Bitte eine Bürgschaft

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Ich weiß, es klingt wie eine bekannte Bier-Werbung, doch über Bier-Vermarktung will ich heute ausnahmsweise nicht schreiben. Dennoch über ein paar beschwipste Ideen.

Donnerstag, die Sonne schickt sich langsam an über Berlin aufzugehen. 4:35 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt verläßt die halbe Bundesregierung nach acht Stunden der Verhandlungen das so genannte „Opel-Gipfeltreffen“ mit Vertretern des Mutterkonzerns General Motors (GM).
Entnervt. Und ohne Ergebnis. Denn die Vorstellungen und Forderungen von GM zur möglichen Staatshilfe Deutschlands an einer Übernahme der Opel-Werke durch einen neuen Investor waren wohl zu hoch, zu unverschämt, einfach absurd und unseriös.

Ich wünsche den Bundesministern und Ministerpräsidenten nun etwas Schlaf und hoffe, daß wenn sie wieder aufwachen, sie dann auch wach bleiben. Und endlich einsehen, daß sich der Staat aus der GM-/Opel-Geschichte lieber heraushalten soll, wie auch aus allen anderen „Nothilfen“ oder „einspringenden Bürgschaften“ für Großkonzerne, die ins Straucheln geraten sind oder gar vorm Bankrott stehen. Sei es Arcandor/Karstadt, sei es Porsche, sei es Schäffler/Continental.

Denn für deren Schwierigkeiten und drohende Pleiten ist die Finanz- oder Wirtschaftskrise nicht verantwortlich. Schuld haben entweder eine jahrelange falsche Geschäftspolitik, und/oder risikoreiche und falsche Spekulationen. Die Finanzkrise hat die Schwierigkeiten nur verstärkt, beschleunigt, die es ohnehin gegeben hätte. Wer die Geschäfte schlecht führt (Arcandor, Opel), oder auf Wachstum in einer auch ohne Krise übersättigten Automobil-Branche setzt (Porsche, Opel, Schäffler), soll ruhig bestraft werden. Erst recht, wenn er versucht hat, mittels grandioser Überschuldung und Finanzspekulationen aberwitzige Übernahmen von Firmen zu riskieren, die um ein vielfaches größer als der Käufer selbst waren (Porsche bei VW, Schäffler bei Continental). Weg mit denen. Selber schuld.

Genauso wie ein Schneider zumachen müsste, der nicht gemerkt hatte, daß in den letzten 20 Jahren um ihn herum mehrere C&A, H&M und Zara-Filialen entstanden sind. Oder ein Schreibmaschinen-Produzent, der die technische Entwicklung verschlafen hat, und jammert, daß sein Umsatz sinkt und sinkt. Noch ein Beispiel? Wie wäre es mit einem Pizzeria-Besitzer, der sich aus Größenwahn (genannt „Synergieeffekte“ oder „Marktkonsolidierung“) überschuldet, um in seinem Kiez fünf oder zehn andere Gaststätten zu übernehmen? Her mit der Staatsbürgschaft für diesen armen Wirt! Denn wenn er pleite geht, werden nun nicht mehr 5, sondern womöglich 30 Angestellte entlassen.

Genau dieses „sozialen“ Arguments des „Arbeitskampfes“ bedienen sich die gebeutelten Kapitalisten, um den bis dahin geschmähten Staat anzupumpen. Oder: unter Druck zu setzen, gar drohen: „Wehe, ihr läßt uns untergehen und damit zig-tausende Arbeitsplätze!“ Fast schon lustig, wie auf einmal Konzernchefs mit dem Wort „Arbeitsplätze“ werben...

Doch es ist Wahlkampf, und Merkel, Steinmeier & Co. scheinen die Wirtschaftspolitik des Vorgängers Schröder zu kopieren: Großunternehmen und Konzerne erfahren Interesse und Unterstützung, Klein- und Mittelunternehmen (KMU) werden vergessen. Oder zumindest ausgeblendet.
Denn sowohl die Kanzlerin, wie auch Finanzminister Steinbrück (bei Steinmeier bin ich mir nicht so sicher, bei Wirtschaftsminister Guttenberg erst recht nicht) wissen sehr wohl, daß für die deutsche Wirtschaft die KMU viel wichtiger als ein paar DAX-gelistete Konzerne oder Familienimperien sind. Wenn zwar nicht beim Umsatz (38,3%), so sehr wohl bei der Zahl der Beschäftigten: 70,6% der deutschen Angestellten arbeiten für ein Klein- oder Mittelunternehmen.

Also zurück zu unserem Möchtegern-Pizza-Eroberer oder dem Schreibmaschinen-Freak, der die Entwicklung des Computers verschlafen hatte: Wenn die Regierung nun aus wirtschaftlicher Not meint, der Staat soll durch Bürgschaften, Beteiligungen oder gar Subventionen den Unternehmern helfen, dann soll das Wirtschaftsministerium ein neues Antragsformular drucken lassen, in dem eine jede Firma sich um Staatshilfe bewerben darf. Sei es Madame Schäffler, sei es der Pizza-Bäcker. Die Jungs von Porsche, oder der bedrängte Schneider. Und auch GM und die möglichen Übernahme-Anbieter (Fiat, Magna) sollen nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt bekommen als Tausende Einzelunternehmer.

Wenn jetzt aber ein Regierungsvertreter vom „riesigen Bürokratie-Aufwand“ sprechen sollte, dann frage ich mich: Wie viele Beamte und deren Zeit bräuchte man, um alle vier GM-Opel-Übernahme-Konzepte komplett zu durchschauen, zu prüfen, und gegeneinander zu vergleichen? Wäre man da mit der Prüfung von tausend Klein-Anträgen nicht schneller?
Denn wie sich der Markt tatsächlich entwickeln würde, ob für einen Autohersteller oder eine Bäckerei, kann ohnehin kein Regierungsexperte erraten.

Was mich tatsächlich zu der Forderung bringt, die Beamten doch nicht weiter zu belasten, weder mit Klein- noch mit Groß-Bürgschaften. Der Markt soll regeln, ob eine Firma fortbestehen bleibt oder nicht. Wenn die Pizza lecker ist und der Standort des Lokals ebenso, wird vielleicht der Wirt pleite gehen – aber das Geschäft wird übernommen, mit genauso vielen Angestellten. Wenn die Pizza ungenießbar und die Lokalität an einer ausgestorbenen Siedlung in Nähe der Fernzug-Strecke liegt, da kann auch keine Regierungsbürgschaft helfen. Genauso bei GM/Opel, Porsche, Karstadt, Schäffler.

Und die Minister dürfen früher ins Bett. Herrn Steinbrück, um weniger Milliarden verschuldet, gönne ich einen ruhigeren Schlaf.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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