Kirchhof 2.0 – Für die Vereinfachung der dt. Steuergesetzgebung

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Nein, Paul Kirchhof ist kein Softwareprodukt, das nun in neuer Version herunterzuladen ist. Er ist für mich auch mehr als „der Professor aus Heidelberg“ - aber da jener Disput und Bezeichnung unwürdig waren, lassen wir es. Es geht mir vielmehr um die Überlegung, in wie weit man – trotz des Wahlkampfs und der „Torschusspanik“ der Parteien vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung – doch über Inhalte und Reformen denkt und redet. Zum Beispiel darüber, ob man nicht Paul Kirchhofs Ideen von 2005, vielleicht teilweise und angepasst, als überlegenswert, als interessant, als „umsetzungsnotwendig“ betrachten könnte.

Kirchhofs wichtigster Ausgangspunkt war nicht die Ökonomie, nicht die Ideologie einer Partei, sondern – das Recht, die Rechtswissenschaft, die Rechtsgleichheit, Gerechtigkeit. Wobei man natürlich über die Definition der letzteren unendlich streiten kann.
Kirchhofs Gerechtigkeitsansatz war jedoch, dass man die deutsche Steuergesetzgebung auf die Weise vereinfachen und vereinheitlichen sollte, dass alle Einkommensarten (ob aus Arbeit oder Kapital) bei allen Steuersubjekten (Einkommensklassen, private Personen wie Firmen, Singles oder Ehegatten etc.) denselben Steuersätzen unterliegen.

Das bedeutet erstens einen Einheitssteuersatz (s.g. „flat tax“), bei dem sowohl ein Spitzenverdiener, wie ein Geringverdiener denselben Steuersatz auf das Einkommen zu zahlen haben (auch wenn selbst im Kirchhof-Modell dennoch Freibeträge und somit „soziale“ Progression existierte).
Dieser Punkt wurde am meisten (vor allem „von links“) kritisiert. Nicht nur als „sozial ungerecht“, sondern auch weil der vorgeschlagene 25%-Satz zu einem riesigen Haushaltsdefizit führen würde.

Zweitens, würde man an einer anderen Stelle mehr Steuereinnahmen generieren: durch Abschaffung aller Steuervergünstigungen (Pendlerpauschale, Eigenheimzulage, etc.), durch identische Besteuerung von Privatpersonen wie Firmen (die im Schnitt durch die Körperschaftssteuer derzeit begünstigt sind), sowie durch die Abschaffung der Vorteile des Ehegatten-Splittings.

Schließlich war es ein wichtiger Ansatz, „Arbeit“ und „Kapital“ identisch zu besteuern. D.h. Das zum Beispiel die Einkommen aus Immobilien (Miete) oder Aktiengewinnen nicht niedriger als die Einnahmen eines selbständigen Tischlers oder das Gehalt eines Arztes besteuert worden wären.

Auch wenn Kirchhof im Wahlkampf vor 4 Jahren für die CDU eintrat, und sein Modell als „neoliberal“ diffamiert wurde (OK, es war Wahlkampf...), wird klar, dass viele seiner Vorschläge durchaus auch als „links“ gesehen werden könnten: ob die höhere Kapital-Besteuerung, Ende der („konservativen“) Bevorteilung von Verheirateten, Gleichstellung von Privatpersonen mit Unternehmen... Oder überhaupt die Abschaffung der tausenden Steuerausnahmen und -sonderregelungen, aus denen eher die „reicheren“ Privatpersonen und Großunternehmen Vorteile ziehen – schon allein deshalb, weil sie sich (überhaupt) bessere Steuerberater leisten können!...

Das Kirchhof-Modell hatte allerdings ganze zwei „Achillesfersen“:
Erstens war es - politisch wie auch ökonomisch - der leider unrealistische Einheitssteuersatz von 25%. Es wurde schnell klar, dass man dadurch kurz- und mittelfristig ein großes Budgetloch schafft, während es bloß zu hoffen geblieben wäre, dass dadurch langfristig die Wirtschaft schneller wächst, und im Nachhinein die Steuereinnamen steigen. (Oder gar, dass der gesenkte Steuersatz weniger Steuerflucht bedeutet).
Andererseits muss man bedenken, dass derzeit, mit allen Steuervergünstigungen und Sonderregelungen, auch die Spitzenverdiener kaum mehr als effektiv 30% ihres Einkommens als Steuer an den Staat abführen.
Ich möchte mich im „linkeren Lager“ nicht noch unbeliebter machen, doch unter Kohl waren die Einkommenssteuersätze wie auch der Körperschaftssteuersatz für Unternehmen, und somit der durchschnittlich effektive Steuersatz aller Steuersubjekte, höher als unter Schröder und danach. Kombiniert mit der derzeit höheren Mehrwertsteuer bedeutet es, dass heutzutage in der Praxis ein Geringverdiner oft – insgesamt, als Anteil seines Einkommens - mehr Steuern an den Staat abgibt als viele Einkommens-Millionäre.

Die zweite „Schwachstelle“ - rein politisch – war der Wunsch nach der Abschaffung aller Steuersonderregelungen, wozu sowohl die vielen Steuervergünstigungen wie Ehegatten-Splitting gehören, wie auch einige „Sondersteuern“ wie Ökosteuer, Tabak-Steuer, Kfz-Steuer, etc. Klar, dass kaum einem Politiker, von den Plattform-Marxisten der Linkspartei bis hin zu dem Adeligen-Klüngel der FDP, die Idee gefallen hat, die Einflusssphären des Staates (also der Politiker) zu beschneiden.

Dennoch, trotz des Wahlkampfes und trotz des Abtauchens Paul Kirchhofs und seines Modells (den schließlich nicht so sehr der Ex-Kanzler, sondern die damals Noch-nicht-Kanzlerin „versenkt“ hatte), schlage ich vor, Teile des Kirchhof-Modells von 2005 aus der Tiefe heraufzuholen, sich diese anzusehen, zu überdenken, und sich mutig an Änderungen der Steuergesetzgebung heran zu wagen.

Ich sehe als erstes keinen Grund, Kapitalgesellschaften, Kleinunternehmer, Selbständige, Immobilienbesitzer, Rentner, Ehepartner, Singles, Angestellte, Arbeiter, und „Kapital-Verdiener“ unterschiedlich zu besteuern. Nicht nur, weil derzeit „der Privatmensch“ höher als „die Zweckgesellschaft“ besteuert wird, sondern – es wäre einfach ein gerechter Ansatz. Auch sollte auf keinen Fall der Faktor „Kapital“ günstiger als „Arbeit“ zu versteuern sein, denn warum soll ein Aktienspekulant oder ein „Erbeverzehrer“ weniger versteuern als der erwähnte Tischler oder Arzt?

Und die „asoziale“ Flat-Tax? Vergessen wir bitte die unglückseligen 25%. Wieso nicht einen 35%-Einheitssteuersatz, damit kein Haushaltsloch entsteht? Von mir aus mit einem Freibetrag von 7.000 EUR wie bisher. Gegebenfalls kombiniert mit einer („sozialen“) Senkung der Mehrwertsteuer auf, sagen wir, 15%, und, sofern es geht, deren weitere schrittweise Senkung? Das wäre eine effektive Entlastung der Geringverdiener, während man das Umverteilen („von oben nach unten“) eher durch gezielte Förderungen der Bundesregierung (Bildung, Gesundheit, Pflege, Infrastruktur, Umwelt) bewerkstelligen sollte, als durch unterschiedliche Stufen der Steuersätze.

Auf jeden Fall – Abschaffung aller Sondervergünstigungen und Sondersteuern. Die zweiteren Tragen ohnehin nur geringfügig zum Budget bei, während die ersteren mehr als der Hartz IV-Posten ausmachen.
Die Legislative sollte sich vor Augen führen, dass deren Qualität nicht in der Schaffung der Gesetze, sondern der Gestaltung der gesamten Gesetzgebung liegt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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