Die Abkürzungsverschleierung (AV)

Sprache Ich habe ein Problem mit der Nato und mit der Uno. Ebenso mit dem Elena-Verfahren oder dem Cas-Gericht. Weniger hingegen mit den USA, der RAF oder dem MAD.

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Mein Konsum der deutschen Medien – ob bei der Zeitungslektüre (print oder online), oder bei manchen Texteinblendungen in TV-Nachrichten, wird regelmäßig unterbrochen und betrübt. Manchmal sogar mehr als das: ich werde verwirrt, überrascht, mal auf die Palme gebracht, schließlich verzweifele ich. Der Grund ist jedoch nicht der Inhalt der Nachricht oder die darin versteckte Meinung, oft eine Beeinflussung, sondern – die Abkürzungen. Genauer genommen: die für mich nicht nachvollziehbare Abkürzungspraxis, die ich an guten Tagen für eine Abkürzungsfaulheit, an mittelmäßigen Tagen eine Abkürzungsverschleierung, und an schlechten für eine Abkürzungsverschwörung halte.

Dass man heutzutage – genauso wie übrigens vor 50 oder 100 Jahren – die Namen vieler Organisationen oder technische Begriffe abkürzen muss, steht für mich außer Zweifel. Es spart Tinte, es spart Papier, es spart Zeit des Schreibers wie des Lesers. Mich verstört also keineswegs der Umstand, dass man statt regelmäßig (vorwiegend) eine Abkürzung zur „North Atlantic Treaty Organization“ oder zur „Freikörperkultur“ benutzt falls der Begriff mehrmals im Text vorkommt. Nett finde ich, wenn man beim ersten Erwähnen die Abkürzung in Klammern ergänzt, um dann im Text nur die Abkürzung zu nutzen, etwa „Europäischer Stabilitäts Mechanismus (ESM)“. Es ist wichtig in Zeiten, wo über 40% der Angestellten in der IT-Branche nicht wissen, wofür "IT" steht... In manchen Fällen ist eine Erklärung sogar geboten, nicht nur um das Wissen des Lesers zu bereichern, sondern um einer Verwechslung vorzubeugen, etwa bei „RAF“ („Royal Air Force“ oder „Rote Armee Fraktion“).

Der Grund meines Kopfschüttelns ist jedoch, wenn Abkürzungen nicht nur nicht erklärt, sondern verschleiert werden. Und zwar mit dem Usus (Methode?), aus Abkürzungen Worte zu machen. Eine solche „Verwortung“ passiert, indem man einfach die für die Abkürzung stehenden Großbuchstaben (bis auf den Anfangsbuchstaben) klein schreibt. So entstehen „Worte“ wie „Nato“, „Uno“, „Elena“ oder „Eta“. Dadurch wird dem Leser, erst recht einem möglicherweise unkundigen Leser (sagen wir, ein Teenager, der sich zum ersten mal für Politik oder Technik interessiert) vorgegaukelt, es handle sich um einen seltsamen Namen, nicht um eine Abkürzung. Die weitere Folge dieser „Verwortung“ ist, dass der Leser vielleicht gar nicht (oder: nicht immer) auf die Idee kommt, dass es sich um eine Abkürzung handeln könnte. Und erst recht nicht selber angeregt wird, herauszufinden, was sich denn hinter den einzelnen Buchstaben verbirgt. Wie gesagt: Faulheit, Vereinfachung, Verschwörung?

Das ist aber nur ein Teilaspekt meines Problems. Das andere ist die fehlende Logik. So werden manche Abkürzungen „verwortet“, andere manchmal, und noch welche gar nicht. „Nato“ wird fast immer so geschrieben, „NASA“, „ADAC“ oder „ETA“ kommen auch immer wieder als „Nasa“, „Adac“ und „Eta“ vor, „RAF“, „USA“ oder „MAD“ werden ausnahmslos groß geschrieben. Bei „ELENA“ bzw. „Elena“ hatte ich gar den Eindruck, hier wurde der Name von Anfang an so gewählt, damit man damit schnell & leicht eine nette, „verwortete“ Abkürzung machen kann. Wie bei der Umweltorganisation „BUND“ übrigens auch.

Eine Erklärung für diese Praxis wäre natürlich die, dass man oft vorkommende Abkürzungen, die man als Wort auch aussprechen könnte, eben zu Wörtern macht. „Weil es sich so eingebürgert hat“ und „Es sich leichter liest“. So zumindest die Antwort der „Süddeutschen Zeitung“-Redaktion, als ich vor einiger Zeit genau diese Fragen stellte. Wobei man mir zustimmte, dass es hierfür weder eine klare Rechtsschreibregel gibt, noch interne logische Kriterien.

Interessant, oder für mich ungewöhnlich, war diese Praxis der Abkürzungsverschleierung auch nur, weil ich es aus anderen Ländern / Sprachräumen nicht kannte. In einigen anglo-amerikanischen Texten kommt es sogar oft vor, dass man die Abkürzung noch deutlich kennzeichnet, durch Punkte – eben „N.A.T.O.“ bzw. „O.T.A.N.“ So viel Klarheit hat in Deutschland glaube ich zuletzt nur die „F.D.P.“ 1998 auf ihren Wahlplakaten (mit Klaus Kinkel) gewagt – und ist wohl auch daran gescheitert. Vielleicht haben zu viele Plakat-Leser sich tiefere Gedanken über den Inhalt der drei Buchstaben gemacht – und die Partei nicht für glaubwürdig befunden. Seitdem fehlen die Punkte.

P. S. Klar war mir zumindest bis jetzt, dass man eben nur „auszusprechende“ Abkürzungen so behandelt. Ich habe mich damit eigentlich abgefunden. Bis ich heute in der o.g. Zeitung auf Seehofers Idee der „Pkw-Maut“ stieß – was ein erneutes Kopfschütteln meinerseits zur Folge hatte...

P.S. 2: Der Titel sollte eigentlich "Der Abkürzungsverschleierungsverschwörung-Blog" (AVVB) heissen, nur leider waren es 8 Zeichen zu viel die das Blog-Schreib-Formular des "Freitags" erlaubt...

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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