Glaubensfremde Glaubensmotivationen

Pascal & Dostojewski B. Pascal und F. Dostojewski - beide selbst vom Gottesglauben erfüllt – versuchten durch „Vernunfts-“ oder „Nutzenargumente“ dem Glauben an Gott den Weg zu ebnen.

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Blaise Pascal (1623 – 1662), ein französischer Philosoph und gläubiger Katholik, versuchte mal, die „Ungläubigen“ oder „Zweifelnden“, mit dem Mittel der „Vernunft“ zum Glauben zu überzeugen, und zwar durch folgendes Gedankenspiel, die gleichzeitig eine „Wette“ ist:

„Es muß gewettet werden, das ist nicht freiwillig, ihr seid einmal im Spiel und nicht wetten, daß Gott ist, heißt wetten, daß er nicht ist. Was wollt ihr also wählen? [...] Ihr habt zwei Dinge zu verlieren, die Wahrheit und das Glück und zwei Dinge zu gewinnen, eure Vernunft und euren Willen, eure Erkenntnis und eure Seligkeit, und zwei Dinge hat eure Natur zu fliehen, den Irrtum und das Elend. Wette denn, daß er ist, ohne dich lange zu besinnen, deine Vernunft wird nicht mehr verletzt, wenn du das eine als wenn du das andre wählst, weil nun doch durchaus gewählt werden muß. Hiermit ist ein Punkt erledigt. Aber eure Seligkeit? Wir wollen Gewinn und Verlust abwägen, setze du aufs Glauben, wenn du gewinnst, gewinnst du alles, wenn du verlierst, verlierst du nichts. Glaube also, wenn du kannst.“ („Gedanken“, Nr. 246)

Es gibt also vier Möglichkeiten, die seitens des Menschen nicht a priori feststellbar sind:

  1. Man glaubt an Gottes Dasein, und Gott existiert auch → Man wird belohnt und kommt in den Himmel.

  2. Man glaubt an Gottes Dasein, und Gott existiert jedoch nicht → kein Nutzen wie kein Schaden.

  3. Man glaubt nicht an Gottes Dasein, und Gott existiert auch nicht → kein Nutzen wie kein Schaden.

  4. Man glaubt nicht an Gottes Dasein, Gott existiert aber → Man wird bestraft und kommt in die Hölle.

Ich lasse hier absichtlich Punkte beiseite, die ansonsten sehr einer weiteren Diskussion würdig wären, wie Opportunitätskosten des Glaubens bei Option 2 oder daß man auch bei Option 1 - wegen „schlechter Führung“ - dennoch in die Hölle käme.

Das Bezeichnende bei dieser „Wette“ ist, daß Pascal hier mit Argumenten der Vernunft oder gar der „erwarteten Gewinnwahrscheinlichkeit“, ja einer „Einsatz-Nutzen-Kalkulation“ an uns herankommt, während es ihm wohl ein Anliegen ist, dem Leser den Glauben näher zu bringen. Glaube kann jedoch keine Vernunftsache sein, das gilt nicht nur für Atheisten, sondern (erst recht!) für Agnostiker und Gläubige. Daher müsste eigentlich jeder Gläubige – egal welcher Konfession und ob überhaupt einer Religion angehörig – Pascals Wette als unwürdig, lächerlich, oder gar abscheulich empfinden. Für einen Atheisten ist eine solche Wette hingegen zumindest ein Beweis, daß es bei Pascal keinen Gott gab.

Fjodor Dostojewskis (1821 – 1881) berühmtes „Gottesargument“ ist noch schlimmer:

„Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt.“

Obwohl Dostojewski zum Zeitpunkt, als er dieses in einem seiner Briefe schrieb, selbst ein gläubiger Mensch war – kann diese Herangehensweise nur Kopfschütteln, oder eher Schaudern hervorrufen. Vielleicht wollte Dostojewski damit sagen, ohne Gott wäre in Menschen keine Moral - ähnlich wie dies Kant in seinem berühmten „Sternenhimmel über mir...“-Satz formulierte. Ein solcher Satz kann aber auch wie folgt interpretiert werden: Gott ist nur dazu da, damit wir Menschen ethische Grundsätze haben. Gott ist dazu da, damit wir hierarchische Machtstrukturen und „Ordnung“ haben.

Ein solcher Gedanke ist grausam und glaubensfern. Es bringt nicht nur keinen Menschen näher an die Transzendenz, es versucht auch, Gott gegen Freiheit auszuspielen. Hätte Karl Marx diesen Spruch Dostojewskis gekannt, hätte er wohl ohne Unrecht gesagt: „Die Religion ist die Peitsche für das Volk.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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