Altruismus – ein gruppenbezogener Egoismus

Ethik Altruismus und Kooperation sind nicht das Gegenteil, sondern nur eine gruppenbezogene Form des Egoismus und der Konkurrenz. Bereits die Bildung einer Gruppe ist Egoismus.

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Der Altruismus gilt als das Gegenteil des Egoismus. Während der Egoismus als „Ich-Bezogenheit“ bis „Selbstsucht“ definiert wird, bezeichnet Altruismus uneigennützige, durch Rücksicht auf Andere geleitete Handlungsweisen. In extremeren Deutungen wird mit Altruismus eine Einstellung oder Handlungsweise gemeint, wodurch ein Individuum gar mehr Kosten als Nutzen erfährt (August Comte), beim Egoismus gerade umgekehrt: der Nutzen des Individuums wird nicht nur ohne Rücksicht, sondern gar (bewußt) auf Kosten der Anderen erzielt. Mit Altruismus assoziert man oft „Gemeinwohl“, „soziales Verhalten“ und „Kooperation“, mit „Egoismus“ hingegen „Konkurrenz“, „Ellenbogenmentalität“ oder „Darwinismus“. Dabei war es nicht Charles Darwin, der „(Sozial-)Darwinismus“ definierte (https://de.wikipedia.org/wiki/Darwinismus , https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialdarwinismus), aus Darwins Evolutionstheorie kann man eher auslesen, daß „the survival of the fittest“ keinesfalls mit Egoismus gleichzusetzen ist – zumindest, wenn es um die Handlungsweisen eines Individuums geht. Die andere „Strategie“, nämlich die Kooperation, der Altruismus – kommen in der Natur mindestens genauso oft vor, das bestätigen immer wieder auch aktuelle Studien, von Mikroben bis zum (man glaubt es fast nicht) Homo sapiens.

Aber genau hier treffen sich die beiden theoretisch entgegengesetzten Philosophien. Der Altruismus als Handlungsweise ist eine der effizientesten Strategien des „Survival of the fittest“. Als ein gruppenbezogener Egoismus. Es gibt natürlich auch einen „passiven“ Altruismus, eine nicht-aggressive Kooperation, etwa bei Pinguinen, die sich vor Kälte schützend in kreisförmige Gebilde sammeln und dann abwechseln. Genauso oft aber kommt der Altruismus durchaus in einer gruppenegoistischer Variante vor: ob bei gemeinsam jagenden Wolfsrudeln oder gemeinsam fischenden Menschen. Ein „altruistischer Egoismus“ oder eine „kooperative Konkurrenz“ ist die tägliche Handlungs- und Denkweise, sobald es überhaupt zu einer Gruppenbildung kommt. Schon die Bildung einer Gruppe (Ehe, Fußballverein, Straßengang, GmbH, Swinger-Club, Staat...) ist eine auf Eigenwohl zielende Aktion. Eigenwohl der Individuen, die bewußt oder unterbewußt der Meinung sind, „gemeinsam sind wir stärker“. Da das „gemeinsames Wohl“ auf das Wohl der Individuen strahlt – ist es die Summe aller beteiligten „Eigennutzen“. Wie bei dem Pinguinen-Beispiel ist es oft ein „friedlicher“ Gruppen-Egoismus, ohne (eines sichtbaren, bewußten) Schadens für andere, vergleichbar mit meinem Egoismus, wenn ich den Wunsch verspüre „Jetzt will ich ein Zimtbrötchen von der Bäckerei!“, und ohne Rücksicht auf Wünsche und das Wohl anderer einfach hingehe, die Kunden hinter mir nicht extra frage „Will sonst noch jemand das Zimtbrötchen, es scheint das letzte zu sein?...“, es kaufe, es aufesse. Und noch dazu genieße. Viele, schwer zu sagen ob „die meisten“ oder „einige wenige“ Handlungsweisen einer Familie, eines Stammes, einer Vereines, einer Demonstration, eines Volkes, eines Staates sind aber eindeutiger Gruppen-Egoismus. Ob bei Parkplatzsuche („damit die Kinder endlich aus dem Auto kommen“), ob bei der Jagd („wir müssen das Mammut früher als der andere Stamm erlegen!“), ob beim Verein („Hoffentlich gewinnen wir das nächste Turnier!“), ob bei der Demo („Unsere Forderungen sollen sich durchsetzen!“). Und erst recht bei Gewerkschaften, den (Aktien-)Unternehmen, dem Staat, dem Volk. Und vor allem – als Spezies „Homo sapiens“ gegenüber aller anderen Spezien und dem Planeten Erde selbst. Ob wir als „Erdlinge“ dem Weltall gruppenegoistisch gegenübertreten ist auch nicht von der Hand zu weisen...

Der einzige Altruismus, der seinen Namen verdienen würde, wäre ein auf das ganze Weltall gerichteter Altruismus, also ein Pan-Altruismus. (Angenommen, es gibt nur dieses Weltall...) Man könnte einwenden, das wäre in der Praxis etwas schwierig, da kaum ein Mensch durch seine Beschränktheit es vermag, das Wohl des ganzen Universums komplett und richtig zu deuten. Andererseits könnte man dem entgegnen, daß es ausreiche, einen solchen Fokus und eine solche Denk-Einstellung mal – trotz aller individuellen Schwächen und der menschlichen Subjektivität – auszuprobieren. Das Ergebnis des pan-altruistischen Denkprozesses zu einem „Gemeinwohl des Universums“ könnte aber – wenn der Mensch halbwegs seinen Erkenntnissen und der Logik folgt – ein Entschluss zum Selbstmord sein.

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Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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