Gloria for President!!!

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Am Samstag, den 23. Mai 2009, wird der deutsche Bundespräsident gewählt.
Der Umstand, dass diese Wahl nicht vom Volk, sondern von es mehr oder weniger (oder gar nicht) repräsentierenden Mitgliedern der Bundesversammlung vorgenommen wird, führt in den letzten Wochen, wenn nicht Monaten, zu vielen Diskussionen und Spekulationen.

Nicht, weil etwa jemand es wagen würde, den Vorschlag zu unterbreiten, die Deutschen sollen ihr Staatsoberhaupt eigenständig wählen – dazu scheinen die Deutschen sich selber zu „unweise“ zu sein, auf jeden Fall weniger „weise“ als z.B die Polen, die Amerikaner, die Österreicher und die meisten demokratischen Länder in Europa (ausgenommen der Monarchisten). Der Grund für Meinungsartikel, Prognosen und sonstige Kaffeesatzleserei ist das tatsächliche Wahlverhalten der Bundesversammlung.

Denn dieses Organ, das sich nur zum Zwecke der Bundespräsidenten-Wahl bildet, besteht nur zur Hälfte aus gewählten Bundestagsabgeordneten (612). Die andere Hälfte sind Personen, die von den Parteiorganisationen der Bundesländer in die Bundesversammlung entsandt werden – um (hoffentlich) ihren Kandidaten/Kandidatin zu wählen. Wohlgemerkt – mit „ihren“ meine ich den Kandidaten der Partei, nicht des Abgesandten.
Diese Wahlleute sind oft, aber nicht immer Parteipolitiker.
Und genau das aber sät Unruhe, nährt die Spekulationen: Was, wenn einer von ihnen doch anders wählt, als es die ihn entsendete Partei gewünscht hätte?
Immer noch in Erinnerung ist die Wahlentscheidung der Gräfin Gloria von Thun und Taxis, die als CSU-Abgesandte nicht nur entgegen der Vorstellung der Partei nicht H. Köhler, sondern G. Schwan gewählt hatte – und danach noch begeistert ihr und den Fernsehkameras diese Entscheidung mitgeteilt hatte. Ein Horror für jeden Parteifunktionär!
Die Spannung wird dadurch verstärkt, dass die jeweiligen „politischen Lager“ (kein schönes Wort, finde ich) fast gleich so viele Stimmen haben: Die Unterstützer des Amtsinhabers Horst Köhler kommen auf 614 Stimmen (CDU, CSU, FDP, Freie Wähler), während seine Hauptkontrahentin Gesine Schwan – sollte die Linkspartei für sie stimmen – auf 604 Stimmen zählen könnte. Dazu kommen noch sechs „nicht zugeordnete“ Wahlleute (NPD und „sonstige“ bzw. fraktionslose Abgeordnete). Bei einer erforderlichen Mehrheit von 613 Stimmen kling es tatsächlich nach einem „Herzschlagfinale“ und einem „Fotofinish“.

Ich hätte für diesen Samstag jedoch einen Wunsch, wodurch es nicht unbedingt ein „knappe Entscheidung“ sein sollte – wobei sie durchaus eine spannende, ja eine überraschende sein darf.
Es wäre schön, wenn man die „Spekulationsmenge“ so weit ausweitet, dass die Stimmzählerei (vor der Wahl!) wenig Sinn macht und aufhört.
Wie?
Ich wünsche mir einfach, dass es bei dieser Wahl mehr Gräfinnen Glorias gibt. Auch wenn diese Person in der Öffentlichkeit weniger als Dieter Bohlen geschätzt wird. Mögen alle Mitglieder der Bundesversammlung ihre Parteizugehörigkeit und -nähe vergessen, und zur 1224 Glorien von Thun und Taxis werden, indem sie den Bundespräsidenten allein ihrer persönlichen Überzeugung und Gewissen nach wählen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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