In einem kürzlich veröffentlichten Blog-Beitrag (https://www.freitag.de/autoren/lukasz-szopa/sind-wir-nicht-alle-uli-hoeness) habe ich mich mit ethischen Fragen und gesellschaftlicher Bewertung der Steuerhinterziehung und anderer Betrugsarten am Staat (ob durch Millionäre wie U. Hoeneß oder durch „kleine Fische“) auseinandergesetzt. Nun möchte ich das Thema anhand von Zahlen bewerten, nicht ohne auch daraus die eine oder andere Schlussfolgerung zu ziehen.
Der Steuerbetrug wird in Deutschland jährlich auf ca. 15 Milliarden EUR geschätzt.[1] Dies beinhaltet alle illegalen Vorgehensweisen, die dazu führen, die Steuerlast des Einzelnen zu senken – von Fällen wie Uli Hoeneß bis zu Angabe einer privaten Abendessensrechnung als „Geschäftsessen“. Nicht gemeint sind damit entgangene Steuern, die legal – etwa durch Firmen oder Einzelne – mithilfe von „Off-Shore“-Gesellschaften an dem Fiskus vorbeigeschleust werden. Dennoch beträgt die Anzahl solcher Steuerkrimineller um die 8 Millionen Bundesbürger. Also kann keine Rede davon sein, dass es „nur die Reichen“ tun würden. Genaue Zahlen dazu, welche Einkommensklasse in welchem Umfang Steuerbetrug betreibt, fehlen mir. Da jedoch die Zahl derjenigen, die als „reich“ gelten (über 60.000 EUR Jahreseinkommen) ungefähr auch um die 6-8 Millionen beträgt, liegt der Verdacht nahe – ohne dass man daraus einen Generalverdacht spinnt – daß es eine große Überschneidung zwischen der Zahl der Steuerbetrüger und der Zahl der „Reichen“ gibt“. Man muss auch etwas haben, um – auch in absoluten Werten – etwas vor dem Finanzamt zu verstecken. Ohne dass diese Tatsache für jeden „Klein-Steuerbetrüger“ eine Absolution bedeuten würde. Andererseits, vielleicht waren es zum Großteil Millionäre wie Hoeneß? Der hat schätzungsweise 500.000 EUR jährlich an Steuern betrogen. Um auf die 15 Milliarden zu kommen, müsste es in Deutschland „nur“ 30.000 solcher Hoeneß-ähnlicher Millionäre geben. Da es aber hierzulande ca. 900.000 gibt – kann man fast schon sagen, daß entweder die meisten davon ehrlich sind, oder aber dass kaum jemand derart dreist wie Hoeneß Steuern hinterzieht.
Steuerbetrug ist jedenfalls ein dicker Brocken – getoppt nur von dem Betrug durch Schwarzarbeit. Dieser Schaden (incl. der entgangenen Sozialversicherungs-Beiträge) wird auf 50 Milliarden EUR beziffert [3]. An Schwarzarbeit-Betrug sind mehrere mitschuld: der schwarz arbeitende Handwerker oder die Putzfrau, aber im gleichen Maße deren Arbeitgeber – ob Privatleute oder Firmen.
Schwarzarbeit darf aber nicht mit dem medial oft angepragerten „Hartz-4-Betrug“. Dieser beträgt... 60 Millionen EUR [4]. Ja, ich musste selbst dreimal lesen. Es ist zwar viel an sich, doch verglichen mit den oben genannten Zahlen (Steuerbetrug, Schwarzarbeit) ist es verschwindend klein – nicht einmal ein Tausendstel deren Summe. Dennoch kommt es mir oft vor, als würde diese Art von Betrug (welches es auch ist) medial und gesellschaftlich nicht ein Tausendstel weniger oder seltener angeprangert als hinterzogene Steuern oder illegal angestellte Dienstleister.
Vom Illegalen nun zum Legalen – doch auch aus meiner Sicht wenn nicht verwerflichen, so zumindest fragwürdigen Wegen, den Staat und die Gemeinschaft um seine Steuern zu erleichtern.
Also zum s.g. „Steuerersparnis“. Ein paar Beispiele, nur um einen Vergleich zu zu dem illegalen Steuerhinterziehung zu haben:
Ehegattensplitting kosten den Staat jährlich 14 Milliarden Euro. [5]
Entgangene Einnahmen durch die 25%ige Abgeltungssteuer für Kapitaleinträge (anstatt dass diese mit dem Einkommenssteuersatz besteuert werden) – 4 Milliarden Euro.[5]
Subventionen und Förderungen an Unternehmen: 23 Milliarden Euro. [6]
Was auch noch zu hinterfragen wäre, wären vielleicht auch die jährlichen Militärausgaben – 32 Milliarden Euro.
Wenn man bedenkt, dass das jährliche Haushaltsdefizit bei 26 Milliarden EUR liegt, dafür aber die Zinskosten für über 2 Billionen EUR an Staatsschulden jährlich mit 32 Mrd. EUR zur Buche schlagen – kann man viele Rechnungen anstellen, wie man nicht nur zu einem ausgeglichenen Haushalt kommt, sondern auch noch die Staatsschuld abbauen könnte. Wenn das geschehen ist, kann man auch über die Senkung der Steuern diskutieren... Wobei – dazu hier leider keine Zahlen – es auch spannend wäre zu erfahren, wie viel Steuermilliarden die größte Steuerhinterziehung in Geschichte Deutschlands gekostet hatte – nämlich die Senkung der Einkommenssteuern von 53% auf 42% unter Rot-Grün (1998-2005).
Übrigens, a propos Steuern. Sollten Sie wieder mal die Behauptung hören „Es zahlen jetzt schon nur die 7% der Reichsten 50% der Steuern“ - Vorsicht. Dies bezieht sich sehr verkürzt auch die Einkommenssteuer, und lässt die Tatsache aus, dass der Bund durchaus auch von anderen Steuern „lebt“ - wie die Mehrwertsteuer, Energiesteuer und anderen (http://de.wikipedia.org/wiki/Steueraufkommen_%28Deutschland%29). Diese indirekten Steuern tragen mehr zum Haushalt als die Einkommenssteuer und Lohnsteuer zusammen genommen! (Und so viel können die 7% auch nicht konsumieren und SUV-fahren, dass sie hier die oberhand als Steuerzahler hätten).
Die zweite populistische Behauptung ist daher auch, frei nach Mitt Romney, dass „die Hälfte der Deutschen gar nichts an Steuern zahlt“. Erstens, sie zahlen proportional am Einkommen mehr an Steuern als mancher „Reicher“ - wenn man die indirekten Steuern mitrechnet. Und zweitens – könnte man gleich fragen: Ja, warum schaffen es diese 50% nicht, ein Einkommen zu erreichen, welches Steuern generieren könnte?...
[1] http://www.derwesten.de/wirtschaft/steuerhinterziehung-kostet-deutschland-laut-studie-65-milliarden-euro-id6911845.html
[3] http://www.derwesten.de/wirtschaft/steuerhinterziehung-kostet-deutschland-laut-studie-65-milliarden-euro-id6911845.html
[4] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sozialbetrueger-in-deutschland-weniger-schummeleien-um-hartz-iv-1.1309335
[5] http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-01/abgeltungssteuer-einnahmen
[6] http://de.statista.com/statistik/daten/studie/77463/umfrage/subventionen-durch-den-bund-in-deutschland/
Kommentare 11
"Der Steuerbetrug wird in Deutschland jährlich auf ca. 15 Milliarden EUR geschätzt.[1]"
Ich dachte die [1] führt mich zur Quelle der Behauptung...?
Wenn Sie nach dem zitierten Wissenschaftler "Friedrich Schneider" googeln, findet man weitere Quellen, u.a. auch sein Buch zu dem Thema. Allerdings habe ich keinen direkten Link (=direktes Dokument als PDF oder so) des Autors gefunden (er will wohl, dass man sich das Buch kauft...)
Vielleicht hilft das:
http://www.stiftung-marktwirtschaft.de/wirtschaft/veranstaltungen/tagungen/18012010brschattenwirtschaft-und-steuerhinterziehung.html?tx_chgallery_pi1[single]=5&cHash=afb132e22cddf74f69d9306b2884d5c4
Das mit den Schätzungen ist halt so 'ne Sache. Aus Spaß schmeiß ich mal 'ne andere Zahl in die Runde: Dieter Ondracek (Steuergewerkschaft) schätzte 2010, es würden jährlich 30 Mrd. hinterzogen werden. Nun, diese Zahl weicht leicht ab von der deinigen. Aus Schätzungen, die sowieso nur interessengeleitet sein können, würde ich keine Schlussfolgerungen ziehen. Steuerhinterziehung ist ein Tatbestand, der nicht zu überprüfen ist. Er wird ja nicht öffentlich präsentiert - von Ausnahmen abgesehen.
Du kannst nicht mal von dir selbst sagen, wie viele Steuern (unbeabsichtigt) du dem Fiskus vorenthalten hast. So müsste man auch dagegenrechnen, dass viele Menschen, wenn nicht sogar die meisten, aus Unwissenheit zu wenig Steuern vom Staat zurückerhalten. Ich selbst habe auch erst über die Jahre dazugelernt: Mal da, mal dort etwas gelesen. Wer nimmt sich schon einen Experten, also einen Steuerberater? Die haben oft keinen Bock, Lohnabhängige gut zu beraten. Kommt ja keine Kohle rein.
Stimmt schon, journalistisch gesehen müsste man mindestens 2 nachprüfbare Quellen haben. Und da sowohl "meine" wie auch "Ihre" Zahl nur Schätzungen und Mutmaßungen sein können, bleibt der "Faktencheck" aus. Dennoch - "Ihre" Zahl von 30 Mrd. scheint mir auch realistischer, wobei weder 15 noch 30 Mrd an meinen Grundaussagen viel ändern - damit meine ich "legale" Steuerhinterziehung oder manchen Haushaltsposten. Sicherlich ist auch "Schwarzarbeit" nur eine Schätzung, die man nicht beweisen kann.
Heute Nacht träumte ich, es gäbe nur noch für jeden 1 Konto auf der Großen Welt und ansonsten bargeldlosen Zahlungsverkehr.
"Welche Transparenz!" dachte ich.
Und das Schönste war: Am Ende des Monats wurde jedes Konto mit demselben Betrag wieder aufgefüllt!
That's real "Wealth of Nations!!!" murmelte ich...
Alles virtuell...
Lediglich eine Frage des Guten Willens...
Als ich erwachte und mein leeres Portemonnaie sah, war mir klar, wie manche Träume zustandekommen...
Die 7%, die 50% der Steuern zahlen, verdienen aber auch mehr als 50%.
Es wird viel gelogen und verdreht.
Objektive Zahlen zu bekommen, tja - da hackt es doch schon.
Vor allem - was im Text ja auch angedeutet wird - der tatsächliche Beitrag am Einnahmenaufkommen für die Gemeinschaftskasse in Relation zum Vermögen, Einkommen des Einzelnen dürfte so manche Behauptung die Reichen zahlen die meisten Beiträge ad absurdum führen.
Warum wird - trotz gebetsmühlenhafter Versprechungen, die Steuergesetzgebung immer komplexer, statt transparenter und einfacher?
Ich fürchte es ist müsig über die Steuergerechtigkeit oder Steuerehrlichkeit nachzudenken, auch hier herrscht das Gewinner/Verliererprinzip.
Es ist müßig über "Steuergerechtigkeit" zu reden? Warum sind Sie so pessimistisch? Weil trotz der Zahlen die Mehrheit der Bürger es nicht schaffen (wollen?...), demokratische Vertreter zu wählen, die für mehr Steuergerechtigkeit herrscht? Warum kommt Die Linke und Die Grünen auf so niedrige Werte - gemessen an der "gefühlten" Ungerechtigkeit? Warum wird gerade in diesen Tagen das Wahlprogramm der Grünen (höhere Steuersätze, Aus für Ehegattensplitting) so heftig kritisiert, oder die Vorschläge Der Linken als "realitätsfern" gegeißelt?
Nachtrag: Dabei sind die Vorschläge Der Grünen und Der Linken sogar modarater als die Steuergesetzgebung unter Kohl, von Adenauer zu schweigen...
... ich persönlich habe ein Glaubwürdigkeitsproblem - auch mit den Grünen und der Linken - wirklich - mit allen Volksvertretern.
Die Theorie unterscheidet sich leider immer wesentlich von der Praxis.
Die formulierten Pläne bezüglich der neuen Steuertarife wären prinzipiell zu befürworten, würde man den Verfassern abnehmen, dass sie sie auch letztlich so umsetzten.
Man kann das gut daran sehen, dass z.B. die exakte Auflistung der Nebenkeinkünfte nach Euro und Cent wieder in den Schubladen verschwand.
Nein, Kleptokraten, Nepotisten oder schlicht Verbrechern nehme ich ihre Programme nicht mehr ab.
Ich unterstelle Ihnen da schlicht mehr persönliches Hoffnungspotential bezüglich der Volksvertreter - wobei mehr als meines - könnte trotzdem noch bedeuten das es winzig ist - da bei mir diesbezüglich die absolute Leere herrscht.
Daher ist es für mich müsig - Verteilungsgerechtigkeit benötigt keine extrem verklausulierten Verteilungsregeln - sie könnte sehr - sehr einfach gestaltet werden - nur, dann kommt wohl wieder der Spruch -
Arbeit muß sich lohnen - wobei eben gerade jene anscheinend das Gefühl haben - es würde sich nicht lohnen, die an der Schwell zu den sehr hohen Einkommen stehen - in meinem Leben jedenfalls gewann ich bisher den Eindruck, dass die Unzufriedenheit bei den "Aufsteigern" am größten ist.
Mag sein ich täusche mich - mag sein es ist ein falscher Eindruck - nur - warum zetern die Leute dann schon alleine bei dem Wort Steuererhöhung ?
Dabei liegt über allem die gigantische Problematik der globalen Verteilungsgerechtigkeit - gemessen an diesem Problem, spielen wir hier ein unterhaltsames Erbsenzählspiel - das Schlimme - es ist das Feuer das unter dem Kessel die Suppe zum kochen bringt.
Doch meine Beiträge zum Thema habe ich getippt, da sehe ich keinen Bedarf eines Updates - mir scheint - sogar die drastischsten Bilder werden mit jedem Tag von der Realität auf Neue übertroffen.