Warum nicht die Kirche im Dorf lassen?

Limburg & Co. Sich über Limburgs 31 Mio. oder über die kirchliche Sexuallehre aufregen - als Nicht-Mitglied? Schon eher über den Staat - weil sich dieser von Kirchen nicht trennt.

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Die Kostenexplosion von 31 Millionen Euro für den Bau des Diözesanen Zentrums in Limburg hat hohe Empörungs- und Kritikwellen erzeugt, nicht nur deutschlandweit, sondern sogar im europäischen Ausland. „Es sei ein Skandal“ - befinden nicht nur die meisten Medien, sondern auch die überwiegende Mehrheit der Deutschen.

Auch in mir wächst Verwunderung (von „Empörung“ oder „Skandal“ möchte ich noch nicht reden) – darüber, wie viele Nicht-Katholiken, oder gar Nicht-Mitglieder der Diözese Limburg sich dem Kritikchor angeschlossen hatten. Die tatsächlich ausgeuferten Baukosten werden nämlich alleine vom Haushalt des Bischöflichen Stuhl in Limburg getragen. Es sind also als erste die Mitglieder der Diözese dort betroffen, wenn dafür weniger Geld für andere Vorhaben verwendet wird, oder sich die Diözese sogar verschulden sollte (über das genaue Finanzierungsmodell des Baus ist bisher nicht mehr bekannt). Die Katholiken von Limburg haben also allen Grund, empört zu sein. Da sich wiederum der Haushalt des Bischöflichen Stuhls von Kirchensteuern speist – haben so indirekt auch alle Katholiken in Deutschland das Recht, Kritik zu üben, daß ihre Beiträge auf diese Weise mißgewirschaftet werden. Darauf folgt für mich allerdings, daß sich zum Beispiel weder ein deutscher Protestant oder Muslim, noch ein Atheist oder Agnostiker, noch ein polnischer oder kroatischer Katholik beschweren darf. Auch nicht ein aus der Kirche ausgetretener (und somit nicht Kirchensteuern zahlender) deutscher Katholik. Denn in all den Fällen war es nicht ihr Geld, welches in den Protzbau verpulvert wird.

Es ist aber für Nicht-Betroffene Mode geworden, die Katholische Kirche zu kritisieren. Nicht nur wie im obigen Fall beim Thema Geld – sondern ebenso bei Themen wie Pädophilie, Ökumene, Homosexuellenfeindlichkeit oder Abtreibungsverbot, selbst bei Themen wie Sakramente für Wiederverheiratete oder Frauen im Priesteramt melden sich viele kritisch und emotional zu Wort – die es nicht betrifft. Es ist legitim, wenn sich Eltern und Opfer der Pädophilie-Skandale empören, es ist legitim, wenn Priester Kritik üben, wenn sie weder heiraten noch weibliche Kolleginnen haben dürfen, es ist legitim wenn geschiedene und/oder homosexuelle Katholiken eine andere Kirche wünschen. Ihre Kirche. Dagegen habe ich nur beschränktes Verständnis für alle anderen Bürger, die gerne den Stein der Kritik werfen – obwohl es gar nicht ihre Kirche ist. Ich empöre mich ja auch nicht über die Vereinsstatuten des Kegelvereins Hoyerswerda oder über die Verwendung ihres Haushalts – denn ich bin kein Mitglied. Es ist mir schlicht egal. Warum kann es allen Nicht-Katholiken nicht egal sein, was diese Kirche, diese Institution und Organisation, sagt, macht und baut? Solange es einen nicht selber trifft? Manchmal habe ich gar den Eindruck, vor allem wenn man vom Vatikan oder einem Kölner Bischof etwas zum Thema Sexualität oder Abtreibung hört, daß viele deutsche nicht-katholische Bürger tatsächlich meinen, auch sie seien gemeint. Woher diese Einbildung, ist es Egomanie („Die meinen bestimmt auch mich!“) oder vorauseilender Gehorsam?

Klar, in vielen Fällen hat die eine oder andere Kirche Einfluß auch auf die Politik, die Meinungsbildung, und somit auch auf die Bürger, die nicht Kirchen-Mitglieder sind. Päpste, Bischöfe, Pfarrer und katholische Laien halten Reden, geben Interviews, schreiben Texte, halten vertrauliche Gespräche mit Politikern – und verhalten sich dabei nicht mehr oder weniger wie alle andere Lobbyisten. Versuchen, Einfluß zu nehmen. Das kann und soll man kritisieren – aber nicht mehr, als wenn man einen fremden Diskussionsbeitrag kritisieren würde. Egal ob es um einen Beitrag und versuchten Einfluß des Bund der Arbeitgeber (BDA), der Kommunistischen Plattform, oder des Hoyerswerder Kegelvereins geht. Wobei ich der Meinung bin, daß dieser in Deutschland zum Glück weit geringerer ausfällt als zum Beispiel in Kroatien oder Polen, wo die Katholische Kirche sehr oft versucht hat, nicht nur „an das Gewissen der Abgeordneten zu appellieren“ - sondern mehr oder minder diese unter Druck setzte („Wenn ihr dafür stimmt, werden wir von der Kanzel aus euren nächsten Wahlkampf schwer machen...“)

Aber zurück nach Limburg: Man empört sich – wenn es schon ums Geld geht – über den vom Steuerzahler getragenen Gehalt des Limburger Bischofs oder über die 400 Mio. Euro, die der Staat jährlich an die katholische und die Evangelische Kirche als „Spende“ überweist (nicht zu verwechseln mit den Kirchensteuern, denn hier „hilft“ der Staat bloß, diese Beiträge einzusammeln). Das Gehalt des Bischofs oder die anderen Gelder haben zwar direkt nichts mit den 31 Millionen zu tun, es sind alles verschiedene „Töpfe“. Doch genau weil eine derartige pauschale Vermengung der Kritikpunkte abzulehnen ist, ist umso mehr der Grund für eine solch unsachliche Kritik zu finden, zu kritisieren, und – abzuschaffen. Der Grund ist die Vermengung von Kirche(n) und Staat.

Diese muß endlich abgeschafft werden – zum Wohle des Staates wie zum Wohle der Kirchen.

Die jährlichen Millionenzuschüsse an Kirchen müssen abgeschafft werden. Wenn jemand meint, ein von einer Kirche geplantes Projekt sei sinnvoll und unterstützenswert, sei es die Restauration eines Doms oder ein katholisches/evangelisches Sommercamp – bitte schön! Nur soll die Vorgehensweise nicht anders als beim Hoyerswerder Kegelverein sein, wenn dieser etwas mit staatlicher oder kommunaler Unterstützung austragen will: 1.) Antrag, 2.) Prüfung, 3.) ggf. Bewilligung der Gelder.

Und des Bischofs Gehalt? Ja, auch dieser darf unter Umständen vom Staat (zum Teil oder ganz) getragen werden – wie bei einem atheistischen oder muslimischen Erzieher eines nicht staatlichen Kinderladen-e.Vs. Es soll jedoch – wie oben bei Projekten – kein Automatismus sein, sondern eine objektive, ausgangsoffene Prüfung eines wiederholten Antrags.

Ebenso bei Kirchensteuern: Warum soll der Staat die Zeit seiner Beamten bezahlen, die eine Arbeit für die Kirchen erledigen? Die Kirchen sollen – wie der Kegelverein oder die Piratenpartei – sich selber darum kümmern, daß ihre Mitglieder die Beiträge abführen. Ansonsten müsste man erwarten, daß der Staat für jeden Verein die Beiträge einsammelt – was ich doch für eine Quatschidee halte.

Der Staat muss sich also finanziell und organisatorisch klar von den Kirchen trennen. Das wäre auch für die Kirchen gut: Solange der Staat die Kirchengelder einsammelt und die Kirchen bezuschußt, befindet sich die Kirche in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Staat. Vielleicht nicht so schlimm wie die orthodoxe Kirche in der ehem. Sowjetunion, doch nur eine finanziell unabhängige Kirche kann auch organisatorisch und geistig unabhängig sein. Eine solche Kirche hätte übrigens viel mehr Glaubwürdigkeit und Recht, ihre eigenen Meinungen, Positionen und Dogmen gegenüber den des Staates zu verkünden und zu verteidigen.

Wünschenswert wäre an dieser Stelle – wenn es um Theologie wie Gesellschaftsfragen geht – daß auch jeder Bürger einen geistigen Trennstrich zwischen sich und die Meinungen der Kirchen oder anderer Institutionen (incl. des Kegelvereins und des Kinderladens!) setzt. Als Nicht-Katholiken: Laßt das Thema „Sakramente und Wiederverheiratete“ ruhen, schweigt dazu. Laßt euch von Anti-Kondom-Predigten des Vatikans (oder der evangelischen Bischöfe) nicht einschüchtern, nicht beeindrucken, auch nicht beunruhigen oder aufregen! Es geht Euch nichts an! - Das meine ich im positivem Sinne. Allerdings – und hier ist der kleine Haken – solltet Ihr dann logischerweise nicht von diesen Kirchen wünschen oder fordern, sie sollten Flüchtlinge aufnehmen oder sich für eine sozialere Politik einsetzen. Eine solche Position („Ich will, daß ihr das macht, aber das andere nicht!...“), als Nicht-Mitglied, gegenüber einer Kirche oder einer Kita oder einem Kegelverein ist schlicht unglaubwürdig und unlogisch. Klar, ein Mangel an Logik, Argumentation oder Glaubwürdigkeit ist noch kein Wunsch-Verbot. Ich kann mir ja auch von BDA wünschen, daß es sich für höhere Löhne einsetzt und ihre Lobbyisten in den Bundestag schickt. Genauso wie ich von der Kommunistischen Plattform fordern könnte, endlich sich an Pinochets Politikvorstellungen und Milton Friedmans Wirtschaftsmodellen zu orientieren. Und sich dann aufregen, wenn der BDA und die Kommunistische Plattform auf mich nicht hören und Gegenteiliges tun. Tue ich aber nicht. Genauso wie ich den Kegelverein, die Kita, und die Kirche(n), wo ich jeweils kein Mitglied bin, in Ruhe – und im Dorf lasse.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

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