Sahra Wagenknecht – eine kommunistische Ikone

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Anfang dieser Woche hat es „Die Linke“ geschafft, sich nach dem Rückzug von Oskar Lafontaine auf eine neue Doppel-Führung zu verständigen. Aus meiner Sicht ist aber eine andere Entscheidung viel interessanter: der Aufstieg von Sahra Wagenknecht, der Führerin der „Kommunistischen Plattform“, zu einer der vier stellvertretenden Vorsitzenden.

Auf der einen Seite ist es gut, dass sich„Die Linke“ mit ihrem Bekenntnis zum Kommunismus so klar positioniert. Gut für den potenziellen Wähler, gut für das Profil der Partei, und für Frau Wagenknecht sowieso.
Auf der anderen Seite könnte man sich fragen, wie es die Vorsitzende einer Gruppierung, die ca. 1% der Mitglieder „Der Linken“ umfasst - also auf das Wahlergebnis vom September 2009 umgerechnet nicht mehr als 0,119 % der Wählerschafft, so schön aufzusteigen und nun „designierte Stellvertretende Parteivorsitzende“ zu sein.

Das sind die Stichworte: Schönheit und Design.
Sahra Wagenknecht schafft es bisher sehr gekonnt, ihr zweifelsfrei gutes Aussehen sehr gut medial zu vermarkten: egal ob durch ihr Erscheinungsbild in TV-Talkshows, oder eine Reihe von wirklich reizenden Photographien auf Wahlplakaten oder ihrer Website (www.sahra-wagenknecht.de/de/topic/153.pressefotos.html), die die Handschrift eines eindeutig professionellen Photographen tragen.
Dazu wählt sie meist einen Stil der Kleidung und der Frisur, der eine gelungene Kreuzung aus katholischer Nonne und maoistischem Funktionär vereint: schwarz, schlicht, uniformiert-eng. (Für Star-Wars-Fans: eine Kombination aus Uniformen der imperialen Truppen, Prinzessin Leas Haar – ab Folge 2 - , und Darth Vaders Farbenfroheit).
Und wenn schon ein Rock, dann an Rosa Luxemburgs Stil angelehnt, wenn doch ein Ausschnitt – dann dezent. Und dadurch wirkt Frau Wagenknecht natürlich viel erotischer als die plumpen Wahlkampf-Versuche ihrer Kolleginnen aus Kreuzberg Vera Lengfeld (CDU, 1.bp.blogspot.com/_z5hT1P0X79c/SoKA7if6fFI/AAAAAAAAFBM/OM5emFapr7w/s400/lengfeld.jpg) und Helena Wawzyniak (Die Linke, tractotheque.blogspot.com/2009/08/allemagne-2009-berlin-halina-wawzyniak.html).
Da ich gerade bei Internet-Links bin – ein Blick auf das Suchergebnis unter Google/Bilder zeigt zwar, dass die Bandbreite der offiziellen Bilder etwas reichhaltiger als bei ihren Vorbildern Lenin und Stalin ist, gleichzeitig wird aber auch ein gekonntes Corporate Design mithilfe der o.g. Photos sichtbar. Die mediale Werbebotschaft wird klar: Kommunismus kann auch attraktiv, wenn nicht gar „sexy“ sein.

Verdächtige ich etwa Frau Wagenknecht, dass sie Google so wie ihre chinesischen Kollegen zu manipulieren weiß? Oder bin ich so frustriert, kaum ein Bild mit „Sahra in revolutionärer Aktion“ zu finden, auch wenn es vermessen wäre, nach Delacroix-Motiven zu suchen?

Nein, stören tut mich vor allem der offensichtliche Mangel an rhetorischen Fähigkeiten Frau Wagenknechts. Und damit meine ich nicht nur ihre hölzernen Auftritte bei Talkshows wie „Maybrit Illner“ oder ihre zwar viel besser redigierten, dennoch kaum vom Hocker reißenden Artikel und Interviews in der Presse. Als hätte sie den Beinamen ihrer kommunistischen Zelle zu wörtlich genommen.
Ich erwarte von Frau Wagenknecht nicht, dass sie als eine relativ junge Politikerin sich mit alten Talkshow-Hasen messen müßte. Mit der Rhetorik eines Gregor Gysi, der Schlagfertigkeit einer Renate Künast, der Lässigkeit Klaus Wowereits, der Präzision von Guido Westerwelle, der Abgehobenheit Helmut Schmidt, oder der Originalität eines Edmund Stoiber. Denn bei all diesen Politikern sind es auch nur gekonnt eingesetzte Satz- und Argumentationsmodule, auswendig gelernt und trainiert (was man nur Stoiber nicht vorwerfen kann).
Problematisch finde ich, dass die Schönheit der Bilder über den Inhalten so klar siegt.
Natürlich, Bilder und Image hat jeder. Ich vergesse nicht, dass Hans-Christian Ströbele kaum ohne seinen roten Schal auftaucht, dass es zur Standardausstattung von SPD- und FPD-Kadern gehört, rote bzw. gelbe Krawatten und Pulunder zu tragen, während es viele aus der CSU eher „bayrisch-traditionell“ halten, und dass Claudia Roth ein Kunstwerk an sich ist. (Das Fehlen der CDU-Kollegen in dieser Aufzählung beweist bloß, dass diese vielleicht zu bieder sind).

Sahra Wagenknecht hat es nur noch nicht geschafft, wie Che Guevara auf einige zig Millionen von T-Shirts zu gelangen. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass es Che mit seinen Revolutionen bis nach Angola und Bolivien verschlagen hatte, und Frau Wagenknecht höchstens nach Düsseldorf-Süd, wo sie für den Bundestag kandidierte.
Aber ihre schöne Erscheinung einer kommunistischen Ikone (schöner und gekonnter in Darstellung ist höchstens Julia Timoschenko) hat zumindest die Parteigenossen überzeugt.
Doch Vorsicht mit Ikonen, liebe Sahra: bekanntlich haben die Kommunisten diese verbannt, nicht selten auch verbrannt. Und ein Jeanne d´Arc-Schicksal wünscht Ihnen keiner – es wäre zu viel an heisser Leidenschaft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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