Was gibt´s? What´s going on? ¿Qué pasa?

Roundup 9. April 2021 Ein Überblick über Ereignisse in der deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Welt vom 9. April 2021. Interessantes, Empörendes oder Themen, die sonst zu kurz kommen.

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An dieser Stelle soll es in Zukunft (hoffentlich) täglich Updates aus dem deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Raum geben. Für Deutschland werde ich mich überwiegend auf außenpolitische Themen fokussieren, bei allen anderen Ländern beschäftige ich mich mit Themen, die ich für wichtig halte, über die ich bereits viel weiß oder die ich schlicht und ergreifend für interessant halte. Detaillierte Ausführungen findet ihr auf meiner Autorenseite des Freitag. Falls sich jemand dafür interessiert, diesen Roundup als Art Newsletter zu erhalten, kann er*sie mir gerne auf Twitter (@luke_tropic) eine Nachricht mit seiner*ihrer Mail-Adresse schreiben.

Deutschland

Hatte ich gestern an dieser Stelle Angela Merkel noch für ihren weitestgehenden Verzicht auf rhetorische Eskalation gelobt, so werde ich heute direkt eines Besseren belehrt. Die Bundeskanzlerin forderte Russland auf, sofort alle seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen. Wieso sich Berlin einbildet, ein Anrecht auf Mitsprache bei der Stationierung von russischen Truppen INNERHALB der russischen Landesgrenzen zu haben, erschließt sich mir nicht. Dieselbe Bundesregierung übrigens, die nicht einmal völkerrechtswidrige Drohnenangriffe ausländischer Streitkräfte von deutschem Boden aus verhindern kann.

Das ZDF berichtet von einem anstehenden Besuch des amtierenden Chefverkäufers von Raytheon, äh, Verteidigungsministers der USA, Lloyd Austin in Deutschland. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer will er dabei über den Afghanistan-Einsatz, die Stationierung US-amerikanischer Soldaten in Deutschland und eine „Bekämpfung des Einflusses gemeinsamer Rivalen“ (lies: Russland, China, Iran) sprechen. Forderungen, Deutschland möge doch bitte mehr Geld in Rüstung investieren und diese gottverdammte Pipeline nicht zu Ende bauen, dürften bei dem Gespräch auch nicht zu kurz kommen.

In diesem interessanten Bericht der jungen Welt wird über deutsch-französische Unstimmigkeiten bezüglich einer europäischen Militärpolitik berichtet. Neben von französischer Seite geforderter Mehr-Beteiligung an Einsätzen wie beispielsweise in Mali geht es in erster Linie darum, welche Unternehmen aus welchen Ländern Profit aus der geplanten Aufrüstung schlagen werden.

Vereinigte Staaten

Einige der Hindernisse für eine Rückkehr der USA zum Atomabkommen mit dem Iran werden in diesem Kommentar des Guardian genannt (auch wenn ich den Optimismus bezüglich einer Rückkehr zum JCPOA der Autorin nicht teilen kann). An vorderster Front stehen dabei innenpolitische Gegner*innen des Konzeptes „Diplomatie mit Gegnern“. Wer jetzt dabei an die Republikaner*innen denkt, liegt erstmal völlig richtig, vergisst aber dabei die Demokrat*innen. Bernie Sanders war beispielsweise der einzige Senator der Demokrat*innen, der gegen einen Vorstoß der Trump-Regierung, den Iran mit neuen Sanktionen zu belegen, stimmte. Für Sanktionen war unter anderem die jetzige Vize-Präsidentin Kamala Harris.

Für einige Linke in den USA und eine große Mehrheit der sich selbst als links bezeichnenden Aktivist*innen, Politiker*innen und Kommentator*innen weltweit gilt Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) als Hoffnungsträgerin. Nun ist es im Zusammenhang mit ihr zu einem Eklat in den Vereinigten Staaten gekommen, der die Politikerin in keinem guten Licht erscheinen lässt. Ende des Lieds war, dass einer ihrer Kritiker von der kalifornischen Polizei aufgesucht wurde, da er angeblich auf Twitter Morddrohungen gegen AOC verbreitet hatte. Aber der Reihe nach. Ocasio-Cortez wurde und wird für ihren Aufruf, man müsse unbedingt Joe Biden und andere rechte Demokrat*innen unterstützen, ohne dafür signifikante Gegenleistungen wie beispielsweise eine bessere Sozialpolitik einzufordern, vielfach kritisiert. Außerdem würde sie unterschiedliche Standards für die Regierungen Trump und Biden anlegen. (Außenpolitisch stand sie ohnehin schon lange in der Kritik, da sie sich häufig nicht klar positionierte oder gar dem neokonservativen Flügel der Partei folgte.) Die 31-jährige Abgeordnete hatte beispielsweise Lager, in denen Migrant*innen unter unmenschlichen Bedingungen eingepfercht werden, während der Amtszeit von Donald Trump als „Konzentrationslager“ bezeichnet, diese Charakterisierung für ähnliche Zustände seit dem Amtsantritt von Joe Biden nicht weiterverwendet. Kritik an ihr bezeichnete Ocasio-Cortez als „Gewalt“.

Eingebetteter Medieninhalt

Nach den Ausschreitungen von Trump-Anhänger*innen am 6. Januar sprach die Demokratin davon, Angst um ihr Leben gehabt zu haben, was angesichts der wiederholten Todes- und Vergewaltigungsdrohungen gegen sie mehr als nur nachvollziehbar ist. Unglaubwürdig wurde sie jedoch, als herauskam, dass sie sich während der Randale nicht im Kapitol, sondern in einem Gebäude, das einen Block vom Ort der Krawalle entfernt liegt, aufgehalten hatte. Nachdem sie so zum Gespött vieler Online-User geworden war, wandte sich ihr Team in einer Mail an Unterstützer*innen mit der Aufforderung, User*innen zu melden, die „Falschinformationen“ über AOC verbreiten würden.

Anlass des aktuellen Eklats war eine Antwort von Ocasio-Cortez auf eine Frage zum Israel-Palästina-Konflikt, bei der sie eine klare Antwort mied wie Bill Clinton das eheliche Bett. Auf diese Kritik an ihren Aussagen kam es zu der bereits erwähnten Kontrolle durch die kalifornische Polizei. Wer eine Morddrohung darin findet, möge sich bei mir melden, vielleicht sind meine Englischkenntnisse auch einfach nicht ausreichend, um die entsprechenden Nuancen erkennen zu können. (Pikantes Detail: Informationen über den Wohnort des Kritikers findet man in seinem Twitter-Profil nicht. Wie die Polizei ihn lokalisieren konnte, ist zumindest einige Fragen wert. Worst Case: Twitter kooperiert mit den Behörden.)

Eingebetteter Medieninhalt

Im März erreichten mehr als 170 000 Migrant*innen die USA, die höchste Zahl seit 20 Jahren. Der Grenzschutz nahm knapp 19 000 unbegleitete Kinder und Jugendliche „in Gewahrsam“, ein Euphemismus für die von AOC kritisierten „Konzentrationslager“. Die Biden-Regierung plant derweil nicht nur, die trump´sche Mauer zu flicken, sondern auch technisch die Grenze besser zu überwachen.

Schottland

Trotz einiger handfester Skandale innerhalb der regierenden Scotish National Party (SNP), werden Unabhängigkeitsbefürworter*innen bei den Wahlen am 5. Mai wohl eine Mehrheit erringen. Ein zweites Unabhängigkeitsreferendum gilt damit nicht nur angesichts des Brexits als wahrscheinlich.

Nordirland

Die Krawalle in Nordirland scheinen kein Ende zu nehmen. Eine gute Zusammenfassung der Riots findet sich hier.

Australien

Nicht nur in den USA oder Deutschland kommt es zu Polizeigewalt gegen Minderheiten, auch die australischen Ordnungshüter*innen haben so ihre Probleme mit der indigenen Bevölkerung der Insel. Laut einer Analyse des Guardian starben seit 1991 474 Aborigines in Polizeigewahrsam. Obwohl sie nur 3,3% der Bevölkerung ausmachen, sind 28% der Gefängnisinsass*innen und 18% aller Gefängnistoten Teil der indigenen Bevölkerung. Verglichen zur „weißen“ Mehrheit ist zudem die Sterberate von Aborigines in Polizeigewahrsam rund sechsmal so hoch wie die der übrigen Bevölkerung. Um im Corona-Jargon zu bleiben, die Sterbeinzidenz pro 100 0000 Einwohner*innen in Polizeigewahrsam liegt für die indigene Bevölkerung bei 61, für den Rest bei 9.

Venezuela

Knapp vier Wochen nach Beginn der Kämpfe zwischen dem venezolanischen Militär und paramilitärischen Gruppierungen im kolumbianisch-venezolanischen Grenzgebiet meldet sich die Tagesschau zu Wort. Wie immer, wenn es um Venezuela geht, dürfen dabei auch Hinweise auf den „autoritär regierende[n] Präsident[en] Nicolás Maduro“ nicht fehlen. Zudem wiederholt Xenia Böttcher Anschuldigungen des ehemaligen US-Außenministers Mike Pompeo und der kolumbianischen Regierung, Venezuela stehe zunehmend unter Einfluss von Drogenkartellen, ohne diese zu hinterfragen. Mike Pompeo hatte sogar ein Kopfgeld auf den venezolanischen Präsidenten ausgesetzt, Begründung „Narkoterrorismus“. Auch im weiteren Bericht der ARD zeigt sich ein ungeheuerliches Maß an Propaganda und Projektion. Venezuela ein Narkostaat? In keinem Land der Welt wird mehr Kokain hergestellt als in Kolumbien und in keinem Land der Welt werden mehr Drogen konsumiert als in den USA. Was Venezuela betrifft, so hat ausgerechnet der von vielen westlichen Staaten als Freiheitskämpfer gerühmte Leopoldo López mehr Verbindungen zu (kolumbianischen) Drogenkartellen als die gesamte Regierungsbank zusammen. Der als Präsident anerkannte Juan Guaidó ließ sich derweil schon mit Anführern kolumbianischer Todesschwadronen ablichten. Über den kolumbianischen Präsidenten Iván Duque ist mittlerweile aus geleakten Gesprächen bekannt geworden, dass er Geld eines Drogenbarons angenommen hatte, das ihm zu seinem Wahlsieg 2018 verhalf. Duque gilt als handverlesener Nachfolger und politischer Ziehsohn von Ex-Präsident Álvaro Uribe Vélez, über den die New York Times berichtete, dass Todesschwadronen von einer Ranch der Uribe-Familie aus operierten. Dem US-Außenministerium waren Kontakte zwischen Uribe und paramilitärischen Milizen, Drogenkartellen sowie die Tatsache, dass Uribe Geld von Drogenbaronen für seine Wahlkämpfe verwendete, bekannt, wie aus veröffentlichten Depeschen des Ministeriums hervorgeht. Auch die Anschuldigungen von Human Rights Watch (HRW), die venezolanische Armee würde Zivilist*innen hinrichten und sie im Nachhinein als Guerillakämpfer*innen verkleiden, ist so gut wie sicher reine Projektion. Während der Regentschaft Uribes wurden mindestens 6000 Kolumbianer*innen auf diese Weise durch die kolumbianische Armee ermordet, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Bekannt geworden sind diese Fälle als falsos positivos (Falsche Positive). Was HRW betrifft, so sollte jede*r, dem*der Menschenrechte ein wirkliches Anliegen sind, Statements von HRW genauso ernstnehmen wie Aussagen von Harvey Weinstein zu Sexismus und sexualisierter Gewalt. Hier ein paar der Greatest Hits von HRW und ihrem Chef, Kenneth Roth:

  • Befürwortung von Sanktionen gegen Nicaragua und Venezuela durch die Trump-Regierung. Mindestens 40 000 Opfer durch Sanktionen in Venezuela, Wirtschaft um 99% eingebrochen. Sanktionen wurden mitten während der Corona-Pandemie verschärft. HRW lobte diesen Schritt.
  • Unterstützung des Militärputsches in Bolivien 2019
  • Rechtfertigung der Ermordung Qassem Soleimanis durch Donald Trump 2020
  • Vergleiche von China mit Hitler-Deutschland
  • Finanziert unter anderem von saudi-arabischen Oligarchen (an dieser Stelle können wir uns das Gendersternchen wirklich sparen)
  • John McCain wurde als „Verteidiger von Menschenrechten“ bezeichnet
  • Ablehnung des Friedensvertrages zwischen der kolumbianischen Regierung und der paramilitärischen Guerillaarmee FARC

Die Drogenkartelle, die sich seit Wochen erbitterte Gefechte mit der venezolanischen Armee liefert, gingen wahrscheinlich aus der linken Guerillaarmee FARC hervor. Ehemalige Mitglieder weigerten sich, die Waffen niederzulegen, und wurden zu Drogenschmugglern. Ohne die Aktivitäten und Verbrechen der FARC legitimieren zu wollen, so scheint es aus der Perspektive der ehemaligen Kämpfer*innen doch zumindest verständlich, dass sie ihre Waffen nicht abgeben wollten, kommt es doch regelmäßig zu Morden an ehemaligen Mitgliedern (wie an dieser Stelle bereits berichtet.)

Die venezolanische Regierung beklagt erneut, dass die anhaltenden Sanktionen der USA eine Impfung der Bevölkerung behindern würde. Ohne die im Ausland eingefrorenen oder an Oppositionsführer vergebenen Vermögen hätte die Regierung bereits 30 Millionen Dosen Impfstoff kaufen könne, so der venezolanische Kanzeler.

Kolumbien

Passend hierzu: Mit Rafael Domicó Carupia wurde der 44. Anführer sozialer Bewegungen im Jahr 2021 ermordet.

Peru

Hintergründe zu den Wahlen am Sonntag liefert das neue Deutschland hier.

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