Mit Über-Konsum in die Über-Schuldung

Verschuldung Übermäßiger Konsum der Deutschen führt zum starken Anstieg an Überschuldung privater Haushalte. Im Klartext: Über 6 Mio. Menschen geht es schlimmer als Griechenland.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Gerne wird in Deutschland über die südeuropäischen EU-Länder von oben herab hergezogen, sei es im Falle der korrupten Italiener, reformskeptischen Portugiesen, Spaniern, die „über seine Verhältnisse gelebt“ haben sollten. Am liebsten wird jedoch auf den „hochverschuldeten Griechen“ mit dem Finger gezeigt.

Ein Blick auf die vor kurzem veröffentlichte Studie der Wirtschaftsauskunftei „Creditreform“ unter dem Namen „Schuldenatlas 2012“ sollte uns eines besseren belehren. Die Studie beschäftigt sich nicht mit den (vergleichsweise) blendenden makroökonomischen Daten Deutschlands wie BIP, Arbeitslosigkeit, Inflation, Steueraufkommen oder dem angehäuften Privatvermögen, sondern mit der finanziellen Situation der deutschen Privathaushalte, vor allem mit deren Überschuldung.

Und da sieht es auf einmal gar nicht so „rosig“ aus. Es stellt sich heraus, daß nicht nur über 6,6 Mio. Haushalte (und das sind meist mehr als Personen) überschuldet sind, sondern daß die Überschuldung – trotz der „brummenden“ Wirtschaft und „guter Wirtschaftsindikatoren“ - sogar um drei Prozent zugenommen hat. In absoluten Zahlen sind es vielleicht keine Schulden wie die des griechischen Staates, doch pro Haushalt betrachtet haben wir in Deutschland über 6 Millionen „Mini-Griechenländer“. Schlimmer noch: 3,8 Mio. Menschen sind so verschuldet, daß sie sich nicht aus eigener Kraft aus dieser Lage befreien werden können.

Höchste Zeit also die Lage neutestamentarisch zu nehmen, mit den Worten: „...und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“.

Ein privater Schuldenschnitt für Millionen von Deutschen? Vor einem solchen Schritt wäre es jedoch sinnvoll, sich die Gründe für die Schulden, für diese Schuld und Sünde anzusehen. Ja, „Sünde“, denn – und das betonen die Autoren der Studie – die Überschuldeten sind nicht ausschließlich „die üblichen Verdächtigen“. Also Alleinerziehende, Arbeitslose, Geschiedene, arme Rentner.

Das Interessante, aber auch das Beunruhigende an den Ergebnissen der Studie ist, daß im großen Ausmaß sich Menschen verschulden, die eigentlich... Geld haben. Die sich nicht im Scheidungskrieg befinden oder den Job verloren haben, die nicht von einer plötzlichen oder langwierigen Krankheit überfallen wurden oder vom Hartz4 leben müssen.

Die Zunahme an Überschuldungen fand nicht nur in jedem „Milieu“ oder Einkommensklasse statt, es zeigt sich darüber hinaus, daß der höchste Anstieg an Überschuldungen in der „Mittelschicht“ erfolgte. Und zwar vor allen in zwei Altersgruppen: einerseits bei den berufstätigen 20-29 (plus 8%) und 30-39-jährigen (6%), und andererseits... bei den 50-59 bzw. 60-69jährigen (je 4%), also bei vielen (Früh-)Rentnern.

Das wichtigste an der Studie ist der Grund für diese etwas überraschende Verteilung. Es ist schlicht und einfach in den meisten Fällen – der Konsum. Übermäßiger Konsum. Konsum bei Menschen, die meist genug zum leben haben, die genug verdienen, und die dennoch – mehr wollen. Dazu gehören genauso die gerade ins Berufsleben eingestiegenen „Twens“, wie auch „konservativ-etablierte“ Teile der Gesellschaft. Es wird nicht nur nicht gespart, es wird nicht finanziell nachhaltig (Ausgaben gleich Einkommen) gelebt, nein, man und frau lebt auf Pump. Als gäbe es nicht nur kein morgen, sondern als gäbe es nicht nur im heute die Beispiele wie Griechenland. Die neueste Version des Smartphones muss her, incl. Handy-Gebühren (man muss ja immer online sein). Und natürlich eine größere Wohnung – auf Kredit. Wobei auch der Urlaub ganz was spezielles sein soll. Nicht zu vergessen: jede zwei-drei Jahre ein neuer PKW, am besten ein „familiengerechter“ SUV (die netten Leasing-Finanzierungsmodelle helfen gerne). Als Draufgabe ein paar schicke Möbel und natürlich die glänzende Kaffee-Espresso-Maschine (nein, nicht das kleine Plastikding mit Filtertüten und gläserner Kanne). Die scheinbar niedrigen Zinsen scheinen ein Schnäppchen zu sein, eine Gelegenheit, die man/frau nicht verpassenb sollte. Was vergessen?... Ja, vielleicht daß sich die Frauen mehr als Männer verschulden – auch ein neuer Trend. Der vielleicht beweist, daß wir uns tatsächlich immer mehr in Biedermeier-Manier „auf die innere Höhle der Wohnung“ konzentrieren und einkapseln?

Aus diesen Gründen fällt es mir schwer, ein Mitgefühl für den Großteil dieser „Überschuldungs-Opfer“ aufzubringen. Die Erklärungen wie „die Werbung ist schuld“, "wann sind die Zinsen wieder so niedrig" oder „man ist sonst aus dem Milieu ausgeschlossen“ drängen zu mir nicht durch. Schuld sind diejenigen, die Schulden anhäufen – und „sozial ausgeschlossen“ sind sie tatsächlich, spätestens nach der Privatinsolvenz.

Einen Lichtblick der Studie habe ich für den Schluß aufbewahrt: Die Jungen. Es zeigt sich, daß die oben beschriebene Entwicklung mit dem steigenden Drang zu übermäßigem Konsum, welcher in einer Überschuldung endet, bei einer Bevölkerungsgruppe klar abnimmt: den unter-20-jährigen. In dieser Gruppe fand eine klare Abnahme der Verschuldungsfälle statt – satte minus 11 Prozent. Vielleicht bin ich da zu optimistisch, doch die Erklärung könnte sein, daß sich die Jugendlichen zurecht kein Beispiel an ihren Eltern und Großeltern nehmen, und nicht nur besser haushalten können, sondern auch weniger dem Konsummammon zu verfallen scheinen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden