Freispruch für Nietzsche

Gott ist tot! Friedrich Nietzsches wohl berühmtester Satz lautet „Gott ist tot!“ - hat Nietzsche damit Gott "getötet"?

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"Gott ist tot!"

Drei Worte plus Ausrufezeichen, kurz und klar, und dennoch so oft nicht nur missverstanden, sondern gar missbraucht. Dabei wird Nietzsche nicht nur die Idee und der Wunsch nach Gottes Tod, sondern dessen (geistige) Vollstreckung zugeschrieben. Je nach Fall als Vorwurf seitens der Gläubigen oder als Lob seitens der Atheisten. Mancher vermutet in dem Ruf auch das Fundament zu Nietzsches Idee des Übermenschen (auch diese oft missdeutet). Ich selbst dachte lange, der Satz befände sich im „Also sprach Zarathustra“ oder im „Antichrist“.

Dabei entstammt dieser Satz der Sammlung der Aphorismen „Die fröhliche Wissenschaft“ (Aphorismus 125), einem Buch, welches vor den beiden oben erwähnten Werken geschrieben wurde. Mehr noch, und viel wichtiger ist aber, daß dieser Satz aus dem Zusammenhang gerissen wird. Der volle Aphorismus lautet nämlich:

„Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet. Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder?“

Hier wird ersichtlich, daß Nietzsche nicht nur keineswegs Gottes Tod wünschte, sondern diese „Tatsache“ bitter beklagte. In späteren Werken, vor allem im „Antichrist“, wird von Nietzsche immer wieder die These aufgestellt, daß gerade das Christentum am „Gottes Tod“ schuld ist. Wobei natürlich auch Nietzsche klar war, daß weder ein Mensch noch eine Religion Gott tatsächlich töten könne. Vielmehr die Idee Gottes oder den Glauben an Gott.

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Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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