Das Tier blockiert

Kino Immer wenn der Film „Planet der Affen: Survival“ zu viel Fahrt aufnimmt, bremst er sich selbst aus
Ausgabe 31/2017

Je ähnlicher die Affen den Menschen werden – und auch andersrum: Je ähnlicher die Menschen den Affen werden –, desto größer werden die Probleme. Das ist ja auch kein Wunder, denn ein Affe, der reitet und schießt wie ein Mensch, der Tränen weint und Wangen streichelt wie ein Mensch, der nachdenkt und spricht wie ein Mensch, hat etwas bedrohlich Platzhirschiges an sich.

Und ein Mensch, der den vergleichsweise schmalen Körper in Militärrüstungen stopft, der oberkörperfrei und Glatze rasierend auf den Balkon stapft, um Gefolgsleuten zu salutieren wie ein Rudelführer, und dem prinzipiell zu viel faschistischer Sand ins moralische Getriebe gerieselt ist, der hat etwas primitiv Primatisches an sich.

Der Krieg zwischen den Menschen und den Affen – jener, von dem Planet der Affen 3: Survival handelt und der sich bereits in den beiden Vorgängerfilmen Planet der Affen: Prevolution (2011) und Planet der Affen: Revolution (2014)blockbusterwuchtig angebahnt hat – ist ein Krieg, den man führt, weil man sich zu nahe gekommen ist, weil man sich zu ähnlich wurde, weil in einem gewissen Sinne auf beiden Seiten das Menschsein und das Affensein ein bisschen schwammig wurde.

Der hundsgemeine Colonel McCullough (Woody Harrelson), der, nachdem ihm die Menschlichkeit abhandenkam, nicht nur Frau und Kind des Affenanführers Caesar (Andy Serkis) getötet hat, sondern sogar den eigenen Sohn, gibt das ganze Problem an einer Stelle zu: Es sei doch wirklich erstaunlich, wie intelligent dieser Schimpanse Caesar sei. Und die Augen, die seien doch so menschlich. Im Grunde ist diese halb verblüffte, halb hasenfüßige Einsicht über das Menschhafte am Affen eine Art Metakommentar zur Filmtechnik dieses Films – zum äußerst staunenswerten Performance-Capture-Verfahren, durch das reale Schauspieler in einem speziellen Anzug am Set herumhopsen können und erst später, auf digitale Weise, ein Affenkostüm übergestülpt bekommen. Ein echter Affe – schließlich ist das Digitale so echt wie alles andere – mit echtem Gesichtsausdruck, glasklarem mimischem Schimmer in den Pupillen. Traurig, zornig, liebend, hassend, sorgend, umsorgend, sorgenvoll.

Irgendwelche Viren

Es kommt also zum Krieg zwischen den echten menschlichen Affen und den äffischen echten Menschen, die im Übrigen immer äffischer werden, da sich unter ihnen ein entsprechendes, im Film aber nicht näher erklärtes Virus ausbreitet. So knallt man sich gegenseitig ab – im Dschungel oder in hübschen Schneelandschaften, in Betonburgen oder auf verträumten Berghüttchen. Manche Affen haben sich den Menschen angeschlossen und ein kleines Mädchen hat sich den Affen angeschlossen. Die Grenzen sind eh nicht mehr so klar.

Der eigentlich diplomatische Caesar, der sich später im Film noch als heroischer Gewerkschafter beweist, will sich am Colonel rächen; eigentlich auf eigene Faust, aber drei weitere Primaten schließen sich ihm an, darunter ein Gorilla, der genau weiß, wie es sich anfühlt, einen Sohn zu verlieren, und ein äußerst skurriles Wesen mit Namen Maurice, das ein tellerförmiges Gesicht hat, in dem zwei großmütterlich liebevolle Äuglein funkeln.

Bald wird das Affenvolk aber von McCulloughs Gefolgstrupp gefangen genommen, versklavt und teilweise sogar gekreuzigt. Caesar muss also den Racheplan vertagen und stattdessen erst einmal – und da spart sich dieser Film tatsächlich jeden doppelten Boden – sein Volk befreien und ins gelobte Affenland führen. Die Prämisse ist simpel, das Spektakel groß und das im Hofgarten der Moral gespannte Netz aus Vergeltungssüchten, Rassismen und flexiblen Loyalitäten immens.

Und eigentlich könnte Planet der Affen: Survival problemlos so vor sich hin krachen, könnte Attraktion an Attraktion häkeln, Affen von Baumkrone zu Baumkrone befördern, Raketen abfeuern und Helikopter vom Himmel schnalzen, Handgranaten in Öltanks und Affenkot in Menschengesichter pfeffern. Aber irgendwie scheint sich dieser Film permanent selbst auszubremsen, als wäre ihm ein erzählerisches ABS eingebaut worden, das automatisch den Wind aus den Segeln nimmt, sobald er zu viel Fahrt aufnimmt. Der Grund dafür könnte tatsächlich sein, dass dem Film die Technik, auf die er so stolz ist und auf die er sehr stolz sein darf, auf eine Weise voraus ist, die er nicht mehr einholen kann.

Man hat dem erzählerischen Gewinde des aktuellen Franchise immer schon angemerkt, dass es permanent darauf angewiesen ist, irgendwelche Viren und sonstige Erklärbakterien zu erfinden, um die viel zu klug, emotional und moralisch geratenen Affen zu legitimieren. Am schönsten ist dieser Film, wenn er die weniger sprachversierten Affen mit Gesten und brummenden Schnaufgeräuschen miteinander kommunizieren lässt. Dann müssen wir in den Untertiteln mitverfolgen, worum es geht, dann gibt es doch noch einen Bruch in der Erfahrung, dann sind die Affen doch noch etwas, was wir nicht sind.

Ansonsten aber sind sie so vermenscht, dass dem Film fast nichts anderes übrig bleibt, als im Gegenzug den Menschen zu veräffen. Nur so meint der Film, seinen erbitterten Artenschutzkrieg legitimieren zu können. Das ist planvoll und symmetrisch – aber letztlich hebt sich damit auch die schöne Diffusion darüber, was eigentlich Menschlich-Äffisch und was Äffisch-Menschlich ist, wieder auf. Der Affe ist halt doch nur der bessere Mensch.

Info

Planet der Affen: Survival Matt Reeves USA 2017, 140 Minuten

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