Der beliebte Präsident

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Endlich ein freundliches Gesicht an der Spitze einer Weltmacht! Wir freuen und wie Kekse, auch wenn es nicht „unser“ Präsident ist.
Doch irgendwie ist er „unser“ - denn endlich, nach diesen miesen, doofen, harten, sauren Gesichtern der vergangenen Regierung(en) - ein charmanter, offener, menschlicher, ja charismatischer („er hat so etwas in seinem Gesicht, dieses Lächeln...“) Mensch als Staatsoberhaupt.
Er kann auf die Menschen zugehen, ihnen zuhören, und auch außenpolitisch scheint er durch sein Erscheinen an sich, ohne dass er noch etwas gemacht hatte, das Gefühl des Tauwetters zu verbreiten. Er wirkt so jung, so dynamisch!... (Nicht so wie „der davor“...)
Ach ja – und er hat eine ach-so-charmante, hübsche Frau! (Die sich auch noch elegant anzuziehen weiß).
Klar, vor ihm steht ein Riesenberg innenpolitischer Reformen, die Wirtschaft muss aus der Misere heraus geholt werden, vielleicht auch das ganze System reformiert werden, auch das Justizwesen, Gefängnisse, Infrastruktur, Industrie– alles muss erneuert werden. Und das obwohl die Staatsverschuldung auf einem Rekordniveau steht, und die Währung auch nicht mehr das ist, was es mal war. Das sollte er aber doch schaffen, der freundliche Mann „da drüben“, wer sonst, wenn nicht ER?... Er hat auch keine Angst das Thema Menschenrechte endlich offen anzusprechen.
Auch außenpolitisch ist viel zu tun, doch man sieht sofort: Unter seiner Führung sind die zwischenstaatlichen Beziehungen sofort gebessert, man spürt gleich die Zeichen der Kooperation, des Miteinanders, statt des eingekapselten Mißtrauens und der Kriegsparanoia. Doch ob Kuba, Afghanistan, der Nahe Osten oder die nukleare Abrüstung – man sieht gleich, unter diesem Mann wird sich einiges ändern. Und in Europa ist er sofort, bei den ersten Besuchen, ein Liebling nicht nur der Staatschefs, sondern der Massen geworden!

Barack Obama?

Nein. Man stelle sich vor, der Text wäre nicht 2009, sondern 1986 geschrieben worden.
Michail Gorbatschov.

Doch die Parallelen könnten sich fortsetzen:
Im Laufe der Jahre an der Machtspitze wird der Mann beliebt bleiben, überall - nur nicht in seinem eigenen Land, wo die Bevölkerung der Reformen und Reformversuche, also der Abstriche und Umgestaltungen, überdrüssig wird. Vielleicht wird er nicht geputscht, vielleicht nur abgewählt.
Und das System, das er zu reformieren versuchte, um es zu retten, wird sich womöglich als unreformierbar zeigen.
So dass wir nach einigen Jahren selber darüber lachen werden, wie jemand (auch wir) überhaupt glauben konnte, dass „so ein System“ vielleicht noch reformierbar wäre!
Und in zehn, fünfzehn Jahren wird vielleicht auch Barack Obama nichts anderes als ein glanzvoller Ehrengast bei „Bambi“-Verleihungen und ähnlichen Veranstaltungen bleiben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden