Ja zu Maxigehalt, Ja zu Minilohn

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Heute wurde entschieden, dass VW Porsche übernimmt, und dass nebenbei Wendeling Wiedeking seinen Chefsessel bei Porsche räumen wird. Das zweite war vorhersehbar, und genauso vorhersehbar sind die zahlreichen bösen Stimmen des Entsetzens über seine geplante Abfindung von ca. 250 Millionen Euro.

Deswegen finde ich den Zeitpunkt günstig, mich gegen jegliche Beschränkung von Manager-Gehältern (incl. Abfindungen) auszusprechen.
Ich bin der Meinung, dass jedes Unternehmen frei entscheiden sollte, zu welchem Gehalt jemand eingestellt werden soll, und auch zu welchen Konditionen diese Person vorzeitig entlassen werden soll. Mag es noch so absurd oder „unberechtigt“ erscheinen. Ist ein astronomisches Gehalt durch die Leistung der Person, die es bezieht, wirtschaftlich nicht gerechtfertigt, war es eben eine Fehlkalkulation des Unternehmens, genauso wie eine verlustbringende Übernahme oder eine misslungene Produkteinführung. Es sind die Eigentümer, die entscheiden, und es ist ihr Vermögen, das dabei schmilzt. Das war auch der Grund, warum bisher die Familien Porsche & Piech nichts gegen Wiedekings Gehaltshöhe hatten: Die „Kosten eines Wiedekings“ wurden bis Ende 2008 durchaus durch die Vermögenssteigerung der Porsche-Eigentümer gerechtfertigt.

Übrigens: die 250 Millionen sind einfach nur das, was Wiedeking ohnehin verdient hätte, wenn man ihn in seinem Vertrag (bis 2012) gelassen hätte.
Warum sollte er - aus seiner Perspektive heraus - nachdem er gefeuert wird seinen bisherigen Vertragspartnern was schenken und auf das Geld verzichten?

Man könnte meinen, der Knackpunkt sei also nicht die Abfindung (also finanziell gesehen: die Vertragserfüllung), sondern die Höhe des Gehalts an sich – ca. 80 Millionen pro Jahr.
Mag sein, dass man dieses Geld lieber den Eigentümer-Familien hätte belassen sollen, oder investieren, oder auf die ca. 8000 Mitarbeiter verteilen könnte (wären immerhin 10.000 EUR pro Kopf pro Jahr!). Persönlich habe ich auch noch in den „gut laufenden Porsche-Jahren“ nicht geglaubt, dass ein solches Gehalt sinnvoll sei. Doch dies ist eine unternehmerische Entscheidung, und diese soll man dem Unternehmen lassen, nicht mir oder dem Gesetzgeber.

Ausnahmen sehe ich allerdings bei Unternehmen, die sich entweder in öffentlicher Hand (auch wenn nur zum Teil) befinden, oder – wie einige Banken – vom Staat gestützt werden. Da empfinde ich es viel mehr als Frechheit, wenn ich von den Millionen-Gehältern des Deutsche-Bahn-Vorstands höre oder von dem Vertrag des Chefs der vom Staat geretteten HSH Nordbank, Herr Nonnenmacher, erfahre. Hier sollte der Staat, eben als (Mit-)Eigentümer dafür sorgen, dass das Unternehmensvermögen nicht in wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Gehälter fließt.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Arbeit oder der Verantwortungsradius, eines DB-, Telekom- oder Deutsche Post-Chefs - und somit sein Gehalt - höher sein sollte als das eines Bundesministers oder gar eines Staatssekretärs.

Nebenbei habe ich den Eindruck, dass sich die Öffentlichkeit gerne über die Gehälter von Wirtschaftsmanagern und deren Ethik aufregt, während keiner mit der Wimper zuckt, wenn Herrn Ribery vom FC Bayern ein neuer Vertrag angeboten wird, nach dem er nunmehr nicht vier, sondern acht Millionen Euro jährlich verdienen soll. Ich verfolge die Bundesliga ebenso genau wie das Wirtschaftsgeschehen, doch dass der verletzte Ribery durch Trainingsabwesenheit während der paar Sommer-Wochen sein Können (und somit seinen „Wert als Angestellter“) verdoppeln konnte, scheint mir entgangen zu sein. Und dass „der freundliche“ Dirk Nowitzki oder „der liebe“ Günther Jauch nicht viel ärmer als Wiedeking sind, scheint in der Öffentlichkeit keinen zu stören.

Mich stören diese Gehaltssphären auch nicht – denn durch den Spitzensteuersatz von 42% landet viel in der Staatskasse. Man könnte höchstens darüber diskutieren, ob die 42% viel oder wenig sind – doch das wäre bereits ein anderes Thema.
Klar, ein Manager-Gehalt senkt wiederum den versteuerbaren Unternehmensgewinn – der aber ansonsten auch nur mit knapp 30% besteuert werden würde. Und hätte man den Gewinn nicht durch ein Gehalt, sondern durch z.B. eine umstrittene Firmenübernahme oder die Kosten einer Werbekampagne verringert, würde in den Fiskus noch weniger fließen.

Ich bin also für eine völlige Vertragsfreiheit bei Gehaltsabschlüssen und allen Abfindungsvereinbarungen – die wie andere Entscheidungen einfach Verträge des Unternehmens mit einem Partner sind.

Wäre es daher logisch, dass ich auch für eine völlige Vertragsfreiheit bei Gehalts- und Lohnvereinbarungen für „kleine“ Arbeitnehmer wäre?
Nein, und zwar auch aus wirtschaftspolitischen, mikroökonomischen Gründen.

Erstens haben wir durch die derzeitige Struktur des Arbeitsmarktes die dauerhafte Situation, in der es eine Knappheit an verfügbaren Arbeitsplätzen gibt, während es ein „Überangebot“ an arbeitswilligen Menschen gibt. Das ist deswegen „dauerhaft“, weil es trotz Schwankungen des Wirtschaftswachstums in den letzten 40 Jahren immer einen technologischen Fortschritt gab, wodurch die Maschinen den Menschen als Arbeitskraft mehr und mehr Konkurrenz gemacht haben. Diese Abweichung zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage könnte der Mensch nur theoretisch ausgleichen: indem er „seinen Preis“ (Gehalt bzw. Lohn) senkt – oder aber seine Produktivität steigert (durch Ausbildung z.B).
Das wäre an sich gut, doch das kann er nur in wenigen Branchen tun, und selbst Architekten und Steuerberater werden inzwischen in einem großen Teil ihrer Arbeit von Software ersetzt.
Vor allem aber kann sich ein Mensch, bei konstant bleibenden Lebenshaltungskosten (wenn die es auch blieben!), nicht unendlich leisten, „seinen Preis“ zu senken: Weil er dann keine Wohnung, keine sinnvolle Ernährung und keine gesunde Psyche vorweisen kann – und schließlich wenn nicht stirbt, so doch arbeitsunfähig wird.
Daher ist ein an die Lebenshaltungskosten angepasster Minimal-Gehalt notwendig.

Darüber hinaus, zweitens, muss der Staat einen Minimal-Gehalt einführen, weil es... den Löhnen und Gehältern selber durch Hartz4 (oder sonstige Arten des Unterhalts und Hilfe, auch in Form eines Grundeinkommens) Konkurrenz macht! Hartz4 ist zwar oft kritisiert worden, doch international gesehen ist es eine sehr hohe Leistung, die einem von der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt wird.
Aus diesem Grund soll meiner Meinung nach ein Mini-Gehalt mindestens 150% des Standard-Unterhalts (ob Hartz4 oder Grundeinkommen) ausmachen – nur das wäre nicht nur „motivierend genug“, sondern auch menschlich fair.
Schließlich sollte ein Mini-Gehalt nicht branchenspezifisch sein: Denn wer sollte das Recht haben zu behaupten, eine Arbeitsstunde eines Briefträgers sei weniger Wert als die eines Anstreichers und umgekehrt? Solange ein allgemeiner Mini-Gehalt gesetzlich gilt, sollte diese Bewertung und Entscheidung nur der Vertragsverhandlung zwischen dem Arbeit- bzw. Auftragsgeber und dem Angestellten überlassen werden – wie auch bei Gehältern und Verträgen der Herren Wiedeking und Ribery.

Ob man durch Mini-Gehalt die Arbeitsplätze „vernichtet“? Sie werden ohnehin vernichtet – vor allem durch den technologischen Fortschritt. Ja, auch durch die Konkurrenz aus „Niedriglohnländern“, wobei das ein vorübergehendes Phänomen ist, bei der eine schrittweise Angleichung erfolgen wird: nach oben. Nicht wir sollten unsere Standards senken – auch nicht bei Gesundheit oder Technik - sondern ich wünsche den „Osteuropäern“, Indern und Volks-Chinesen – dass wie es vor Jahrzehnten bei Japanern, Südkoreanern und Taiwan-Chinesen geschah, ihre Löhne durch erhöhte Produktivität zunächst steigen. Und dass dann später auch deren Jobs – wie bei uns – von der Automatisierung weg gefressen werden.
Dann - und jetzt – sollte man sich eher überlegen, wie man einerseits durch die Steuerpolitik das verfügbare Einkommen und Vermögen einer Gesellschaft neu verteilt und einsetzt, andererseits – wie man sich an der (arbeits-)freien Zeit erfreuen kann, die uns der technologischer Fortschritt ermöglicht hatte. Dass Herr Wiederking ab heute sowohl viel Geld, wie auch viel Freizeit hat – damit habe ich allerdings kein Problem.

P.S. Gerade lese ich, dass man sich doch auf nur 50 Mille-Abfindung geeinigt hatte, und dass Wiedeking davon die Hälfte spenden will. Schade, denn so wandert weniger Geld vom Vermögen der Porsche-Eigentümer zum Finanzministerium.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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