Auf zum umweltfreundlichen Russland-Boykott!!

Sanktionen Lust auf einen effektiven Wirtschafts-Boykott gegen Russland? Nichts einfacher als das: Thermostat runter und weniger und spritschonender Autofahren!

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Finden Sie die EU-Sanktionen gegenüber Russland zu lasch? Sollte man nicht Putin & Co. wirtschaftlich noch empfindlicher treffen? Und finden Sie nebenbei auch kein emotionales Ventil, um Ihren Unmut über dieses halbsinselannektierende und separatistenunterstützende Land freien Lauf zu lassen? Nicht mal eine Demo oder Online-Petition der örtlichen CDU, die da einem helfen würde? Bringt der Aufruf vom Landwirtschaftsminister Schmidt „One apple a day keeps Putin away?“ [1] zu wenig – während Sie keine Äpfel mehr sehen können?
Macht nichts, wozu auf den Staat oder Parteien zu warten (oder etwas von ihnen zu erwarten) – man kann doch selber aktiv werden, um „es diesem Putin mal zu zeigen“.
Hier eine kurze Anleitung zum besten Russland-Boykott, den ein Bürger schnell angehen und dauerhaft problemlos durchziehen kann:
Gehen Sie in Ihrer Wohnung zum Thermen-Regler und/oder zum Heizkörper, und senken Sie die Temperatureinstellung um sagen wir 20%. Also von gemütlichen 22 Grad Wohntemperatur auf 17 oder 18. Vielleicht was wärmeres anziehen – auch dem 3-Monate-jungem Baby. Nach dem neuen Motto „One Pulli a day keeps Putin away“. (weitere Tipps zur Senkung des Energieverbrauchs hier: [2] und [3]). Kühlere Temperaturen sind jedenfalls förderlich für intellektuelle Aufgaben. Eine wäre die Messung, was so ein direkter Boykott bringt. Denn klar ist: ob Gas oder Öl, eine Menge davon kommt aus Russland – und je weniger man verbraucht, desto weniger Euros oder Dollars werden überwiesen. Man bedenke: die Senkung der Zimmertemperatur nur um 1 Grad senkt den Energieverbrauch um 6% (Erdgas) oder gar 8% (Heizöl)! Der Pulli also macht Putin ganz schön weh: Regler um 4 Grad runter und schon hat man 24-32% der russischen Fossilenergieträger boykottiert! (Aber bitte nicht übertreiben – sonst fördern Sie noch die Pharma-Industrie...).
Na ja, vielleicht nicht ganz... Denn das in deutschen Haushalten verwendete Erdgas und Heizöl kommt nicht nur aus Russland. Bei Erdgas sind es ca. 31%, gefolgt von Norwegen (29%) und den Niederlanden (20%). Eigenproduktion nur ca. 13% [4]. D.h. es könnte gut sein – je nachdem woher Ihr Gas- oder Heizöllieferant den Stoff bezieht – daß man mit seinem Boykott die Norweger oder die Holländer trifft... Zumindest würde man mit einem Boykott Russland im Schnitt nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 31% treffen. In Zahlen ausgedrückt: bei einem durchschnittlichen jährlichen privatem Gasverbrauch [5] von 3.500 kWH entspräche eine 24%ige Einsparung 980 kWh. Davon aus Russland – 303,8 kWh. Das sind 27,37 m³ Erdgas. Da Russland dieses an Deutschland zum Preis von 382 USD pro 1000 m³ liefert – könnte jede Person 10,46 USD zum Boykott beitragen! Sie wundern sich, daß diese frostige Opferbereitschaft nur so wenig ausmacht, und vergleichen es noch mit Ihrer Gaskosten-Abrechnung? Nun ja, Sie sparen jedenfalls viel mehr – denn den Löwenteil Ihrer Gaskosten entfallen auf Ihren Versorger und den Staat. Warum aber auch nicht diese mit boykottieren?
Bei Erdöl als politisches Druckmittel eines konsumierenden Bürgers sieht es sogar noch besser aus. Nicht nur, daß man hier wie bei Gas die Heizung senken könnte, man könnte auch weniger Plastikprodukte einkaufen. Vor allem aber – weniger Treibstoff verbrauchen. Dazu gibt es nicht wenige Tipps – siehe hier: [6] – wobei der beste davon wäre, aufs Fahrrad umzusteigen. Wieder ein kurze Kalkulation: Deutschland importiert über 36% des Rohöls aus Russland [7] - und es wird immer mehr ([8]), weil man sich von den OPEC-Ländern unabhängiger machen wollte, die zugegebenermaßen unvergleichbar boykottwürdiger als Russland wären. Die Gesamtsumme der Rohöl-Importe betrug 2014 49,42 Mrd. EUR. 36% kommen aus Russland – entspricht 17,79 Mrd. EUR. 39,9% davon wurden in privaten Bereich genutzt (ob Heizung oder Treibstoff), also über 7 Mrd. EUR. Pro Deutschen kommen wird somit auf satte 88,73 EUR. Würde man nun hier den Verbrauch um 20% senken – würde jeder von uns pro Jahr über 17 Euro weniger an Russland überweisen!... Übrigens, auch hier gilt: so richtig treffen würden Sie mit diesem Spar-Boykott die hier agierenden Öl-Multis wie Shell, BP oder Total, und erst recht den Schwarze-Null-Minister.
Und was tun, wenn man versehentlich mit der entschlossenen „mit Pulli & Fahrrad“-Methode doch nicht „die Russen“, sondern die korrekten Norweger oder die netten Niederländer trifft? Keine Sorge, die werden es Ihnen danken. Zumindest diejenigen, die sich um die Flora & Fauna der Nordsee sorgen oder in der Nähe von Groningen wohnen [9] und keine Erdbeben mögen. Eine Senkung des Energiekonsums wird auch Importe vom US-Schiefergas vereiteln, wie auch den Drang zu EU-heimischen Bohrungen bremsen. Denn egal wie viel Lust Sie auf politische Boykotts haben oder nicht, ob gegen Russland oder Norwegen - in jedem Fall ist es gut für die Umwelt, weniger fossiler Brennstoffe zu konsumieren, denn dies bedeutet weniger bohren und auch weniger verbrennen. Ein gegen Russland gerichteter Energieboykott würde langfristig dem Land (wie dem ganzen Planeten) nur gut tun, und nebenbei auch Ihrer Gesundheit (Fahrrad, keine überhitzten Räume...). Russland hat ihren Schritt zur Schonung der Umwelt vor kurzem bereits getan – indem es das South-Stream-Projekt abgesagt hatte. Nun sind Sie an der Reihe!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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