Für 0,0-Promille

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Ich wünsche mir die 0,0 Promille-Grenze. Nicht nur als Anteil des Alkohols im Blut der Verkehrsteilnehmer, sondern vielmehr – als die Rate der Geldentwertung, der Inflation. Auch wenn diese derzeit in Prozent berechnet wird.
Erfreulicherweise liegt diese in Deutschland derzeit tatsächlich bei ca. 0,0 Prozent. Doch seltsamerweise wird diese Tatsache in der Öffentlichkeit eher als problematisch angesehen.

Doch ich bin der Meinung, dass wir in Deutschland froh sein können, nicht in einer Lage wie Simbabwe zu sein, wo die Inflation sogar mit 90 Trillionen Prozent (!) pro Jahr angegeben wird. Also wo der Geldschein der Notenbank schon in den Zehntelsekunden des Druckprozesses um 500 Millionen Prozent am Wert verliert.
Aber auch vergleichbar „leichtere“ Inflationsausbrüche mit Raten um „nur“ 100-500 % pro Jahr wie in der Zwischenkriegszeit, oder in den 90er Jahren in Polen, Russland, Brasilien sind keine angenehme Sache: Wenn am Ende des Monats (oder des Tages) mein verdientes oder erspartes Geld nur die Hälfte wert ist, wird selbst ein von Konsumwahn, Profitsucht oder Sparbesessenheit unbelasteter Mensch nachdenklich, wenn nicht erbost.

Ich werde dagegen, wenn nicht erbost, so doch sehr kritisch und voller Verwunderung, wenn von manchen Ökonomen und den ihnen folgenden Wirtschaftsjournalisten eine „gemäßigte“ Inflation als nicht nur „unproblematisch“, sondern oft als „förderlich“ angesehen wird.
Förderlich in dem Sinne, dass „die Konjunktur am Laufen gehalten wird“, indem der Bürger einen Anreiz „zu weiteren Konsumausgaben“ behält.
Man kann es auch auf Deutsch sagen: Die Entwertung des Geldes wird für gut befunden, weil wir dann dazu gedrängt werden, wenn gar nicht gezwungen, dieses Geld – also unser erarbeitetes (oder ererbtes, oder im Lotto gewonnenes) Vermögen – so schnell wie möglich auszugeben. Gegebenenfalls – anzulegen, was auch nie ohne Risiko möglich ist.
Auch bei einer geringen Inflationsrate, sagen wir von 1-2%, wird mein Vermögen entwertet, genauso wie bei der astronomischen Entwertung in Simbabwe. Doch ob mir jemand über Nacht das ganze Vermögen, oder nur 5 Euro weg nimmt – beides bleibt Verlust.

Selbstverständlich ist auch eine „negative Entwertung“ des Geldes, also Deflation, abzulehnen. Ein Zustand, in dem mit der Zeit mein Geld – ohne dass ich es angelegt hätte – an Wert gewinnt.
Denn Geld sollte nur ein Tauschmittel sein, und seinen Wert behalten. Eine Entwertung (Inflation) oder Aufwertung (Deflation) des Vermögens ohne einer wirtschaftlichen Tätigkeit als Grund ist nicht nur absurd, sondern schädlich.
Nicht nur wirtschaftlich, sondern meiner Meinung auch psychologisch: Die Inflation motiviert mich zu unnötigen (voreiligen, übertriebenen) Geldausgaben („Lieber heute als morgen, lieber mehr als weniger!“), die Deflation zur ebenso unnötiger Zurückhaltung und Geiz („Statt heute zu kaufen, warte ich lieber, dann ist mein Geld mehr wert!“).

Mag sein, dass ich mir unnötig über „die paar Prozentpunkte“ Gedanken mache. Doch wenn jedes Jahr (!) „um ein paar Prozentpunkte“ die Mehrwertsteuer oder eine andere Steuer erhöht worden wäre, würden die meisten mit stärkeren Emotionen als bei der Inflation reagieren – bei der ebenfalls am Einkommen und Vermögen eines jeden „geknabbert“ wird.
Froh können nur diejenigen sein, die verschuldet sind, und für diese Schulden jedoch fixe Zinsen zahlen können: Je wertloser die Währung, in der man sich verschuldet hatte, desto weniger muss man real zurückzahlen. Ist das vielleicht der Grund, dass man sich auch seitens des Finanzministeriums sorgen um eine Null-Inflation macht?

Jedenfalls – ob in Deutschland oder Simbabwe – ist eine geplante Inflation ein Prozess der schrittweisen, unscheinbaren und unaufhaltsamen Enteignung des Bürgers, bei der der Staat seine Monopol-Stellung als Währungsanbieter ausnutzt anstatt dafür zu sorgen, dass eine 100-Euro-Note nach einem Jahr tatsächlich 100 Euro wert ist.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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