Die Rente soll in den Ruhestand

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Kaum hat das neue Jahr begonnen, wird aus der Themenkiste wieder die unsterbliche „Rente“ hervorgeholt. Mal soll die Regelung „Rente mit 67“ angepasst, da wieder „überprüft“ oder gar ausgesetzt werden, man denkt über Beteiligung der Selbständigen nach, und wie immer wird um die Höhe des Rentenbeitrags wie des Rentenbetrags gefeilscht.

Vielleicht etwas genervt, oder eher enttäuscht über die langweiligen, weil wiederkehrenden und gleich lautenden Diskussionsbeiträge, sehne ich mich – wie ein biederer Konservativer eben – nach den „guten, alten Zeiten“ - der Vergangenheit.

Genauer genommen nach dem Spätsommer 2009, als „Die Linke“ und Gregor Gysi in meinem Bezirk ein Plakat mit folgender Aufforderung hängen ließen:

„GEGEN DIE RENTE AB 67!“

Da die „Rente mit 67“ schon seit 2005 ein beschlossenes Gesetz war (auch wenn erst ab 2012 in Kraft) kann damit nur gemeint gewesen sein, „die Rente“, also das System der gesetzlichen Rentenversicherung, an sich abzuschaffen.

Und genau das wäre auch mein Vorschlag.

Dabei geht es mir gar nicht um so sehr um das Wohlergehen des Staatshaushalts in dem die Rentenzuschüsse seit Jahrzehnten mehrfach das Haushaltsdefizit übersteigen. Denn genauso wird seit Jahren die Rentenversicherung seit Jahrzehnten mit Aufgaben (und somit Ausgaben) seitens des Staates belastet, für die sie eigentlich nicht geschaffen war (Kriegsopferversorgung, DDR-Renten, etc.), und wofür sie keine Einnahmen durch Beiträge sammeln konnte. Somit wird jedes Jahr gestritten, wer wen eigentlich subventioniert: der Staat die Rentenkasse oder umgekehrt. Ein Punkt ist dabei jedoch unumstritten: Es wird klar, daß die Rentenversicherung keineswegs eine – auch wenn staatliche – unabhängige Institution ist (wie z.B. die Bundesbank oder das Bundesverfassungsgericht), wenn die Regierung deren Ausgaben wie Einnahmen bestimmt– und zwar jedes Jahr aufs Neue. Wozu diese „Parallelgesellschaft“ neben dem eigentlichen Staatshaushalt führen?

Ich gehöre auch nicht zu denen, die die Alterssicherung allein in den Privatsektor auslagern möchten. Erstens, erhalte ich von keiner Privatversicherung eine Provision für diesen Text hier, und zweitens ist spätestens seit der Finanzkrise 2008 offensichtlich, daß „private Finanzverwalter und -berater“ nicht immer sinnvoll die Ersparnisse ihrer Kunden investieren.

Auf keinen Fall will ich älteren Menschen Ihre Existenzgrundlage wegnehmen – die meisten von ihnen haben schließlich Jahrzehnte dafür die Beiträge gezahlt.

Ich sehe jedoch keinen Grund überhaupt jemand als „älterer“ oder „Rentner“ (ob mit 65, 67, 60 oder 70 Jahren) zu bezeichnen, beziehungsweise auf diese Weise von den anderen Bürgern zu unterscheiden! (Und daher besonders zu unterstützen). Warum soll der Staat jemanden mit 68,5 mehr unterstützen als jemanden mit 59? Wegen der 9,5 Jahre? Ist demnach ein 78-jähriger noch mehr „wert“? Sollen wir vielleicht nach Berufsgruppe, Geschlecht, Herkunft, Produktivitäts- und Steuerstatistik der Person unterscheiden und kalkulieren?

Mein Vorschlag wäre die generelle Abschaffung aller staatlichen Rentensysteme (also auch Pensionssysteme für Beamte), und die Einführung einer allgemeinen Bürgerversicherung die aus dem Bundeshaushalt direkt finanziert wird. Für alle – bedürftigen – Staatsbürger. Egal ob es ein(e) arbeitslose(r), 22jährige(r) Alleinerziehende(r) ist, oder aber ein arbeitsloser 82jähriger „älterer Mensch“ (denn die Bezeichnung „Rentner“ würde entfallen). Wer es durch seine Lebensumstände nicht schafft, sein Lebensunterhalt zu bestreiten, soll vom Staat unterstützt werden. Unabhängig vom Alter, abhängig vom Vermögen & Einkommen. Hartz4 für alle (Bedürftigen) – aber auch nicht mehr. Wer aber 50 Jahre gearbeitet hat und privat vorgesorgt hatte kriegt genauso wenig wie ein Student, der eine dicke Erbschaft erhalten hat. Klar, es ist nicht „gerecht“. Es ist solidarisch.

Übrigens, wenn ich mir die Statistiken über die Rentenbezüge 2009 und 2010 ansehe, komme ich zum Ergebnis: Würde man die heutigen Rentner (vor allem Frauen!) wie Hartz4-Bezieher finanziell behandeln (hoffentlich ohne der Bürokratie und der Zwangsmaßnahmen wie Kurse etc.), würde die Mehrheit sogar besser dastehen als heute. Und wenn man meint, daß die Höhe der staatlichen Hilfe zu niedrig sei – sollte diese erhöht werden. Nur dann – für alle Bezieher, für jeden Menschen.

Eine solche Bürgerversicherung sollte jedes Jahr automatisch mit der Inflationsrate angehoben werden. Also keine Verhandlungen, Versprechungen und kein Feilschen um Erhöhung der Renten. Und wer „im Alter“ mehr haben will – kann es ja haben, indem er/sie doch privat zusätzlich spart.

Auf der Einkommensseite würde ich hingegen - fast - nichts ändern. Die 19,9% des Gehalts würden dann weiterhin, quasi als eine „Brutto-Einkommenssteuer“ erhoben werden – nur eben dem Bundeshaushalt zufließen. Mit zwei Änderungen: Erstens, Selbständige (wie ich) sollten ebenfalls diesen Beitrag entrichten. Zweitens, der („Renten“-)Beitrag der höheren Einkommen (leider ich nicht) soll nicht mehr „gedeckelt“ werden (abgesehen davon, daß die 19,9% ja ohnehin eine Art Flat-Tax sind), sondern von dem ganzen Einkommen abgezogen werden.

Wie schon erwähnt, die Hauptmotivation meiner Überlegungen ist jedoch nicht der Bundeshaushalt mit seinen Ein- und Ausgabenposten, sondern eine verfassungsrechtliche Gleichstellung aller Bürger. Die deutsche Verfassung betont mehrfach „das Soziale“, an keiner Stelle werden jedoch Menschen aufgrund ihres Alters als bevorzugt erwähnt.

Darüber hinaus würden wir uns auch Diskussionen ersparen, bis zu welchem Alter man denn arbeiten sollte (oder eben nicht) – wobei es mir einleuchtet, daß ein „Rentenalter“ (wenn schon) irgendwie zumindest an die Lebenserwartung gekoppelt werden sollte.

Erübrigen würden sich ebenso Aufrufe zu mehr „Kinderfreundlichkeit“ (ergo: Kinderzeugung) oder mehr Immigration – die beide eigentlich nur verkappte „Jemand soll ja in Zukunft unsere Renten bezahlen!“-Gedanken sind.

Es gäbe da noch den Einwand, durchaus relevant und berechtigt: „Aber die Leute haben ja ihre Beiträge bezahlt!...“ Erstens ist der s.g. „Generationenvertrag“ kein Vertrag, sondern nur eine vorübergehende Abmachung. Denn ein Umlageverfahren konnte – vor allem demographisch - nicht nachhaltig sein. Er war aber notwendig: denn damit wurden nach dem Krieg Millionen von mittellosen, aber fürs Arbeiten zu alten Menschen geholfen. Sie erhielten eine Altersrente, ohne dafür eingezahlt zu haben. Ähnlich war es mit DDR-Rentnern nach 1990 und dem Wert der von ihnen bis dahin eingezahlten Beiträge.

A propos: Auf dem erwähnten Wahlplakat stand natürlich noch mehr: „Dieses Gesetz ist eine Rentenkürzung. Es muss sofort aufgehoben und durch eine Rente ersetzt werden, die Armut im Alter verhindert. Für Jung und Alt solidarisch.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden