre des Star-Wars-Imitats heraus. Ein Highlight ist Alfonso Brescias Star Odyssey (1978), ein Weltraum-Remake von Kurosawas Die sieben Samurai (1954), das zwar mit besonders schäbigen Pappkulissen aufwartet, dafür aber ein zutiefst romantisches Drama über die Einsamkeit im All entwirft. Unter anderem tauchen zwei Roboter auf, die einen Selbstmordpakt schließen.
Von anderem Kaliber ist da die brasilianische Variante Os Trapalhões na Guerra dos Planetas (1978). Da werden besagte trapalhões – vier Rumtreiber, die zwischen den 70er und 90er Jahren mehr als 20 Kinoabenteuer erleben durften – von vier Grazien in ein Raumschiff gelockt. Damit landen sie in einer slapsticklastigen Star-Wars-Parodie und rennen in der Folge in gefühlt stundenlangen Plansequenzen zu manisch debiler Discomusik wild gestikulierend durch die Gegend. Prädikat: Das Gehirn gibt auf.
Noch durchgeknaller ist nur die legendäre türkische Variante Dünyayı Kurtaran Adam (1982). Für gewöhnlich wird das im Ausland einfach als Turkish Star Wars (in der Synchronisierungshochkultur Deutschland: Murat – Ein Kung-Fu-Türke rettet die Welt) betitelte Weltraumabenteuer als prototypischer Trash-Kultfilm halb abgefeiert, halb ausgelacht. Der von Cem Kaya inszenierte Dokumentarfilm Remake, Remix, Rip-off: About Copy Culture & Turkish Pop Cinema (Kinostart, Fernsehausstrahlung: Frühjahr 2016) zeigt dagegen, dass Dünyayı Kurtaran Adam im türkischen Kino seiner Zeit business as usual war.
Und er zeigt auch, vermittels einer liebevoll angeordneten Material- und Anekdotensammlung, warum das so war: Vor allem in den 70er und 80er Jahren gab es ein Missverhältnis zwischen dem unstillbaren Hunger der türkischen Bevölkerung nach Kino- (und später Video-)Filmen auf der einen und dem mangelhaften technischen Organisationsgrad der türkischen Filmindustrie auf der anderen Seite.
In Kayas Film geht es nicht um ein paar obskure Trashfilme, sondern um eine Filmkultur in allen ihren mentalitäts- und industriegeschichtlichen Facetten. Der technisch hochgerüsteten Hollywoodkonkurrenz, so könnte man die romantische Variante dieser Rekonstruktion zusammenfassen, setzten die türkischen Produktionsfirmen das kreative Potenzial ewiger Improvisation entgegen. Wir wollen die Kamera bewegen, haben aber kein Geld für einen Dolly – dann kleben wir einfach Seifenstücke an Tischbeine und setzen das Set unter Wasser! Wenn Stuntmänner davon erzählen, wie sie ohne Sicherheitsvorkehrungen von Dächern springen mussten, verflüchtigt sich allerdings die Nostalgie.
Grimassieren
In einer Schlüsselszene erinnert sich Çetin İnanç, der Regisseur von Dünyayı Kurtaran Adam daran, wie er sich einmal während eines Amerika-Ausflugs in einem Themenpark stolz auf Steven Spielbergs director’s chair fotografieren ließ: „Das ist doch eigentlich verrückt, ich bin schließlich selbst ein Regisseur.“ Tatsächlich hat İnanç zwischen 1967 und 1987 in der Türkei gut 80 Filme inszeniert – deutlich mehr als Spielberg. Dennoch tut er sich schwer mit der Einsicht, denselben Beruf auszuüben wie der Amerikaner, was vor allem damit zu tun haben dürfte, dass das Budget dieser 80 Filme zusammen kaum fünf Minuten Jurassic Park finanziert hätte.
In Dünyayı Kurtaran Adam gibt es eine (mehrfach wiederkehrende) Einstellung, die dieses Missverhältnis spiegelt: Cüneyt Arkın, der Hauptdarsteller des Films, sitzt angetan in Fantasieuniform vor der Kamera und tut so, als wäre er ein Raumschiffpilot, der in ein dramatisches Weltraumgefecht verwickelt ist. Hinter ihm sieht man, vermeintlich durch das Rückfenster seines Fliegers, Szenenbilder aus Star Wars. Genau wie İnanç sein Bestes zu geben hatte, mit nichtvorhandenem Geld großformatige Abenteuerfilme zu drehen, muss Arkın so tun, als hätte sein Grimassieren tatsächlich einen Bezug zu dem technisch hochgerüsteten Spektakel, das sich um ihn herum entfaltet.
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