Abschaffung der Einkommenssteuer?

Steuerpolitik Wie wäre es, die Einkommenssteuer, die Schenkungssteuer und die Erbschaftssteuer abzuschaffen, und komplett durch eine Vermögenssteuer zu ersetzen?

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Bei den Koalitionsverhandlungen im Spätherbst 2013 zwischen CDU/CSU und SPD war schnell ein Punkt klar: die von der SPD angedachte Wiedereinführung einer Vermögenssteuer ist bei den Unions-Parteien nicht durchsetzbar, quasi ein Tabu. Auf jeden Fall ein größeres als die Möglichkeit einer Einkommenssteuer-Erhöhung. Ich fragte mich schon damals: Warum ist man eher geneigt, das Einkommen als das Vermögen zu besteuern? Nur weil man doppelte Bersteuerung ablehnt, oder etwa, weil man Sparen nicht bestrafen will, ein Verdienen jedoch schon? Eine Vermögenssteuer bezieht sich ja auf das zu einem Zeitpunkt angesammelte Vermögen – egal ob es Bargeld, Sparbücher, Immobilien oder Yachten in Monte Carlo sind. Eine Einkommenssteuer jedoch gründet sich auf dem jährlichem Einkommen – also auf der Vermehrung des Vermögens. Selbst wenn das bisherige Vermögen an sich – etwa durch Wertverfall – sinken sollte, ist das neue Einkommen – etwa durch ein Gehalt oder Lottogewinn – dessen Erhöhung. Werden durch eine Einkommenssteuer vielleicht die „fleißigen und emsigen“ Verdiener (von der FDP gerne als „Leistungsträger“ benannt) besteuert, während man die passiven „Auf dem Vermögen sitzenden“ verschont?

Klar, in der realen Politik sind vielleicht die Beweggründe für oder gegen eine Steuereinführung oder -änderung rein auf dem Haushalt begründete parteienübergreifende Psychologie: Durch welche Steuer kann ich dem Bürger etwas abknüpfen, ohne daß dieser zu sehr aufmüpft. An welcher Stellschraube drehen, daß der Schmerz ausgehalten wird – oder welche Schraube lockern, damit ich eher gewählt werde.

Ich möchte mich hier jedoch nicht mit Realsteuerpolitik befassen, auch nicht mit der Frage nach einer generellen Erhöhung/Senkung der Steuerquote oder mit der Analyse der Ausgaben. Nicht einmal mit der Frage, ob und wann die Ausgaben vollständig durch Steuereinnahmen gedeckt werden oder nicht (Haushaltsdefizit oder -überschuß, Schulden).

Mein Interesse gilt den Prinzipien und Ideen verschiedener Besteuerungsvarianten, vor allem mit der Alternative zwischen der Einkommens- und der Vermögenssteuer, sowie dem Sinn und den Auswirkungen verschiedener Steuerarten.

Manche Steuern – ich gehe hier von Theorie und Idealen aus! – sind direkt erklärbar und klar begründet. Eine „Öko-“ (=Energie-), Tabak- oder Alkoholsteuer dienen als Demotivation zum ungesunden oder umweltschädlichen Lebensstil. Eine PKW-Steuer dient zur Aufrechterhaltung der Straßeninfrastruktur, eine Immobilien-Steuer (Grundsteuer) der Stadtinfrastuktur, der Solidaritätsbeitrag soll der Hilfe und dem Aufbau mancher Regionen dienen. So weit so gut so klar (auch wenn so idealistisch).

Bei der Mehrwertsteuer – einer der besten Einnahmequellen – wird der Konsum besteuert. (Somit ist mir diese Steuer als Steuerart eine der liebsten: Es ist ein Mittel zur Regulierung des Konsumismus). Die Einkommenssteuer konzentriert sich auf den laufenden (kurzfristigen – 1 Jahr) Zuverdienst eines Bürgers. (Ähnlich wie dieses könnte man übrigens auch die Erbschafts- und Schenkungssteuer betrachten: als Zuverdienst eines Einzelnen in einer Zeitperiode.) Die Vermögenssteuer hingegen wäre eine Steuer auf die bis zu einem Zeitpunkt (z.B. 31.12. des Jahres) summierten Vermögen.

Warum wird in den meisten Ländern nun das Dazuverdienen höher besteuert als das „Schon-Haben“? Sollen – wie bei der Tabaksteuer oder Mehrwertsteuer die Menschen vom Verdienen abgehalten werden, ist es gar ein stoisch-asketischer Hinweis: „Renn weiterem Geld nicht so hinterher!“ ? Während man diejenigen, die das Verdiente in den Vorperioden nicht verprassten, sondern angespart hatten – verschonen will? Ist die Ablehnung der Vermögenssteuer und die Bevorzugung der Einkommenssteuer ein Plädoyer für weniger Konsum und weniger Arbeitsstunden? Dabei ist eigentlich jedes Einkommen sofort ein (neuer) Teil des Vermögens.

Mein Vorschlag zur Besteuerung, im Konkreten (bezogen auf die Balance zwischen Einkommenssteuer und Vermögenssteuer) wäre: Das kurzfristige Neu-Vermögen, also das Einkommen, genauso wie das langfristige Vermögen zu behandeln. Und zwar, indem man die Einkommenssteuer komplett abschafft. Dafür – dieselben Einnahmen – über die Vermögenssteuer hereinholen. Dieser Ansatz gründet sich nicht auf moralisierenden Motiven für eine Steuer („spare mehr“, „gebe mehr aus“, „trink nicht“, „lebe gesund“, „verdiene nicht so viel“ etc.), sondern auf dem Kosten-Nutzen-Prinzip eines Steuerzahlers in seinem Gemeinwesen.

Ich denke, je mehr jemand hat (=Vermögen), desto mehr beansprucht er das Gemeinwesen. Je mehr Fabriken, Sportwagen, Immobilien oder Sparbuch-Verträge ich besitze – desto mehr nutzt mir der gemeinsame Staat mit seinen Funktionen. Sei es durch Sicherheiten (Schutz meines Vermögens, auch wenn indirekt: durch Sozialpolitik, Außenpolitik, Polizeiarbeit oder das Militär), durch Freiheiten (Währung, Verträge mit anderen Ländern, Kapitalverkehr), oder vor allem durch Infrastruktur (Telekommunikation, Verkehr, Bildungsniveau). Dadurch ist es legitim, auch überproportional zu besteuern: Wenn jemand 1000 LKWs hat, nutzt ihm der Staat pro LKW mehr als jemanden, der nur einen hat. Wer 100 wertvolle Bilder in seiner Wohnung hat, dem nützt die Sicherheitslage „pro Bild“ mehr als dem Nachbar, der nur drei hat. Man könnte es auch die „economy of scale“ des Gemeinwesens nennen.

Nun, es stimmt – dieses Kosten-Nutzen-Prinzip gilt genauso bei Besteuerung des Einkommens: Wer 1000 LKWs hat, dem nutzt das Gemeinwesen mehr auf dem Weg zu seinen laufenden / neuen Einnahmen, als dem, der eben nur einen hat etc. Der Haken ist jedoch: bei einer stärkeren Besteuerung des Einkommens als des Vermögens wird das Vermögen der „wirtschaftspassiven“ Bürger weniger als das der „wirtschaftsaktiven“ besteuert. Dabei werden aber beide Vermögen in gleichem Umfang vom Staat geschützt.

Ein Beispiel:

Person A hat eine Immobilie (Wert 100.000), ein Sparbuch (50.000) und verdient im Jahr 2014 100.000.

Person B hat ebenfalls eine Immobilie (100.000), Sparbuch (150.000), und erhält im Jahr 2014 nur eine moderate Rente. (Immobilien werden selbst genutzt, Sparbuch wirft nichts ab).

In Deutschland zum Beispiel wäre Person A viel höher besteuert als Person B – obwohl das vom Staat zu schützende Vermögen bei B. höher ist. Zwar nutzt dafür A. das Gemeinwesen mehr, um auf seine 100.000 Zuverdienst zu kommen. Doch hier wird offensichtlich Aktivität höher als Passivität besteuert.

Bei einer kompletten Abschaffung der Einkommenssteuer würde man einfach nur am Jahresende die bis dahin angesammelten (oder verminderten) Vermögenswerte pro Bürger besteuern. Für die Mehrheit der Bevölkerung wäre dies ohnehin eine simple Rechnung: Kontostand plus ggf. Sparbücher/Lebensversicherungen plus ggf. der Wert einer Immobilie und des PKWs. Klingt vielleicht kompliziert, doch mit Freibeträgen (z.B. bis zu X Euro des Vermögens keine Steuer) wären viele Wenig-Vermögende von dem Papierkram und Kalkulationen ausgenommen. Und der Rest – der sollte sich schon einen Steuerberater leisten können... (was man bei gewissen Einkommen auch schon macht).

Darüber hinaus gäbe es gar keine Diskussion um die Unfairness einer doppelten Besteuerung: zuerst das Einkommen, später vom gesparten Einkommen, sprich, Vermögen, nochmal Steuern. Wenn man nur das Vermögen besteuern würde, gäbe es keine doppelte Besteuerung mehr. Sondern – wie bei der Grundsteuer oder PKW-Steuer – eine periodische Steuer derselben Sache, deren Eigentümer ja auch periodisch einen Nutzen durch das Gemeinwesen erfährt.

Schließlich könnte man sich auch die Diskussionen um Erbschafts- und Schenkungssteuer ersparen. Auch diese Steuerarten gäbe es gar nicht – denn jede Schenkung oder jedes Erbe wäre eine Erhöhung des Vermögens des Besteuerten.

Politisch müssten mit so einer Steuer sowohl die „Linken“ gut auskommen – denn diese Steuer wäre eine stärkere Umverteilung von oben nach unten, da in den meisten Ländern die Diskrepanz bei den Einkommen kleiner als bei Vermögen ist. Gleichzeitig müssten alle diese Idee befürworten, die für „mehr Leistung muss sich lohnen“ eintreten. Wer arbeitet und dadurch laufend verdient wird weniger besteuert als jemand, der nur von einem Erbe, vom Lotto-Gewinn, oder von angesparten Kapital lebt und das leben genießt – und dessen Kapital sich eben durch Steuern langsam verringert. Im „Evangelium des Reichtums“ schrieb Andrew Carnegie: „Der Mann, der reich stirbt, stirbt in Schande.“

Alles klar so weit? Von wegen. Nachdem ich dieses Plädoyer fertig getippt hatte, konnte ich mich von einem inneren Gefühl nicht befreien: Dass es doch irgendwie ethisch und gar philosophisch sinnvoller wäre, den passiven Bürger weniger als den aktiven zu besteuern. Trotz all meiner o.g. Argumente. Vor mir schwebte ein Bild der Person C: eines Menschen, der über zehn oder zwanzig Jahre lang sparsam lebte, und sein übergebliebenes Einkommen in ein Landhaus samt Acker und Obstgarten investierte, wo er nun autark und ökologisch nachhaltig die letzten zehn, zwanzig oder vielleicht auch dreißig Lebensjahre in Ruhe genießt. Und der Wert dieses Hauses samt Grundstück aus ihm unerklärlichen Gründen inzwischen auf 250.000 gestiegen ist – also das Vermögen der Person B. Diese Person C höher zu besteuern als das der geldnachrennenden Person A oder der Person B, die150.000 unnütz über die Banken „parkt“ - scheint mir irgendwie falsch. Aber bin ich da nicht wieder beim moralisierenden Aspekt des Steuerwesens angelangt?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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