Vegane Abtreibungsgegner

Ethik Gedanken zum Advent: fundamentale Abtreibungsgegner müssten eigentlich alle vegan sein. Fleischkonsumierende Menschen zwangsläufig Abtreibungsgegner.

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Der Advent ist die Vorbereitungszeit auf das Weihnachtsfest. Während für die meisten diese vier Wochen vor allem mit stressigen Geschenkeinkäufen, grell herumhängenden Lichtdekorationen (mit oder ohne Jingle-Bells-Musik) und bestenfalls mit Plätzchenbacken verbunden sind, war es im Christentum ursprünglich eine stille Zeit der inneren Vorbereitung auf das Fest der Geburt Christi. Da aber schon damals dem frömmsten Christen die Arbeit an den inneren, seelischen Werten kaum ausreichte, war diese Zeit auch die Zeit des Advent-Fastens.

Was hat aber das Fasten mit der Wartezeit auf die Geburt eines Babys im nahöstlichen Bethlehem zu tun? Da das Fasten in der christlichen Tradition vor allem den Fleischverzicht bedeutet, könnte man darauf schließen, es sei eine Voraussetzung dafür, daß es mit dem 24. Dezember, also Jesu Geburt, auch wirklich klappt. Eine spezielle, gesunde Schwangerschaftsdiät etwa? Oder – da gerade (aber nicht nur) die katholische Kirche so oft das Thema „Abtreibung“, vor allem in meiner Heimat Polen, extra vor Weihnachten in die sonntäglichen Predigten aufnimmt: Soll der adventliche Fleischverzicht etwas mit der Ablehnung der Abtreibungspraxis zu tun haben?

Ich meine ja, und es erscheint auch logisch.

Wer auf Fleisch verzichtet, tut es oft aus dem Motiv, das Leben zu retten, oder zumindest zu schonen. Das Leben der Tiere. Das Leben der nicht verzehrten, und somit auch nicht getöteten Tiere (die wenigsten Menschen essen lebende Tiere...). Wer das Leben der Tiere aus ideologischen Gründen schützen möchte, würde doch auch das Leben der Menschen, die mindestens als „Tier“ zu klassifizieren sind, ebenso schützen wollen, oder?

Natürlich, hier beginnen die ideologischen Schwierigkeiten. Für manche ist ein Phötus noch kein Mensch, für manche ist schon die befruchtete Eizelle ein menschliches Lebewesen. Nicht selten stößt man beim Thema „Abtreibung“ zur Frage, welches Leben man nun schützen möchte: Das der Mutter oder das des ungeborenen Kindes. Und ob der Wille nach dem „Schutz des Lebens der Mutter“ nicht nur auf gesundheitliche Gefahren und Schäden, sondern womöglich auch auf soziale, berufliche, persönliche Schwierigkeiten auszuweiten wäre.

Dieses Dilemma müssten eigentlich die Veganer gar nicht haben. Sie lehnen nicht nur den Verzehr (getöteter) Tiere (inklusive der Gattung homo sapiens), sondern auch aller den Tieren entstammenden Lebensmittel – seien es Eier, sei es Milch, seien es tierische Fette. Daher ist hier die Logik ganz klar und nachvollziehbar: Wer sich weigert, aus der Liebe zum Tier (oder aus Ablehnung dessen Leiden und Ausnutzung) auch nur einen Tropfen Milch oder ein Hühnerei zu essen (das letzte ist biologisch betrachtet, da meist unbefruchtet, eine in Schale eingepackte Menstruation der Henne), der müsste sich klarerweise auch eindeutig gegen das Töten nicht nur eines geborenen Menschen, nicht nur eines Phötus im jeweiligen Stadium, sondern auch gegen das Töten einer befruchteten Eizelle wenden. Im Umkehrschluß müsste ein Veganer schon artistische ethische und philosophische Verrenkungen ausführen, um eine Abtreibung gut zu heißen.

Einfach ist die Sache ebenso für fleischfressende (oder auch nur vegetarisierende) Abtreibungsbefürworter. Wer tierischen Tod in Kauf nimmt, sollte kein Problem mit der Tötung einer Eizelle oder eines ungeborenen Menschen haben. (Oder gar eines geborenen?...)

Außer, daß in diesem Fall – wie bei den meisten Abtreibungsgegnern in der Praxis – der Nicht-Veganer sich auf Glaubensfragen und -dogmen wie den Glauben an die Existenz der Seele (bereits des Embryos) beruft. Und den Glauben an die Nicht-Existenz eine tierischen Seele selbstverständlich.

Es gibt natürlich auch diejenigen, ob seelengläubig oder nicht, die pauschal „dem Menschen an sich“ (mit oder ohne Seele) einen höheren Wert als einem anderen Tier (detto) bescheinigen.

Da es sich aber auch hier um ein (religiöses oder atheistisches) Glaubensbekenntnis und -dogma handelt, verschwindet schnell jegliche Diskussionsebene.

Richtig paradox wird es also nur bei undogmatischen, veganen (und erst recht vegetarischen) Abtreibungsbefürwortern, und bei ungläubigen, fleischfressenden (und erst recht vegetarischen) Abtreibungsgegnern. Sofern es diese Menschen nicht schaffen, sogar sich selbst gegenüber heuchlerisch und verlogen zu sein.

Vielleicht deswegen die Plätzchenwelle vor und während der Weihnachtszeit. Kekse sind meist vegetarisch, vielleicht sogar vegan (bin kein Backexperte – gelingt das Backen es auch mit Sojamilch?). An einem fertigen Plätzchen kann man nicht unbedingt erkennen, welche Lebewesen dafür leiden mussten, und man erspart sich somit jede ethische Abtreibungsdiskussion.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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