Zivilisatorischer Hundekot

Stadt Was macht der Hundekot in einer Stadt? Was machen Hunde in einer Stadt? Was macht der Mensch in einer Stadt?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Mit knapp einem Monat Verspätung ist der Frühling eindeutig da. Wie die meisten Berliner freue ich mich natürlich, auch wenn ich – wahrscheinlich als Minderheit – auch kein Problem damit hatte, wenn die Stadt bis in den April hinein mit Schnee bedeckt war. Vor allem, weil ich dann meine Tochter auf dem Schlitten in die Kita bringen konnte, und nicht jeden Morgen das unangenehme Dilemma der Wahl vor mir hatte: trotz Kälte & Nässe schon das Fahrrad mit Kindersitz zu nehmen (und der Hoffnung, dass die schmalen Reifen genug Haftung haben werden), oder doch das Auto – wo die Strecke nicht nur kurz (für ein Auto), dabei aber drei mal so lang wie mit dem Fahrrad ist. Außerdem mag ich das kontrastreiche Schwarz-Weiß der Schnee-und-schwarze-Bäume-Optik. Der Schnee hatte allerdings noch einen klaren Vorteil: Beim gehen konnte man mühelos eine dritte Farbnuance immer rechtzeitig erkennen: die des herumliegenden Hundekots. Nun ist es vorbei – man muss wieder beim fröhlich-frühlinghaftem Voranschreiten aufpassen – ob zu Fuß oder doch mit dem Fahrrad.

Bei einem der täglichen Ausweichmanöver war ich fast dabei, typisch für intolerante Hundenichtbesitzer wie ich, in eine pauschale (doch stumme, gedankliche) Schimpftirade zu verfallen. Über die tausende, ja zigtausende Hundebesitzer, die es nicht schaffen, ihrem Liebling ein Kotablageverhalten fern ab der Bürgersteige und grasigen Parkflächen beizubringen – oder zu ermöglichen. Eigentlich sollten die Hundebesitzer ohnehin den duftenden frisch produzierten Kot präzise in geeignete Plastiksäckchen aufsammeln und bis zum nächsten Mülleimer transportieren (oder gibt es vielleicht schon spezielle Hundekot-Tonnen?). Dieses Bild des sich brav nach Hundekot bückenden Städters, welches mir auch immer wieder begegnet, löst in mir wiederum eher eine Gefühlsmischung aus Häme und Mitleid aus. Beide Emotionen – der Ärger über den Hundekot und das mit Häme gepaarte Mitleid – resultierten dann schnell zum folgenden fragenden Gedanken: WAS MACHT HUNDEKOT EIGENTLICH IN EINER STADT?

und dann:

WAS MACHEN HUNDE EIGENTLICH IN EINER STADT?

Es ist ja normal, das Hunde mal kacken müssen – wie die meisten Lebewesen, sogar Menschen. Und es sind nicht die Hunde, die sich den Kackort aussuchen – sondern „ihre“ Menschen. Es sind auch nicht die Hunde, die sich entschlossen hatten, in einer Stadt zu leben. In einer Umgebung, voll mit Beton, Asphalt, durchgeplanten und verwaltungstechnisch definierten Nutzflächen wie Straßen, Parks, Spielplätze, Fahrradwege, Bürgersteige, Häuser. Oder Busse. Wie absurd ist auch dieses Bild, wenn ein Hund mit der U-Bahn mitfahren muss – sicher kein Vergnügen für das Tier. Für einen Hund wäre es normal, wäre es natürlich auf Wiesen und Feldern herumzurennen, den Hof oder eine Herde zu bewachen, vielleicht auch mit in den Wald auf die Jagd zu gehen. In der städtischen Realität muss der Hund angeleint oder gemaulkorbt zumeist auf platten Beton „spazieren“, freies Herumlaufen ist eine Ausnahme. „Zumeist“ - wenn der Hund mal nach draussen darf, und nicht stundenlang in einer Wohnung eingesperrt ist, mit industriellen Hundefutter gemästet. Welches Futter auch irgendwann in Form von Kot „raus“ muß – vom Besitzer mittels Plastiksäckchen eingesammelt, oder auch eben nicht.

Übrigens – so meine Gedankenwege weiter – wie absurd ist es nicht nur für das Tier Hund, sondern auch für das Tier Mensch, in einem Beton- und Stahlkonglomerat die meiste Lebenszeit zu verbringen? Ähnlich wie Hund meist in vier Wänden der Wohnung oder des Büros eingemauert, zwischendurch im frischen Duft der U-Bahn-Schächte transportiert, oder in künstlich beleuchteten Kästen namens „Supermarkt“ sich auf „Nahrungssuche“ zu begeben?

WAS MACHEN MENSCHEN (wie ich) EIGENTLICH IN EINER STADT?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Lukasz Szopa

Balkanpole. Textverarbeiter. Denker-in-progress. Ökokonservativer Anarchist.

Lukasz Szopa

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden