Keine Energiewende ohne Energieschnitt

Energiewende Energiewende und umweltfreundlicher "Energiemix" schön und gut. Doch ohne einem "Energiecut", d.h. direkten Senkung des Energieverbrauches, wird es nicht gehen.

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„Vom Umrühren allein wird der Tee nicht süßer.“ sagt ein polnisches Sprichwort. Daran werde ich immer wieder erinnert, wenn ich mir die deutschlandweite, nicht nur hochsommerliche Diskussion um die Energiewende ansehe. Wobei mir klar ist, daß dieses Sprichwort doch nicht so ideal passt. Erstens wird „Zucker“ hierzulande als ungesund empfunden. Und zweitens geht es doch um die Zusammensetzung, um das Mischverhältnis, den Energie-Mix – und zwar, daß dieser „gesünder“, umweltfreundlicher ausfällt. Aber – zum ersten – schmeckt kaum einem Polen der Tee ohne Zucker. Lassen wir also die erwünschte Süße des polnischen Tees der gewünschten Umweltfreundlichkeit des deutschen Energiemixes entsprechen. Dann zum zweiten Einwand: Natürlich wird in Deutschland an der Mischung gearbeitet, man versucht mehr Umweltfreundlichkeit in die Energie (-produktion wie - verbrauch) zu mischen, damit das Leben „süßer“ wird. Dennoch bleibt mein Eindruck, daß man vor allem an das Mischen denkt – und nicht an den – geringeren – Verbrauch.

Denn hier passt wieder mein Tee-und-Zucker-Beispiel besser: Wenn ich den Tee süßer haben will, aber nur eine begrenzte Menge am Zucker habe – warum dann nicht einen um 25% kleineren Tee machen? Wird es mich so unglücklich machen? Vor allem, wenn - wie bei 80% der polnischen Teetassen – mindestens ein Viertel des Inhalts unausgetrunken bleibt?

In Deutschland wird viel und gerne, mehr oder weniger dogmatisch, über den Energiemix, „neue Energien“, Umweltfreundlichkeit, CO2-Neutralität, Tank oder Teller, Kraftwerksarten, Motorenarten, Windräder am Lande und im Meer, mehr oder weniger subventionierte Solarzellen wie Atomkraftwerke diskuttiert, und wie man „das alles“ - am liebsten ohne Kostensteigerungen – zu einem umweltfreundlichen Energiekonzept zusammenschnüren könnte – vor allem mit Blick auf die Zukunft. Überraschend selten und leise sind Stimmen, die zu einer generellen Senkung des Energieverbrauchs aufrufen – egal ob die Energie nun durch Uranium oder durch Bioabfälle erzeugt werden soll. Es gibt gar Stimmen aus dem „grünen“ Lager, die einen wachsenden, doch umweltfreundlichen Energieverbrauch als möglich sehen. Man überlegt sich in allen Varianten das „Wie“ des Energieverbrauches (bzw. der Energieherkuft), spricht jedoch ungerne über die Möglichkeit des „Warum nicht weniger?“. Denn dies ist nicht nur die einfachste, sondern direkte und unbedingte Chance, um weniger Schadstoffe in die Umwelt zu blasen. Natürlich, je umweltfreundlicher dieser gesenkte Energieverbrauch wäre, umso besser.

Seltsamerweise sind auch Stimmen aus der Wirtschaft und Wirtschaftspolitik kaum zu vernehmen – die ansonsten gerne vom „Sparen“ reden - die diese einfache Rechnung vor sich her tragen würden: Je weniger Energieverbrauch, desto niedriger die Energiekosten, und somit dieProduktionskosten. Energieeffizienz ist nicht nur ökologisch, aber vor allem ökonomisch – für Produzenten, Exporteure wie auch für dieVerbraucher. Selbstverstädnlich „kostet es etwas“ - am Anfang. Die Investition in energiesparende Maschinen, Fahrzeuge, Produktionsverfahren, wie beim Konsumenten in neue Kühlschränke oder benzinsparende PKWs. Das weiß auch jeder Chef eines Speditionsunternehmens: Wenn er 4 neue LKWs beschaffen muss, wird er lieber die sprintsparenden Modelle bestellen – selbst wenn diese in der Anschaffung etwas teurer ausfallen.

Anscheinend ist Energie immer noch zu billig, wenn nicht mehr Menschen wie Unternehmen diesem „doppelten Öko-Weg“ (ökonomisch und ökologisch) folgen wollen. Oder man hofft – ob privat oder unternehmerisch – immer noch auf mögliche Geschenke vom Staat, wie Solarsubventionen, Atomsubventionen, Pendlerpauschale, Befreiung von Energieumlage, Senkung der Mineralölsteuer und so weiter. Oder auf jahrzehtelange Ausnahmeregelungen wie der s.g. „Industriestrom“ - also Strom für (produzierende) Unternehmen, welcher pro Kilowattstunde billiger als ein „Privatstrom“ ist.

Dass Energiesparen möglich ist, und nicht unbedingt das Zusammenbrechen der ganzen Republik bedeutet, kann man an vielen kleinen Beispielen erkennen:

  • ein neuer Kühlschrank spart schon mal bis zu 25% des Energieverbrauchs fürs Kühlen und Gefrieren. Nach einer Online-Erhebung der Energieagentur NRW verursacht das Kühlen in Single-Haushalten 15 % des gesamten Stromverbrauchs. In 5-Personen-Haushalten sind es immer noch mehr als 10 %.

  • Stand-By: Nach Schätzungen des Bundesumweltamtes verbrauchen Elektrogeräte im Stand-by Betrieb in Deutschland pro Jahr rund 22 Milliarden Kilowattstunden. Das entspricht plusminus der Jahresleistung von drei Atomkraftwerken. Auf ein Haushalt gerechnet beträgt die Ersparnis beim Stand-By-Abschalten bei allen Geräten 115€ pro Jahr.

  • Sprit-Sparen: Da verweise ich gerne auf Gustliks Selbstversuch (obwohl er gar nicht angibt, ob er mit oder ohne Klimaanlage fährt): https://www.freitag.de/autoren/gustlik/beschweren-wir-uns-nicht

  • Ansonsten gibt es da noch vieles: weniger eingeschaltete mobile Geräte, generell weniger PC & TV, mehr Fahrrad & Fußweg als Auto & Öffis, Kochen/Aufwärmen für mehr Personen, etc. etc.

So viel zu „unserem“, privaten Beitrag. Wobei ich mir vorstellen kann, dass Effizienzsteigerungen und Energie- (und damit Kosten-)Ersparnisse bei Unternehmen mindestens so hoch ausfallen könnten. Manche gehen bereits in diese Richtung: Es ist nicht nur Umweltfreundlichkeit, sondern auch rein ökonomisches Denken, wenn Facebook oder Google überlegen, ihre riesigen Serverfarmen nach Schweden oder Island auszulagern: Dort ist es kälter, ergo braucht man für die heißlaufenden Rechner weniger Kühlung.

Und der Staat? An sich bin ich immer eher staatsskeptisch eingestellt – außer wenn ich völlig ideologiefrei sehe, daß dieser als „Mitspieler“ oder „Mitmischer“ tatsächlich viel bewegen kann – und zwar, bevor sich viele einzelne dazu aufraffen. Mein Lieblingsbeispiel ist Japan. Natürlich nicht direkt wegen Fukushima – eher indirekt, als Folge. Die Stadt Tokio stand nach dem Super-GAU auch vor einem Energie-GAU. Was geschah? Man hatte kurzfristig durch mehr oder weniger sinnvolle Verordnungen den Energiebedarf der Metropole um sagenhafte 25% gesenkt – und das innerhalb von wenigen Wochen:

  • die Stadtverwaltung kündigte als erste Maßnahme zum Energiesparen an, 80 000 der 150 000 Straßenlaternen abzustellen.

  • die Mitarbeiter der Verwaltung sollten außerdem mindestens bis zum dritten Stock die Treppen benutzen. Die Hälfte aller Aufzüge in den Hochhäusern sollte ebenfalls abgeschaltet werden.

  • um Abhilfe gegen die Hitze zu schaffen, hat die Regierung die Zeit des „Super Cool Biz“ ausgerufen. Wer wollte, durfte nun auch in Poloshirt und Sneakers ins Büro kommen, dafür wurden Räume und Bahnen nur noch auf 28 Grad runtergekühlt.

  • In Tokio mussten Arbeiter eine Stunde früher zum Dienst erscheinen. Damit sollte Strom für Klimaanlagen und Beleuchtung gespart werden.

  • Zahlreiche Leuchtreklamen wurden für die Nacht abgeschaltet.

Ich habe die o.g. Punkte bewußt in der Vergangenheitsform verfasst, da es so aussieht, als hätte Japan über ein Jahr nach Fukushima doch nicht so viel gelernt – angeblich sind viele der o.g. Maßnahmen inzwischen rückgängig gemacht worden. Dennoch zeigt dieses Beispiel, wie schnell man wie viel an sinnlos verpulverter Energie einsparen kann – ohne daß eine Infrastruktur oder tägliches Leben darunter leiden (auch wenn man etwas mehr schwitzt und sich bewegen muss).

Auch US-Präsident Obama hat gerade ein „Vier-Liter-Auto“-Programm verkündet. Damit sollen die in den USA verkauften PKWs bis 2025 im Schnitt nur 4,3 l / 100 km an Benzin verbrauchen. Damit würde jedes Auto im Schnitt zwar bis zu 3000 USD teurer sein – doch die Benzinersparnis (angenommen die Preise steigen nicht weiter!) läge pro Lebenszeit des Wagens bei 8000 USD. Die Ausgaben für Treibstoff würden um 1,7 Billionen USD pro Jahr sinken – und die USA könnten auf fast 50% der Ölimporte verzichten.

Der einzige, der sich bei solcher Entwicklung nicht freuen würde, wäre der Finanzminister – und sicherlich nicht nur der amerikanische. Der Staat würde Milliarden an Mineralölsteuern verlieren.

Das ist der Punkt, wo ich wiederum nicht zu viel Vertrauen (und Aufgaben) alleine dem Staat überlassen würde – und ohne auf mögliche Verordnungen „von Oben“ zu warten mit dem Energiesparen anfangen würde.

Den Anfang habe ich bereits hinter mir – seit mehr als einem Jahr trinke ich Tee ohne Zucker, in kleineren Tassen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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