Die Verbrecher und ihre Komplizen

Banken Viele Banken betreiben nachweislich kriminelle Geschäftspraktiken. Viele Menschen sind freiwillig immer noch Kunden dieser Banken - und machen sich damit zu Komplizen.

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In manchen Ländern gibt es vor allem in den regionalen Tageszeitungen einen besonders spannenden Teil, genannt „Schwarze Chronik“. Dort wird jeden Tag von Mord & Totschlag, Überfall, Raub, Betrug und anderen Verbrechen berichtet. Wenn man sich die Wirtschafts-Teile der führenden europäischen Tageszeitungen ansieht, könnte man diese ebenso in „Schwarze Wirtschaftschronik“ umbenennen, vor allem dank der Banken und ihrer Geschäfte: Bankautomat-Abzocke, Beratungsbetrug, LIBOR-Manipulationen, Beihilfe zu und eigene Steuerhinterziehungen, Lebensmittel-Spekulationen, und zuletzt der Devisenhandel-Skandal. Die Banken liefern wöchentlich, wenn nicht täglich, neue Geschichten, die einen erschaudern lassen.

Wirklich erschaudern lassen? Ja, vielleicht. Doch mehr passiert oft nicht. Damit meine ich nicht das Eingreifen des Staates, der Regulierungsbehörden und des Staatsanwälte – wobei auch diese Zurückhaltung zu kritisieren ist. Ich meine „uns“, die Kunden dieser Banken. Nur wenige tun mehr als „erschaudern“, nur weniger ziehen Konsequenzen – indem sie die Bank wechseln. Es scheint, daß der Kunde und „aufgeklärte Bürger“ in anderen Fällen eher und entschlossener handelt, um seinen Protest kund zu machen oder gar sein langfristiges Verhalten zu ändern: (wer es sich leisten kann) wechselt „dank“ Lebensmittel-Skandale mehr zu „bio“, wem die Arbeitspolitik einiger Discounter oder Bekleidungsketten nicht passt – geht nicht mehr hin. Wenn ein Telekommunikationsunternehmen ihre Internet-Angebote ändert oder die versprochene Mobilfunk-Bandbreite nicht gewährleistet – Scheiß-Stürme der Entrüstung. Wegen der Sorge ums „Klima“ wollen wir weniger fliegen und mehr Radfahren (ein Elektroauto kann sich noch nicht jeder leisten). Doch beim Thema „meine Bank und mein Geld“ scheint der Mensch viel zurückhaltender zu sein... Nicht einmal die Finanzkrise, die die Absurdität und Instabilität des Banken- und Finanzwesens offenbart hatte, hat wirklich nennenswerte Wechselbewegungen der Bankkunden erzeugt.

Sind diese Menschen zu träge, zu gestresst, zu ängstlich, oder zu naiv, um den Weg zur Bankfiliale zu machen und ein Konto zu kündigen? Kann es vielleicht sein, daß so viele Kunden „ihren“ Banken noch immer vertrauen? Oder eher, daß man deren kriminelle Geschäftspraktiken nicht nur „schluckt“, sondern – still und leise – doch froh ist, wenn eine Bank „ein gutes Ergebnis“ macht – und damit die Sparbuch-Rendite sichert? Oder wollen viele Kunden einfach glauben, „ihre“ Bank sei ja „gar nicht so böse“? Klar, nicht jeder hat ein Konto, Sparbuch oder sonstige „Dienstleistung“ bei der Deutschen Bank, Citi, UBS, JP Morgan oder der Commerzbank. Doch auch jedem Kunden der Postbank (wie auch der Sal. Oppenheim) müsste klar sein, daß auch er damit nur der Deutschen Bank sein Kapital zum spielen überlässt. Und auch die Targo-Bank ist nur eine – ausgerechnet wegen des schlechten Image während der Finanzkrise – umbenannte Citibank.

Denn mit jedem einzelnen Euro, den wir einer verbrecherischen Bank überlassen, helfen wir ihr. Man muss kein Großkapitalist oder Millionenerbe sein, es reicht ein Girokonto – das Prinzip ist das gleiche. Mit jedem Euro, den eine Bank dank uns zur Verfügung hat, kann sie Geschäfte machen: legale, illegale, halblegale. Mehr noch – jeder unserer Euro hilft als Einlage der Bank noch mehr Kapital von der Zentralbank zu leihen – um damit dank des Leverage-Effekts noch größere Geschäfte zu treiben.

Vielleicht gibt es noch einen Grund, warum manche „die Großen“ (Banken) mögen – „der Staat wird die Bank – und somit meine Ersparnisse - schon nicht fallen lassen.“ Was bei kleineren, weniger bekannten Bankinstituten vielleicht nicht so sicher scheint. Viele Bankkunden spielen also dasselbe „moral hazard“-Spiel wie die Bankvorstände: Man gewährt riskante und/oder unmoralische Geschäftspraktiken, hoffend auf eine bessere Rendite – und geht davon aus, daß der Staat schon aushelfen wird, sollte was schief gehen. (Wem sind übrigens die „Griechenland-Hilfen“ zugute gekommen? Den Griechen? Dem griechischen Staat? Nein – den deutschen und französischen Banken, und vor allem ihren Kunden.)

Ich würde von niemanden erwarten, a priori jede Bank zu verdächtigen und gar kein Konto zu haben. Doch sobald es nachweislich bekannt wird, daß eine Bank krumme Geschäfte zu verantworten hat - hat jeder Kunde zu verantworten, daß er diese Bank nicht verlößt.

Es ist auch keine Ausrede von einem baldigen Bankencrash auszugehen, und zu sagen: "Bald bricht das ganze System sowieso alles zusammen, also was muss ich da viel ändern..."

Es reicht auch nicht, auf Handlungen des Staatsanwalts oder auf neue Gesetze zu warten. (Das kann dauern...)

Ich weiß, der Weg zur Bankfiliale mit dem festen Vorsatz „bei denen bin ich jetzt aber weg!“ kann sich in der Praxis schnell dahingehend wandeln, daß man auf dem Weg zurück nach Hause das Konto nicht nur nicht gekündigt hat, sondern noch mit einem zweiten Konto und einer Rentenversicherung oder Kredit zurückgekehrt – die Bankenberater haben ja einiges drauf. Doch die Mutprobe lohnt sich. Und gerade in Zeiten der Nullzinsen sollte es nicht so schwer fallen, zu überlegen, ob man einem Betrüger sein Geld weiterhin zur Aufbewahrung überlassen sollte. Außer man will ja mitmachen – und sich so zum Komplizen einer kriminellen Bank machen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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