Politik ohne Angebot und Nachfrage

Wirtschaftspolitik Sollte sich ein Staat wirklich um die Nachfrage oder das Angebot „stimulierend“ kümmern, erst recht um deren „Wachstum“?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Seit Jahrzehnten, jedoch auch vermehrt in den letzten Jahren, wird leidenschaftlich darum gestritten, welcher Art der Wirtschaftspolitik der Vorrang, wenn nicht die Alleinherrschaft gehören sollte: der s.g. „angebotsorientierten“ und der „nachfrageorientierten“ Wirtschaftspolitik.

Die erste Variante besagt, der Staat soll sich um die „Angebotsseite“ kümmern – also produzierende Unternehmen. Am besten in der Art und Weise, dass diesen Unternehmen keine „Schranken“ in Form von Steuern, Zöllen, Vorschriften „im Wege“ stehen, des weiteren die Lohngestaltung ziemlich freizügig bleibt und die Währung stabil bleibt: geringe Inflation, aber auch keine zu hohen Zinsen (Monetarismus). Eigentlich also möchte die angebotsorientierte Politik, dass der Staat so wenig Einfluss auf die Wirtschaft hat wie möglich – die (private) Wirtschaft wird schon selber für das richtige Angebot sorgen (indem es die Nachfrage erkennt). (Wobei, ich kenne keinen Wirtschaftsverband oder Unternehmen, welches radikal gegen Staatseinmischung in Form von Subventionen oder Förderungen, erst recht nicht Bestellungen, wäre...)

Der nachfrageorientierte Ansatz will das Gegenteil: der Staat soll dafür sorgen, dass die Nachfrage (nach den Produkten der o.g. Unternehmen) nicht sinkt und am besten steigt. Die Mittel dazu sollen Lohnerhöhungen , höhere Sozialhilfen (beides „damit der Mensch einkaufen kann“), gemäßigte Inflation („damit die Leute das Geld ausgeben und nicht horten“), schließlich Ausgaben des Staates in die Infrastruktur – indem dieser selbst bei Unternehmen Brücken, Schul-PCs oder Polizeiautos bestellt.

Es ist somit keine Überraschung, dass politisch vor allem „neoliberale“ und die Unternehmens/-Arbeitgeberseite sowie (konservative) „Reiche“ für die „Angebotspolitik“ stehen, während die Nachfragepolitik vor allem (aber nicht nur) seitens der linken Parteien und der Gewerkschaft gefordert wird. Vereinfacht wird unter politischen Ökonomen gerne das ganze zu einem Zweikampf Keynes vs. Friedman (oder Hayek) erkoren. Schön schwarz-weiss.

In der Realität gab es und gibt es nie nur das eine, sondern eine Mischung aus beiden. Egal ob unter Hitler, unter Adenauer&Erhard, oder unter der großen Koalition 2005-2009: mal wurde etwas mehr Angebotspolitik gemacht, mal mehr Nachfragepolitik, der Staat wollte und will beides tun: sowohl für die Nachfrage wie für das Angebot zu sorgen.

Wobei es dabei zu Ergebnissen kommt, bei denen sich die oben genannten Herren wohl im Grabe umdrehen: Der Staat rettet mit „Geldpumpen“ oder mit Verschuldung Banken – mischt sich also immens in die Unternehmen ein! Kaum ein Verehrer Milton Friedmans oder F.A. Hayeks hat hier laut protestiert. Hingegen wird J. M. Keynes absichtlich nur halbherzig genutzt: Während er meinte, der Staat soll antizyklisch handeln, und nur in Zeiten der Konjunkturschwäche – gegenbenfalls auch durch Schulden – mehr Geld ausgeben, um die Wirtschaft wieder „auf Touren“ zu bringen, tun es die Regierungen jederzeit: egal ob die Wirtschaft floriert oder schwächelt, es wird immer mehr ausgegeben als eingenommen. Vergessen Keynes Gebot, man solle dann in den „guten Zeiten“ die Staatsausgaben senken und mithilfe höherer Einnahmen (also höhere Steuern) die vorher gemachten Schulden abzahlen. Oder die Abwrackprämie: War es eigentlich eine Angebots- oder Nachfrageorientierte Maßnahme? Abgesehen davon, wie absurd es war – man fördert das Wegwerfen funktionierender Fahrzeuge, nur damit die Menschen sich neue kaufen.

Das absurdeste an beiden Typen der Wirtschaftspolitik sind jedoch schon deren Namen. Der Staat soll durch Maßnahmen Angebot oder Nachfrage schaffen? Für jeden klassischen Liberalen der sich auch nur wage an Adam Smith erinnert müsste beides einer Blasphemie gleichen. Der Staat soll gar nichts tun, höchstens dafür sorgen, dass „der Markt“ (somit die Angebots- und die Nachfrageseite) frei bleibt (keine Kartelle etc.).

Aber auch abgesehen von wirtschaftspolitischen Prinzipien müßte man bei beiden Politiken nicht grundsätzlich fragen: Ist es nicht schlicht absurd, dass der Staat „das Angebot“ (also Produktion) fördert, oder aber „die Nachfrage“ (also den Konsum) zu stimulieren versucht? Logisch für mich wäre, dass als erste eine Nachfrage von selbst entsteht („Ich möchte ein Cappucino!“). Danach folgt das Angebot (Der Becker bietet einen Cappucino, nachdem er gehört hatte, es gäbe mich und noch ein paar andere Cappuchino-Interessierte), und irgendwann treffen und einigen sich beide Seiten – oder eben nicht.

Man könnte einwenden, das mit A. Smith und dem „freien Markt“ stimme entweder „nicht so ganz“ - oder schlicht gar nicht. Gut, in diesem Fall stellt sich die Frage weiterhin und gar noch fundamentaler, egal ob in einer nicht perfekten Marktwirtschaft oder in einer planwirtschaftlichen Monarchie: Ist es nicht absurd, dass ein Staat eine überhaupt Nachfrage fördert? Also Maßnahmen ergreift, damit die Menschen mehr nachfragen als sie wohl bedürfen? Das fördern eines Angebots ist genauso absurd – und endet gegebenfalls in unverkauften, weil nicht nachgefragten Produkten. Außer der Staat sorgt auch für die höhere Nachfrage – indem er etwa die Menschen zwingt, das Angebot bitte auch anzunehmen.

Mir wäre lieber ein sich in beiden Fällen nicht einmischender Staat, und dazu einer, der weniger materialistisch seine Ziele setzt. Wollen wir einen Staat, der für mehr Produktion sorgt? Oder einen, der für mehr Konsum eintritt? Nachfrage der Nachfrage wegen? Angebot des Angebots wegen? Und in beiden Fällen: Wachstum des Wachstums wegen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden